Nachrichten 20.05.2021

Herzinsuffizienz: Durchbruch mit SGLT2-Hemmer in der Therapie bei HFpEF?

Der SGLT2-Hemmer Sotagliflozin reduziert kardiovaskuläre Todesfälle und Herzinsuffizienz-Ereignisse bei Patienten mit Herzinsuffizienz signifikant und unabhängig von der linksventrikulären Auswurffraktion. Auch Patienten mit erhaltener Auswurffraktion profitieren, belegen neue Studiendaten.

Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF) ist therapeutisch nach wie vor die „harte Nuss“ unter den Herzinsuffizienz-Formen. Die in vielen randomisierten Studien vorangetriebene Suche nach einer Therapie, mit der sich bei Herzinsuffizienz des HFpEF-Subtyps Mortalität und Morbidität substanziell verringern lassen, verlief bislang sehr enttäuschend.

Doch jetzt gibt es Hoffnung auf einen therapeutischen Durchbruch. Beflügelt wird sie nicht zuletzt durch Ergebnisse einer Analyse von Daten aus zwei Sotagliflozin-Studien bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die Studienleiter Prof. Deepak L. Bhatt vom Brigham and Women’s Hospital Heart & Vascular Center beim virtuellen ACC-Kongress vorgestellt hat. Sotagliflozin ist ein SGLT2-Hemmer, der zusätzlich den gastrointestinalen Natrium-Glukose-Transporter SGLT1 hemmt.

„Eindrucksvoller Nutzen“

„Die Therapie mit Sotagliflozin reduzierte kardiovaskuläre Ereignisse im gesamten Spektrum von Patienten mit Herzinsuffizienz robust und signifikant, einschließlich Patienten mit HFpEF“, so Bhatt: „Der Nutzen für Patienten mit HFpEF ist eindrucksvoll; dies ist die erste Studie, die einen signifikanten Benefit für diese Population nachgewiesen hat“.

Bhatt und sein Team haben für ihre neue Analyse gepoolte Patientendaten (n=11.784) aus der SCORED- und SOLOIST-WHF-Studie zur kardiovaskulären Wirksamkeit des SGLT2-Hemmers Sotagliflozin ausgewertet. Beide Studien waren von Bhatt beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) im November 2020 vorgestellt worden, sie wurden simultan im „New England Journal of Medicine“ publiziert.

  • In der kleineren SOLOIST-WHF-Studie wurde mit Sotagliflozin bei zuvor wegen dekompensierter Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten (n=1.222) das Risiko für den primären Studienendpunkt – eine Kombination der Ereignisse kardiovaskulärer Tod sowie Klinikeinweisungen oder notfallmäßige medizinische Hilfeleistungen wegen Herzinsuffizienz-Problemen (urgent visits) – im Vergleich zu Placebo relativ um 33% reduziert (p=0,0009).
  • In der wesentlich größeren SCORED-Studie (n=10.584) führte Sotagliflozin im Hinblick auf den gleichen kombinierten Studienendpunkt zu einer ebenfalls signifikanten relativen Risikoreduktion um 26% (p=0,0004) – diesmal bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ-2-Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen mit und ohne Albuminurie.

Auf Basis der gepoolten Daten hat die Gruppe um Bhatt jetzt die Wirksamkeit von Sotagliflozin bezüglich des primären Endpunktes über die gesamte Bandbreite der bei 11.784 Teilnehmern zu Beginn gemessenen linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) analysiert – sowohl im Gesamtkollektiv als auch in der Subgruppe der 4.500 Teilnehmer mit Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte. Differenziert wurde dabei zwischen Patienten, deren LVEF in den Bereichen <40%, zwischen 40% und 50% sowie ≥50% lagen.

Signifikante Risikoreduktion über das gesamte LVEF-Spektrum

Für das Gesamtkollektiv der Patienten aus beiden Studien ergab sich hinsichtlich des primären Endpunktes eine signifikante relative Risikoreduktion um 28% im Vergleich zu Placebo (Hazard Ratio [HR]: 0,72, 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,63-0,82), P=0,000002).

In der Gesamtanalyse der gepoolten Daten aller knapp 11.800 Teilnehmer war die Therapie mit Sotagliflozin im Vergleich zu Placebo

  • bei Patienten mit LVEF <40% (n=1758) mit einer Risikoreduktion um 22% (p=0,02),
  • bei Patienten mit LVEF 40% - 50% (n=1357) mit einer Risikoreduktion um 39% (p=0,003) und
  • bei Patienten mit LVEF ≥50% (n=8669) mit einer Risikoreduktion um 30% (p=0,008) assoziiert.

Ein ähnliches Bild bot sich in der Gruppe der 4.500 Studienteilnehmer mit Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte. Hier war die Sotagliflozin-Therapie

  • bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erniedrigter EF (HFrEF, LVEF <40%, n=1758) mit einer Risikoreduktion um 22% (p=0,02),
  • bei Patienten mit Herzinsuffizienz und „mid range“ EF (HFmrEF, LVEF 40% - 50%, n=811) mit einer Risikoreduktion um 43% (p=0,002) und
  • bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener EF (HFpEF, LVEF ≥50%, n=1931) mit einer Risikoreduktion um 33% (p=0,006) assoziiert.

Sowohl bei Männern als auch bei Frauen waren die Ergebnisse konsistent, berichtete Bhatt. Die Unterschiede zugunsten von Sotagliflozin bezüglich der kardiovaskulären Mortalität waren in den Intention-to-Treat (ITT)-Analysen nicht signifikant – möglicherweise aufgrund einer zu geringen statistischen Power infolge der relativ kurzen Follow-up-Dauer der beiden vorzeitig gestoppten Studien. „On-Treatment“-Analysen ergaben dagegen sowohl im Gesamtkollektiv als auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz jeweils signifikante Reduktionen dieses Endpunktes durch Sotagliflozin.

In Kürze weitere Erkenntnisse durch EMPEROR-Preserved

Zu berücksichtigen ist, dass die Ergebnisse der präsentierten Analyse repräsentativ nur für Patienten mit zusätzlich bestehendem Typ-2-Diabetes sind. Die Frage, ob die Wirkungen von SGLT2-Hemmern auch bei Herzinsuffizienz-Patienten mit HFpEF, bei denen kein Diabetes besteht, ähnlich positiv sind, wird sich möglicherweise schon bald beantworten lassen.

Mitte 2021 werden beim ESC-Kongress voraussichtlich die Ergebnisse der EMPEROR-Preserved-Studie mit Empagliflozin vorgestellt. Daran nehmen knapp 6.000 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und einer LVEF >40% teil, von denen die Hälfte einen Typ-2-Diabetes aufweist, die andere Hälfte jedoch nicht.

Literatur

Bhatt D.: Benefits Of Sodium Glucose Co-transporter-1/2 Inhibition With Sotagliflozin Across The Full Spectrum Of Ejection Fraction, Including Heart Failure With Preserved Ejection Fraction. Vorgestellt am 17. Mai in der Sitzung “Late-Breaking Clinical Trials IV” beim virtuellen ACC-Kongress (ACC 2021), 15. – 17. Mai 2021.

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