Nachrichten 17.05.2021

Plättchenhemmung nach Infarkt: Noch mehr Argumente für Deeskalation

Immer mehr Studien zeigen, dass Deeskalations-Strategien die Plättchenhemmung nach Herzinfarkt sicherer machen. In der TALOS AMI-Studie wurde jetzt erfolgreich von Ticagrelor/ASS auf Clopidogrel/ASS umgestellt.

Beim ACC-Kongress 2021 präsentierte eine südkoreanischen Autorengruppe um Prof. Kijuk Chang vom St. Mary’s Hospital der katholischen Universität Seoul in Südkorea die Ergebnisse der pragmatischen TALOS AMI-Studie. Herzinfarktpatienten, deren Infarktgefäß vollständig wiedereröffnet werden konnte und die innerhalb des ersten Monats danach unter Ticagrelor/ASS keine Komplikationen erlitten hatten, wurden zu diesem Zeitpunkt in eine Ticagrelor/ASS- und eine Clopidogrel/ASS-Gruppe randomisiert und elf Monate weiterbehandelt.

Das Umsetzen erfolgte von einem Tag auf den anderen –  ohne Loading-Dose und ohne Clopidogrel-Resistenztest. Die Hypothese der Autoren lautete, dass im Clopidogrel/ASS-Arm das Blutungsrisiko niedriger liegt bei gleich guter Schutzwirkung vor Thrombosen.

Die 2.697 Studienpatienten waren im Schnitt 60 Jahre alt, nur zu 17% weiblich, Die Verteilung STEMI zu NSTEMI war 55%/45%. Im Schnitt wurden jeweils 1,3 Koronarien behandelt, es wurden Stents der neueren Generation verwendet, die durchschnittliche Stentlänge betrug jeweils knapp 3 cm.

Die Adhärenz zu beiden Regimen sei sehr hoch und nach zehn Monaten bei Clopidogrel/ASS mit 98,4% vs. 97,3% ein wenig besser gewesen, berichtete Chang beim ACC.

Clopidogrel/ASS-Gruppe deutlich sicherer

Beim primären Endpunkt hatten sich die Autoren für den klinischen Nettonutzen entschieden, sprich die Kombination aus thrombotischen (Herzkreislauftod, Infarkt, Schlaganfall) und Blutungskomplikationen (BARC-Blutungen Typ 2, 3, 5). 

Die Deeskalationsstrategie gewann den Vergleich überraschend deutlich mit 4,6% vs. 8,2%, mit einer HR von 0,55 und einer absoluten Differenz von 3,6 (p<0,001 für Überlegenheit).

Bei den Blutungen lautete die Bilanz 3,0% vs. 5,6% zugunsten der Umstellung, bei den thrombotischen Komplikationen 2,1% vs. 3,1% – auch hier zeigten sich in der Clopidogrel-Gruppe numerisch weniger Ereignisse. Subgruppenanalysen ergaben keinen Einfluss von Alter, Geschlecht, Diabetes, Ejektionsfraktion oder eGFR auf die Ergebnisse.

Zwei Limitationen sind nicht von der Hand zu weisen: zum einen das offene Studiendesign, zum zweiten der Umstand, dass alle Patienten aus Südkorea stammten.

Viele Studien deuten in die gleiche Richtung

Dennoch fügten sich die Ergebnisse von TALOS-AMI recht nahtlos in jene von anderen Deeskalationsstudien wie TICO, TWILIGHT-ACS, TROPICAL-ACS, POPular Genetics oder HOST-REDUCE-POLYTECH-ACS, ordnete Chang die aktuellen Ergebnisse ein. Tatsächlich haben sich Deeskalationen sowohl in Südkorea als auch in den USA längst etabliert. Kosten, Sicherheit und Verträglichkeit sind die Gründe dafür.

Literatur

"Joint American College of Cardiology/New England Journal of Medicine Late-Breaking Clinical Trials"; Jahrestagung der American College of Cardiology, 16.05.2021

Neueste Kongressmeldungen

Welcher Faktor determiniert das Herzrisiko unter einer Statintherapie?

Bei Patienten, die bereits Statine zur Lipidsenkung erhalten, sind im CRP-Wert sich widerspiegelnde Entzündungsprozesse ein stärkerer Prädiktor für künftige kardiovaskuläre Ereignisse als das LDL-Cholesterin, zeigt eine umfangreiche Metaanalyse.

