„Die Diagnose muss absolut sicher sein“
„Wearables“ wie die Apple Watch finden als mögliche Screening-Instrument zur Detektion von Vorhofflimmern derzeit großes Interesse. Diese technologischen Möglichkeiten sind sehr verführerisch. Relevanz und Konsequenzen damit generierter Daten müssen aber kritisch reflektiert werden, meint unser Experte Priv.-Doz. Dr. Stefan Perings aus Düsseldorf.
Palpitationen, subjektiv empfundene Herzrhythmusstörungen und Angst vor Rezidiven eines bekannten paroxysmalen Vorhofflimmerns sind Gründe für häufig vermeidbare Arztbesuche. Solche Vorstellungen beim Arzt, bei denen häufig keine Diagnose gestellt oder Ursache gefunden werden kann, führen zu erheblichen Kosten innerhalb des Gesundheitssystems und verbrauchen wertvolle zeitliche Ressourcen.
Andererseits ist unerkanntes Vorhofflimmern eine sehr häufige Ursache für Schlaganfälle mit all den daraus resultierenden deletären Folgen. Dementsprechend besteht ein großes Bedürfnis für ein optimales Monitoring zur rechtzeitigen Detektion von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern. Derzeit existieren viele unterschiedliche technische Ansätze, um dieses Problem zu adressieren. Einer davon ist die Apple Watch mit einer korrespondieren App, die mittels Photoplethysmographie diskrete Änderungen des Blutflusses detektieren kann, welche einen irregulären Herzschlag reflektieren könnten. Die Uhr erstellt dann ein sogenanntes „Tachogram“, welches von einem Algorithmus analysiert wird, um die Frage zu beantworten, ob dem Tachogram ggf. Vorhofflimmern zu Grunde liegt.
Um diese Frage zu beantworten wurden in die prospektive, einarmige, offene Apple Heart Study insgesamt 419.297 Patienten eingeschlossen. Die Teilnehmer die sich für die Studie melden konnten, sollten kein bekanntes Vorhofflimmern haben und keine orale Antikoagulation einnehmen. Mit dem Download der „Heart Study App” bekamen die Teilnehmer die entsprechenden Informationen, dass bei der Detektion von 5 aus 6 Tachogrammen eines irregulären Pulses innerhalb von 48 Stunden eine Nachricht durch die App generiert wurde, welche den Teilnehmer zu einer Videokonferenz mit einem Studienarzt einlud. Danach wurde dem Teilnehmer ein EKG-Patch zugesandt, das sieben Tage getragen werden sollte.
Primär sollte geklärt werden, wie viele Personen, die wegen registrierter Pulsunregelmäßigkeiten darüber eine App-Benachrichtigung erhielten, während eines nachfolgenden ambulanten EKG-Monitorings tatsächlich Vorhofflimmern hatten. Bei lediglich 0,52% der Teilnehmer wurde eine Nachricht aufgrund eines Tachograms ausgelöst. Von 658 versendeten EKG-Patches konnten 450 analysiert werden. Der positive prädiktive Wert der Apple Watch-Tachogramme um Vorhofflimmern zu identifizieren lag bei 71% und für die Benachrichtigung bei 84%. Wie zu erwarten, war der Großteil der Teilnehmer, bei denen Vorhofflimmern entdeckt wurde, über 65 Jahre alt und der Anteil an auffälligen Tachogrammen bei den unter 40-Jährigen am geringsten.
Diese Studie spiegelt die gleichen Probleme wider wie so viele ähnliche Ansätze zur Vorhofflimmern-Detektion zuvor. Die Konsequenzen, die sich aus der Diagnose eines Vorhofflimmerns ergeben, sind unter Umständen beträchtlich. Dementsprechend muss die Diagnose absolut sicher sein. Sprich, es muss ein sicherer EKG-Befund vorliegen.
Die Vermutung, dass Vorhofflimmern vorliegen könnte, wirft manchmal mehr Fragen auf, als sie beantwortet - und dies umso mehr in einem „wahllosen“, unter klinischen Gesichtspunkten nicht klar definierten Kollektiv. Mit den heutigen technologischen Möglichkeiten ist es sehr verführerisch. gigantische Mengen an Daten zu generieren, nur müssen wir uns auch der Relevanz dieser Daten und der Konsequenzen, die daraus resultieren, bewusst sein.
Literatur
Results Of A Large-scale, App-based Study To Identify Atrial Fibrillation Using A Smartwatch: The Apple Heart Study. Vorgestellt in der Sitzung “Late-breaking Clinical Trials 1” beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) 2019, 16. – 18. März 2019, New Orleans