Vorhofohrverschluss bei Vorhofflimmern: Bei Herz-OPs bald Standard?
Um rund ein Drittel lässt sich die Zahl der Schlaganfälle senken, wenn während einer Herz-OP bei Patienten mit Vorhofflimmern das Vorhofohr mitverschlossen wird – selbst wenn die Patienten antikoaguliert sind. Diese Ergebnisse könnten die Praxis verändern.
Die Left Atrial Appendage Occlusion Study (LAAOS III) könnte die tägliche Praxis in der Herzchirurgie verändern. Die in 105 Zentren in 27 Ländern durchgeführte Studie wollte wissen, ob bei Patienten mit Vorhofflimmern ein routinemäßiger Verschluss des linken Vorhofohrs im Rahmen von Herzoperationen aus anderen Gründen einen Benefit bringt.
Insgesamt nahmen 4.811 Patienten teil, die alle Vorhofflimmern sowie einen CHA2DS2-VASc Score von mindestens 2 Punkten aufweisen mussten – und damit eine Indikation für eine orale Antikoagulation.
Hohe Adhärenz zur Antikoagulation
Die Patienten wurden aus unterschiedlichen Gründen kardial operiert: Ein Fünftel hatte nur eine Bypass-Operation, ein knappes Viertel nur eine Klappenoperation, die meisten beides, wobei der Anteil an Patienten, die nur oder auch einen Herzklappeneingriff hatten, bei zwei Dritteln lag.
„Insgesamt waren das Hochrisikopatienten für einen Schlaganfall, das Kollektiv umfasst auch Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern“, berichtete Prof. Richard Whitlock vom Hamilton General Hospital der McMaster Universität in Ontario beim ACC-Kongress.
Die Randomisierung erfolgte zu linkem Vorhofohrverschluss oder kein Vorhofohrverschluss, wobei die Studie insofern verblindet war, als niemand außer den an der Operation unmittelbar Beteiligten wusste, ob der Patient die Prozedur erhalten hatte oder nicht. Primärer Endpunkt waren ischämische Schlaganfälle oder systemische Embolien. Da die Patienten eine Indikation für eine orale Antikoagulation aufwiesen, wurde entsprechend, wenn möglich, antikoaguliert. Präoperativ hatte rund die Hälfte der Patienten bereits eine orale Antikoagulation. Postoperativ waren 80% der Patienten antikoaguliert, nach drei Jahren waren es noch rund 75 Prozent.
38% weniger Schlaganfälle nach knapp 4 Jahren
Das Ergebnis von LAAOS III, das Whitlock bei der virtuellen ACC 2021 Tagung vorstellte, ist ziemlich eindrucksvoll: Nach einem medianen Follow-up Zeitraum von 3,8 Jahren wurde die Studie vorzeitig abgebrochen, weil der Nutzen des zusätzlich Vorhofohrverschlusses deutlich war. 7% der Patienten in der Kontrollgruppe gegenüber 4,8% der Patienten in der Interventionsgruppe hatten bis zu diesem Zeitpunkt einen ischämischen Schlaganfall oder eine systemische Embolie erlitten, eine relative Risikoreduktion von 33% (p=0,001).
Dabei fielen die systemischen Embolien kaum ins Gewicht, es handelte sich weit überwiegend um Schlaganfälle. Allein ausgewertet betrug die Risikoreduktion hier 38%. Whitlock betonte, dass diese Risikoreduktion zusätzlich zur oralen Antikoagulation erzielt worden sei. Detailanalysen bei Patienten mit und ohne hoher Adhärenz zur Antikoagulation stünden noch aus. Aber es sehe bisher so aus, als ob beide Patientengruppen in ähnlichem Umfang profitierten – was dann natürlich die Frage stellt, inwiefern eine Antikoagulation überhaupt noch nötig ist, aber diese Frage kann LAAOS III nicht beantworten.
Klasse I-Empfehlung in den Leitlinien?
Whitlock wies in seiner Präsentation auf den geradezu mustergültigen Verlauf der Kaplan-Meier-Kurven hin, die nach wenigen Tagen auseinander gehen und bis zum Schluss immer stärker divergieren. Bereits in den ersten 30 Tagen würden Schlaganfälle verhindert, allerdings geht die Signifikanz wesentlich auf den längerfristigen Zeitraum zurück. Keinen Unterschied gab es bei der Sterblichkeit, die in beiden Gruppen rund 22,5% betrug. Ebenfalls keinen signifikanten Unterschied gab es – mit 7,7% vs. 6,8% – bei den herzinsuffizienzbedingten Krankenhauseinweisungen. Dies sei deswegen ein wichtiger Endpunkt, weil es im Zusammenhang mit dem Vorhofohrverschluss die These gebe, dass eine Herzinsuffizienz verschlechtert werden könnte, da im Vorhof das Hormon ANP gebildet werde, so Whitlock.
Bei der ACC-Tagung wurde die LAAOS III-Studie durchweg positiv kommentiert und mehrfach als „praxisverändernd“ bezeichnet, zumal der zusätzlich Verschluss des Vorhofohrs die Dauer herzchirurgischer Eingriffe nur minimal verlängere. Prof. Michael Mack, Herzchirurg bei Baylor Scott & White Health in Plano, Texas, schätzte, dass rund 10% der kardiochirurgischen Patienten die Einschlusskriterien der LAAOS III-Studie erfüllen. Prof. Richard Page von der University of Vermont, Burlington, schreibt in seinem die Publikation im New England Journal begleitenden Editorial, dass er von einer Klasse I-Leitlinienempfehlung ausgehe.
Literatur
"Joint American College of Cardiology/Journal of the American College of Cardiology Late-Breaking Clinical Trials", Jahrestagung der American College of Cardiology, 15.05.2021
Whitlock RP et al. Left Atrial Appendage Occlusion during Cardiac Surgery to Prevent Stroke. N Engl J med 2021; DOI:10.1056/NEJMoa2101897
Page RL. The Closing Argument for Surgical Left Atrial Appendage Occlusion. N Engl J Med 2021; DOI: 10.1056/NEJMe2106069