11.03.2018 | ACC-Kongress 2018 | Nachrichten
Akutes Koronarsyndrom: Sehr frühe intensive Statin-Therapie als Routinestrategie ohne Vorteil
Die sehr frühe Gabe eines Statins in Form hoher Aufsättigungsdosen scheint bei akutem Koronarsyndrom (ACS) als Routinestrategie die Prognose auf kurze Sicht nicht verbessern zu können. Zumindest bei ACS-Patienten mit perkutaner Koronarintervention deutet sich in einer neuen Studie gleichwohl ein möglicher Nutzen an.
Darüber, dass Patienten mit akutem Myokardinfarkt möglichst schon vor der Klinikentlassung auf eine intensive lipidsenkende Statin-Therapie eingestellt werden sollten, besteht weitgehende Einigkeit. Doch wie rasch sollte die Therapieeinleitung in dieser Phase erfolgen?
Der aktuell vorgestellten SECURE-PCI-Studie zufolge hat eine sehr frühe Gabe von 80 mg Atorvastatin als Aufsättigungsdosis („Loading dose“) bei ACS-Patienten mit geplanter perkutaner Koronarintervention (PCI) jedenfalls keine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse in den ersten 30 Tagen zur Folge. Zumindest bei jenen ACS-Patienten, bei denen die invasive Revaskularisation nach der Koronarangiografie tatsächlich vorgenommen worden war, schien diese Strategie hingegen prognostisch von Vorteil gewesen zu sein.
Studie bei 4191 ACS-Patienten
Eine Gruppe brasilianischer Kardiologen um Dr. Otavio Berwanger aus Sao Paulo wollte sich Gewissheit darüber verschaffen, ob sich durch periprozedurale Gabe eines Statins in hoher Dosierung kardiovaskuläre Komplikationen im Zusammenhang mit einem akuten Koronarsyndrom verhindern lassen. In die zwecks Klärung initiierte randomisierte placebokontrollierte SECURE-PCI-Studie (Statins Evaluation in Coronary Procedures and Revascularization) haben die Untersucher 4191 Patienten mit ACS (darunter 24,8% mit STEMI, 60,7% mit NSTEMI und 14,5% mit instabiler Angina pectoris) und geplanter invasiver Therapie aufgenommen.
Fast alle Teilnehmer (97.8%) erhielten eine erste und 76.8% eine zweite „Loading-dose“ (80 mg Atorvastatin oder Placebo) bereits vor sowie innerhalb 24 Stunden nach der Koronarangiografie. Danach wurde die Behandlung mit 40 mg Atorvastatin pro Tag fortgesetzt. De facto wurde bei 64,7% aller Patienten eine PCI und bei 8% eine koronare Bypass-Operation als revaskularisierende Therapie durchgeführt. In immerhin 27,3% aller Fälle beließ man es bei einer rein medikamentösen Behandlung. Die Ergebnisse sind aktuell in einer „Late-breaking clinical trials“-Sitzung beim Kardiologenkongress des American College of Cardiology (ACC) in Orlando vorgestellt und zeitgleich im Fachblatt JAMA publiziert worden.
Enttäuschendes Gesamtergebnis
Die Hoffnung bestand, durch die sehr frühe intensive Statin-Therapie die Inzidenz klinischer Komplikationen (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, ungeplante koronare Revaskularisation) in den ersten 30 Tagen nach ACS verringern zu können. Doch das Ergebnis enttäuscht: Mit 6.2% (Atorvastatin) vs. 7.1% (Placebo) waren die Raten für den primären kombinierten Studienendpunkt nicht signifikant unterschiedlich (p = 0,27).
Dieses Hauptergebnis lässt nur einen Schluss zu: Als Routinemaßnahme bei ACS ist eine frühestmögliche hochdosierte Atorvastatin-Therapie nicht zu empfehlen. Doch gilt das wirklich uneingeschränkt für alle ACS-Patienten? Schließlich war die Studienpopulation in SECURE-PCI sehr heterogen. Aus vorangegangenen kleineren Studien hatten sich Hinweise darauf ergeben, dass es vermutlich nur eine Subgruppe gibt, bei der eine so frühe Statin-Gabe erfolgversprechend sein könnte, nämlich ACS-Patienten mit invasiver Revaskularisation.
Signifikante Risikoreduktion in der PCI-Subgruppe
Die Studienautoren um Berwanger haben deshalb in einer „explorativen“ Analyse diejenigen ACS-Patienten genauer unter die Lupe genommen, die der geplanten invasiven Therapie in Form einer PCI tatsächlich unterzogen worden waren. Und siehe da: In Übereinstimmung mit den Ergebnissen kleinerer Studien kam in dieser Subgruppe ein klinischer Vorteil der frühen intensiven Statin-Therapie im Vergleich zu Placebo zum Vorschein. Die Ereignisraten unterschieden sich mit 6,0% vs. 8,2% signifikant zugunsten der Atorvastatin-Behandlung (p = 0,02). Eine mögliche Erklärung für diesen Vorteil könnte eine Plaque-stabilisierende Wirkung des Statins sein, die nach Auffassung der Studienautoren unabhängig von der lipidsenkenden Wirkung sein muss.
Noch aber ist die Subgruppen-Analyse der SECURE-PCI-Autoren nur als „hypothesengenerierend“ zu bewerten. Damit für die lipidsenkende Therapie neben der Devise „the lower, the better“ auch der Grundsatz „je früher, desto besser“ Gültigkeit erlangt, bedarf es somit noch weiterer Forschung.
Berwanger O. : Loading Doses of Atorvastatin versus Placebo in Patients with Acute Coronary Syndromes and Planned Revascularization: The SECURE-PCI Trial. Late-Breaking Clinical Trials II, 67. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) 2018, 10. – 12. März 2018, Orlando
JAMA 2018, online 11. März