Hypertrophe Kardiomyopathie kein Argument gegen Sport

Wer an einer hypertrophen Kardiomyopathie leidet und regelmäßig Sport mit Belastungen über 6 MET betreibt, riskiert damit keine arrhythmischen Komplikationen, so das Ergebnis einer großen prospektiven Studie. Eine Voraussetzung muss jedoch erfüllt sein.

Herzinsuffizienz: Erinnerungstool fördert MRA-Verschreibung

In der BETTER-CARE-HF-Studie wurden zwei Systeme getestet, die Ärzte und Ärztinnen darüber benachrichtigen, welche ihrer Herzinsuffizienzpatienten für eine MRA-Therapie geeignet sind. Eines davon war besonders erfolgreich beim Erhöhen der Verschreibungsrate.

Neueste Kongresse

ACC-Kongress 2023

Der diesjährige Kongress der American College of Cardiology (ACC) fand vom 4.-6. März 2023 in New Orleans statt. In diesem Dossier finden Sie die wichtigsten Studien und Themen vom Kongress.

DGK.Herztage 2022

Vom 29.9.-1.10.2022 finden die DGK.Herztage in Bonn statt.

TCT-Kongress 2022

Hier finden Sie die Highlights der Transcatheter Cardiovascular Therapeutics (TCT) Conference 2022, der weltweit größten Fortbildungsveranstaltung für interventionelle Kardiologie. 

Highlights

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Myokarditis – eine tödliche Gefahr

In der vierten Ausgabe mit Prof. Andreas Zeiher geht es um die Myokarditis. Der Kardiologe spricht über Zusammenhänge mit SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Impfungen und darüber, welche Faktoren über die Prognose entscheiden.

Aktuelles und Neues aus der Kardiologie

Subklinische Atherosklerose steigert Infarkt-Risiko enorm

Selbst wenn Menschen noch keine Beschwerden haben, geht der Nachweis einer subklinischen Atherosklerose in der CT-Angiografie mit einem erhöhten Infarkt-Risiko einher. Dabei spielen nicht nur nachweisbare Stenosen, sondern auch bestimmte Plaquecharakteristika eine Rolle.

Sind renoprotektive Therapien bei Herzinsuffizienz ohne protektiven Nutzen?

Vier bei Herzinsuffizienz empfohlene Wirkstoffklassen haben bei Patienten mit Typ-2-Diabetes renoprotektive Wirkung bewiesen. In Studien bei Herzinsuffizienz ist von günstigen renalen Effekten dieser Wirkstoffe dagegen nicht viel zu sehen. Ein Erklärungsversuch.

Stark erhöhtes Herzrisiko nach Infektionen

Schwere Infektionen erhöhen das kardiovaskuläre Risiko kurzfristig sehr deutlich, legen aktuelle Daten nahe. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil an kardialen Komplikationen könnte demnach auf Infektionen zurückzuführen sein.

Aus der Kardiothek

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Rhythmus-Battle: Vom EKG zur Therapie 2

Nicht immer sind EGK-Befunde eindeutig zu interpretieren, und nicht immer gibt es eine klare Therapieentscheidung. In diesem zweiten Rhythmus-Battle debattieren Prof. Lars Eckardt, Prof. Christian Meyer und PD Dr. Stefan Perings über ungewöhnliche EKG-Fälle aus der Praxis. Wie würden Sie entscheiden?

Kardiovaskuläre und ANS-Manifestationen von Covid-19 und Long-Covid

In der Akutphase und auch im weiteren Verlauf kann eine SARS-CoV-2-Infektion eine Herzbeteiligung verursachen. Prof. Thomas Klingenheben gibt einen Update über den aktuellen Wissenstand solcher Manifestationen, und erläutert, was hinter dem Syndrom „Long-COVID“ steckt.

ACC-Kongress 2023 in New Orleans/© pawel.gaul / Getty Images / iStock
DGK.Herztage 2022/© DGK
TCT-Kongress 2022/© mandritoiu / stock.adobe.com
Kardio-Quiz März 2023/© Stephan Achenbach, Medizinische Klinik 2, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Podcast-Logo/© Springer Medizin Verlag GmbH (M)
Rhythmus-Battle 2023/© Portraits: privat
kardiologie @ home/© BNK | Kardiologie.org