Nachrichten 26.05.2021

Herzinsuffizienz: Wann neuer Myosin-Aktivator besonders gut wirkt

Ein neuer Wirkstoff gegen die Herzinsuffizienz, Omecamtiv Mecarbil, hat im letzten Jahr seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Nun legt eine Subgruppenanalyse nahe, bei welchen Patienten der Myosin-Aktivator den größten Nutzen verspricht.

Von dem kardialen Myosin-Aktivator Omecamtiv Mecarbil profitieren offenbar vor allem Herzinsuffizienz-Patienten mit einer stark einschränkten Pumpfunktion. Angedeutet hatte sich dies bereits durch die Primärergebnisse der großen GALACTIC-HF-Studie. Jetzt wurde diese Annahme durch eine nachgeschobene Subgruppenanalyse bestätigt.

Besondere Wirkweise von Omecamtiv Mecarbil

In der 2020 publizierten GALACTIC-HF-Studie hatte der neue Wirkstoff erstmals seine klinische Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Unter der knapp dreijährigen Behandlung reduzierte sich das relative Risiko für erste Herzinsuffizienz-Komplikationen und kardiovaskuläre Todesfälle (primärer Endpunkt) um 8% signifikant. Auf die kardiovaskuläre Mortalität (sekundärer Endpunkt) hatte die Therapie allerdings keinen signifikanten Einfluss.

„Zum ersten Mal bestätigten die Ergebnisse die Hypothese, dass durch eine selektive Steigerung der kardialen Funktion, wie durch Omecamtiv Mecarbil, die klinische Prognose von Patienten mit einer HFrEF verbessert werden kann“, erinnerte der Studienleiter Prof. John Teerlink beim diesjährigen ACC-Kongress an die Primärergebnisse der Studie.

Das Besondere an Omecamtiv Mecarbil ist sein Wirkmechanismus. Im Gegensatz zu den bereits verfügbaren Herzinsuffizienz-Medikamenten wirkt die Substanz myotrop, sie aktiviert also spezifisch den Herzmuskel. Das gelingt ihr durch Bindung des kardialen Myosins, wodurch die myokardiale Kontraktilität verbessert wird.

Therapieeffekt steigt mit sinkender EF

In der nun beim ACC-Kongress vorgestellten und zeitgleich publizierten Sekundäranalyse der GALACTIC-HF-Studie deutet sich an, dass das Medikament umso besser wirkt, je niedriger die Ejektionsfraktion (EF) der Patienten ist. Für die Analyse wurden die insgesamt 8.256 Studienteilnehmer von GALACTIC-HF anhand ihrer EF in unterschiedliche Quartile – ≥ 33%, 29–32%, 23–28%, ≤ 22% – eingeteilt, und in diesen Gruppen die Wirkung der jeweiligen Behandlung, Omecamtiv Mecarbil versus Placebo, verglichen.

Die Therapie mit dem Myosin-Aktivator reduzierte das relative und absolute Risiko für den primären Endpunkt bei den Patienten mit einer EF ≤ 22% deutlich stärker als bei denen mit einer EF ≥ 33%. Die Hazard Ratio lagen bei entsprechend 0,83 versus 0,99 (p=0,013). Schon im Bereich einer EF zwischen 23% bis 28% begann der Nutzen des Medikamentes deutlich zuzunehmen (HR: 0,85).

“Number Needed to Treat” von 12 bei EF ≤ 22%

Absolut betrachtet reduzierte die Therapie das Risiko in der niedrigsten EF-Gruppe um 7,4 Ereignisse pro 100 Patientenjahre.

Oder anders ausgedrückt: Etwa zwölf Patienten mit einer EF ≤ 22% müssten über drei Jahre lang mit dem Medikament behandelt werden, um eine Herzinsuffizienz-Hospitalisierung zu verhindern. In der Gruppe mit EF ≥ 33% war keine absolute Risikoreduktion nachweisbar.

Teerlink setzt den „Cut off“ für einen zu erwartbaren Benefit deshalb bei einer EF von 30%. „Ich bin zuversichtlich, dass für Patienten mit einer EF von 30 Prozent oder niedriger, die über 70 Prozent der GALACTIC-Population repräsentieren, ein beträchtlicher Benefit erreicht wird, unabhängig von ihren NT-proBNP-Werten“, sagte der Kardiologe von der University of California in San Francisco beim ACC. Nach Ansicht von Teerlink hat Omecamtiv Mecarbil damit sein Versprechen gehalten, die klinische Prognose von Patienten mit einer stark einschränkten EF reduzieren zu können. „Patienten, die für uns am schwierigsten zu behandeln sind“, verdeutlichte er die Bedeutung des neuen Wirkstoffes.  

Eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit konnte der neue Wirkstoff allerdings selbst bei den Patienten mit der niedrigsten EF nicht bewirken.

Als positiv vermerkte Teerlink, dass es unter der Behandlung zu keinen unerwünschten Effekten auf den Blutdruck, die Herzfrequenz, Kaliumspiegel und Nierenfunktion gekommen ist, selbst bei den Patienten in der niedrigsten EF-Quartile nicht.

Doch braucht‘s das Medikament überhaupt noch?

Angesichts der in den letzten Jahren neu dazugekommen Herzinsuffizienz-Medikamente wie Sacubitril/Valsartan und den SGLT2-Inhibitoren stellte sich Prof. Ryan Tedford in der anschließenden Diskussion die Frage, wie sich diese auf den Therapieeffekt von Omecamtiv Mecarbil auswirken könnten. Zumal diese in der GALATIC-HF-Studie relativ selten zum Einsatz gekommen seien, bemerkte der an der Medical University of South Carolina tätige Kardiologe. „Die kurze Antwort ist: Es gibt keinen wirklichen Hinweis, dass der Behandlungseffekt dadurch merklich beeinflusst wird“, erwiderte Teerlink darauf. Da die Substanzen in ihrem mechanistischen Wirkmechanismus keine Überlappungen hätten, führte der Kardiologe seine Argumentation aus.

Teerlink glaubt deshalb auch nicht, dass der Myosin-Aktivator mit den neueren Herzinsuffizienz-Medikamenten in Konkurrenz steht: „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass Omecamtiv Mecarbil diese Therapien ersetzen kann“. Vielmehr sieht der Studienleiter das neue Medikament als Ergänzung zu den bestehenden Therapiemöglichkeiten.  

Personalisierte Therapiewahl

In einem zur Studie begleitenden Editorial plädiert Prof. João Pedro Ferreira aus Nizza für eine personalisierte Herangehensweise. Empfehlenswert ist Omecamtiv Mecarbil seiner Ansicht nach bei Patienten mit einer EF ˂ 25%. Wie Ferreira ausführt, hat sich in der Primäranalyse von GALACTIC darüber hinaus der Vorhofrhythmus als mögliches Kriterium zur Therapiestratifizierung herausgestellt. Denn demnach scheinen vor allem Patienten im Sinusrhythmus zu profitieren. „Ob der Vorhofrhythmus Teil des Entscheidungsalgorithmus sein sollte, sollte in weiteren Studien untersucht werden“, erörterte Ferreira die seiner Ansicht nach notwendigen Schritte.

Wie es mit der Entwicklung von Omecamtiv Mecarbil weitergehen wird, ist derzeit noch etwas ungewiss. Kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse von GALACTIC-HF hatte der Projektpartner Amgen seinen Rückzug aus der Entwicklung erklärt. GALACTIC-HF genüge der Messlatte nicht, die man an das Programm angelegt habe, lautete die damalige Begründung des Unternehmens (wir berichteten). Offiziell sollte die Allianz Mitte Mai 2021 beendet worden sein. Der Hersteller Cytokinetics kündigt derweil in einer Pressemitteilung an, den Zulassungsantrag für das Medikament bei der FDA in der zweiten Jahreshälfte anzustreben.

Literatur

Teerlink J. "Late-Breaking Clinical Trials IV"; ACC-Jahrestagung, 17. Mai 2021

Teerlink J et al. Effect of Ejection Fraction on Clinical Outcomes in Patients treated with Omecamtiv Mecarbil in GALACTIC-HF; J Am Coll Cardiol. 2021. DOI: 10.1016/j.jacc.2021.04.065

Ferreira JP. Omecamtiv Mecarbil: a Personalized Treatment for Patients with Severely Impaired Ejection Fraction. J Am Coll Cardiol. 2021. DOI: 10.1016/j.jacc.2021.04.077

Pressemitteilung von Cytokinetics: Analysis Shows Treatment Effect of Omecamtiv Mecarbil Increased Progressively as Baseline Ejection Fraction Decreased, veröffentlicht am 17. Mai 2021

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