Milde Hypertonie in der Schwangerschaft: Behandeln oder nicht?
Bisher ist unklar, ob schwangere Frauen mit mildem Hypertonus von einer antihypertensiven Therapie profitieren. Es gibt kaum bis gar keine Evidenz, und deshalb keinen Konsens. Jetzt wurde beim ACC eine Studie vorgestellt, deren Ergebnisse die Praxis verändern könnten.
Schwangere Frauen profitieren schon im Falle eines milden Hypertonus (ab 140/90 mmHg) von einer antihypertensiven Behandlung. In der offenen randomisierten Multicenterstudie CHAP hat eine bei solchen Werten initiierte Bluthochdrucktherapie die Häufigkeit von Schwangerschaftskomplikationen deutlich reduzieren können, ohne die Entwicklung eines niedrigen Geburtsgewichtes zu begünstigen.
„Nach vielen Jahrzehnten der Unsicherheit unterstützen die Ergebnisse dieser Studie die Notwendigkeit, in der Schwangerschaft sowohl eine schwere wie auch milde chronische Hypertonie zu behandeln“, wird Studienautor Prof. Alan Tita, University of Alabama, der die Ergebnisse beim diesjährigen ACC-Kongress vorstellte, in einer Pressemitteilung zitiert. Parallel zum Kongress sind die Daten im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden.
Unterteilung in milde und schwere Hypertonie
Bisher war die Evidenz zur Behandlung von Schwangeren mit Bluthochdruck dürftig, das gilt erst recht für Patientinnen mit einer sog. milden Hypertonie. Im Gegensatz zur mehrgradigen Bluthochdruck-Stadieneinteilung bei nicht schwangeren Patienten wird in der Schwangerschaft im Allgemeinen nur zwischen einer schweren Hypertonie (≥ 160/110 mmHg) und einer milden Hypertonie (140–159/90–109 mmHg) unterschieden.
Bei Frauen mit mildem Bluthochdruck konnte eine Antihypertensiva-Gabe in früheren Studien zwar das Risiko für die Entwicklung einer schweren Hypertonie senken. Auf maternale, fetale oder neonatale Outcomes hatte die Behandlung jedoch keinen wesentlichen Effekt. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass eine Bluthochdrucktherapie in der Schwangerschaft das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht des Kindes erhöhen könnte. Das seien insgesamt aber nur wenige Studien gewesen, machte Tita beim ACC-Kongress deutlich, die dazu noch underpowered waren und Limitationen aufwiesen.
Bisher existiert kein Konsens bei milder Hypertonie
Entsprechend kontrovers äußern sich die internationalen Fachgesellschaften zum Management von schwangeren Frauen mit mildem Hypertonus. In den 2018 veröffentlichten ESC-Leitlinien zum „Management von kardiovaskulären Erkrankungen während der Schwangerschaft“ wird eine Bluthochdrucktherapie ab Werten von 150/95 mmHg empfohlen, eine Klasse I C-Empfehlung. Bei Werten darunter – also zwischen 140/90 und 150/95 mmHg – wird nur bei Frauen mit einer Gestationshypertonie (mit oder ohne Proteinurie), einer vorbestehenden Hypertonie oder bei subklinischen Organschäden bzw. Beschwerden zu einer solchen Behandlung geraten (Klasse I C).
Die „American College of Obstetricians and Gynecologists” (ACOG) wiederum empfiehlt die Initiierung einer anithypertensiven Therapie in der Schwangerschaft erst ab einem Blutdruck von ≥ 160/110 mmHg.
CHAP-Studie mit über 2.000 schwangeren Frauen
Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse der CHAP-Studie könnten zu einer einheitlicheren Linie der internationalen Empfehlungen beitragen.
Aus über 70 Zentren in den USA wurden 2.408 Frauen mit einer Einlingsschwangerschaft, die an einer chronischen milden Hypertonie (≥ 140/90 aber ˂ 160/110 mmHg) litten, vor der 23. Schwangerschaftswoche randomisiert: Die eine Hälfte wurde mit schwangerschaftskonformen Antihypertensiva (Labetalol, Nifedipin als Retardtablette oder alternativ Methyldopa, Amlodipin) behandelt, mit dem Ziel, den Blutdruck unter 140/90 mmHg zu senken. Die andere Hälfte der Patientinnen erhielt keine solche Therapie, solange ihr Blutdruck ˂ 160/105 mmHg blieb (Kontrollgruppe).
Aktive Behandlung reduzierte Schwangerschaftskomplikationen
Bei den aktiv behandelten Patientinnen traten deutlich weniger Ereignisse des primären Endpunktes (Präeklampsie mit schwerwiegenden Charakteristika bis 2 Wochen nach Geburt, medikamentös induzierte Frühgeburt vor der 35. Schwangerschaftswoche, Plazentaablösung, Tod des Fetus/Neugeborenen) auf als in der Kontrollgruppe (30,2% vs. 37,0%). Das relative Risiko für solche Schwangerschaftskomplikationen reduzierte sich durch die Bluthochdrucktherapie um signifikante 18% (adjustierte Risk Ratio, RR: 0,82; p˂ 0,001). Die Studienautoren schätzen, dass 14 bis 15 Patientinnen behandelt werden müssten, um ein Ereignis des primären Endpunktes zu verhindern („Number Needed to Treat: 14,7).
Sekundäre Endpunkte wie schwere kardiovaskuläre Komplikationen bei der Mutter oder schwerwiegende Komplikationen bei dem Neugeborenen kamen in der aktiven Behandlungsgruppe tendenziell seltener vor, der Unterschied war aber nicht statistisch signifikant (2,1% vs. 2,8% [RR: 0,75] bzw. 2,0% vs. 2,6% [RR: 0,77]).
Auf den Sicherheitsendpunkt – definiert als niedriges Geburtsgewicht unterhalb der 10. Perzentile – hatte die Hypertonietherapie keinen signifikanten Einfluss (11,2% vs. 10,4%; adjustierte RR: 1,04; p=0,76).
„Die Ergebnisse werden Praxis verändern“
Tita zufolge hat eine antihypertensive Behandlung von Schwangeren mit chronischem Bluthochdruck damit Vorteile gebracht (Reduktion von Schwangerschaftskomplikationen), ohne Schaden zu verursachen (kein stark reduziertes Geburtsgewicht, keine negativen Folgen für die Mutter und das Neugeborene).
„Die CHAP-Studie unterstützt die Behandlung einer chronischen Hypertonie in der Schwangerschaft auf Werte unter 140/90 mmHg“, machte der Experte die Implikationen für die Praxis beim Kongress deutlich. Die Ergebnisse sprechen seiner Ansicht nach auch dafür, eine antihypertensive Therapie, die vor der Schwangerschaft begonnen wurde, in der Schwangerschaft fortzusetzen. Prof. Athena Poppas ist ebenfalls überzeugt von der Relevanz der aktuellen Ergebnisse. „Sie werden die Praxis verändern“, betonte die in Rhode Island tätige Kardiologin in der anschließenden Diskussion.
Literatur
Tita A: Antihypertensive Therapy For Mild Chronic Hypertension Improves Pregnancy Outcomes: A Pragmatic Multicenter RCT, Late-Breaking Clinical Trials I, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 2. April in Washington
Tita A et al. Treatment for Mild Chronic Hypertension
during Pregnancy; New Engl J of Med 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2201295