Plättchenhemmung nach Infarkt: Noch mehr Argumente für Deeskalation
Immer mehr Studien zeigen, dass Deeskalations-Strategien die Plättchenhemmung nach Herzinfarkt sicherer machen. In der TALOS AMI-Studie wurde jetzt erfolgreich von Ticagrelor/ASS auf Clopidogrel/ASS umgestellt.
Beim ACC-Kongress 2021 präsentierte eine südkoreanischen Autorengruppe um Prof. Kijuk Chang vom St. Mary’s Hospital der katholischen Universität Seoul in Südkorea die Ergebnisse der pragmatischen TALOS AMI-Studie. Herzinfarktpatienten, deren Infarktgefäß vollständig wiedereröffnet werden konnte und die innerhalb des ersten Monats danach unter Ticagrelor/ASS keine Komplikationen erlitten hatten, wurden zu diesem Zeitpunkt in eine Ticagrelor/ASS- und eine Clopidogrel/ASS-Gruppe randomisiert und elf Monate weiterbehandelt.
Das Umsetzen erfolgte von einem Tag auf den anderen – ohne Loading-Dose und ohne Clopidogrel-Resistenztest. Die Hypothese der Autoren lautete, dass im Clopidogrel/ASS-Arm das Blutungsrisiko niedriger liegt bei gleich guter Schutzwirkung vor Thrombosen.
Die 2.697 Studienpatienten waren im Schnitt 60 Jahre alt, nur zu 17% weiblich, Die Verteilung STEMI zu NSTEMI war 55%/45%. Im Schnitt wurden jeweils 1,3 Koronarien behandelt, es wurden Stents der neueren Generation verwendet, die durchschnittliche Stentlänge betrug jeweils knapp 3 cm.
Die Adhärenz zu beiden Regimen sei sehr hoch und nach zehn Monaten bei Clopidogrel/ASS mit 98,4% vs. 97,3% ein wenig besser gewesen, berichtete Chang beim ACC.
Clopidogrel/ASS-Gruppe deutlich sicherer
Beim primären Endpunkt hatten sich die Autoren für den klinischen Nettonutzen entschieden, sprich die Kombination aus thrombotischen (Herzkreislauftod, Infarkt, Schlaganfall) und Blutungskomplikationen (BARC-Blutungen Typ 2, 3, 5).
Die Deeskalationsstrategie gewann den Vergleich überraschend deutlich mit 4,6% vs. 8,2%, mit einer HR von 0,55 und einer absoluten Differenz von 3,6 (p<0,001 für Überlegenheit).
Bei den Blutungen lautete die Bilanz 3,0% vs. 5,6% zugunsten der Umstellung, bei den thrombotischen Komplikationen 2,1% vs. 3,1% – auch hier zeigten sich in der Clopidogrel-Gruppe numerisch weniger Ereignisse. Subgruppenanalysen ergaben keinen Einfluss von Alter, Geschlecht, Diabetes, Ejektionsfraktion oder eGFR auf die Ergebnisse.
Zwei Limitationen sind nicht von der Hand zu weisen: zum einen das offene Studiendesign, zum zweiten der Umstand, dass alle Patienten aus Südkorea stammten.
Viele Studien deuten in die gleiche Richtung
Dennoch fügten sich die Ergebnisse von TALOS-AMI recht nahtlos in jene von anderen Deeskalationsstudien wie TICO, TWILIGHT-ACS, TROPICAL-ACS, POPular Genetics oder HOST-REDUCE-POLYTECH-ACS, ordnete Chang die aktuellen Ergebnisse ein. Tatsächlich haben sich Deeskalationen sowohl in Südkorea als auch in den USA längst etabliert. Kosten, Sicherheit und Verträglichkeit sind die Gründe dafür.
Literatur
"Joint American College of Cardiology/New England Journal of Medicine Late-Breaking Clinical Trials"; Jahrestagung der American College of Cardiology, 16.05.2021