Grippeimpfung bietet bei Herzinsuffizienz saisonalen Herzschutz
Patienten nach einem Herzinfarkt profitieren auch aus kardiovaskulärer Sicht von einer Influenzaimpfung – dafür gibt es bereits Evidenz. Doch gilt das auch für Patienten mit einer Herzinsuffizienz? Eine randomisierte Studie spricht zumindest für einen saisonalen Effekt.
Eine Grippeschutzimpfung bietet Herzinsuffizienzpatienten zumindest während der Grippesaison auch einen gewissen Herzschutz. So jedenfalls lassen sich die Ergebnisse der jetzt beim ACC-Kongress präsentierten randomisierten IVVE-Studie interpretieren. Trotz des sichtbaren klinischen Effekts der Impfung gehört aber auch zur Wahrheit, dass der primäre Endpunkt der Studie nicht erreicht worden ist.
„Grippeimpfung bringt substanziellen Nutzen für Herzinsuffizienzpatienten“
„Obwohl unsere präspezifizierten Endpunkte nicht signifikant waren, deuten unsere Daten an, dass des einen klinischen Benefit (durch die Grippeimpfung) gibt, angesichts der klaren Reduktion an Pneumonien, einer moderaten Reduktion an Hospitalisierungen und der Reduktion an vaskulären Ereignissen und Todesfällen während der Influenza-Saison“, fasste Studienautor Dr. Mark Loeb von der McMaster University in Ontario in einer ACC-Pressemitteilung die Quintessenz der Studie zusammen. „Wenn man die Ergebnisse im Kontext mit früheren Studien und Beobachtungsstudien betrachtet, zeigt dieses Kollektiv an Daten, dass es Menschen mit einer Herzinsuffizienz einen substanziellen Nutzen bringt, wenn sie sich gegen Influenza impfen lassen“, führte der Infektiologe die praktischen Implikationen aus.
Bisherige Evidenz deutet auf Herzschutz hin
Aus der von Loeb erwähnten bisherigen Studienevidenz geht ziemlich klar hervor, dass eine Influenzainfektion das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und das Sterberisiko erhöht. In Beobachtungsstudien wiederum ging eine Grippeschutzimpfung mit einer geringeren Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen und einer geringeren Sterblichkeit einher. Die im letzten Jahr publizierte randomisierte IAMI-Studie lieferte dann die erste umfassende Evidenz für einen direkten Herzschutz durch die Impfung. Denn in dieser Studie hatte eine bei Postinfarktpatienten unmittelbar im Krankenhaus vorgenommene Grippeimpfung das Risiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduzieren können.
Über 5.000 Herzinsuffizienzpatienten wurden randomisiert
Die IVVE-Studie sollte nun den Nachweis erbringen, dass eine Influenzaimpfung auch Patienten mit einer Herzinsuffizienz vor weiteren kardiovaskulären Komplikationen bewahren kann. Insgesamt 5.129 Probanden mit einer NYHA-Klasse II–IV wurden rekrutiert, und zwar in Ländern, wo eine Grippeschutzimpfung bei Herzinsuffizienzpatienten noch kein Standard ist (Afrika, Mittlerer Osten, Asien). Voraussetzung für den Studieneinschluss war, dass sich die Patienten in den letzten zwei bis drei Jahren nicht gegen Influenza haben impfen lassen.
Über drei Jahre hinweg erhielten die Probanden randomisiert entweder jährlich eine Grippeschutzimpfung (tetravalenter oder quadrivalenter Totimpfstoff) oder stattdessen eine Placebo-Injektion. Primärer Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulären Todesfällen sowie nicht-tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen. Im Mittel wurden die Patienten über 2,9 Jahre hinweg nachverfolgt.
Primärer Endpunkt wurde allerdings verfehlt
Wie bereits erwähnt, gab es beim primären Endpunkt keinen Unterschied zwischen beiden Gruppe: 14,8% der Patienten aus der Impf-Gruppe und 16,0% aus der Placebogruppe waren von einem solchen Ereignis betroffen (Hazard Ratio, HR: 0,93; p=0,30). Auch auf den koprimären Endpunkt, in dem zusätzlich zu den genannten Ereignissen noch Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz einflossen, hatte die Vakzin-Gabe keinen signifikanten Einfluss (20,3% vs. 22,1%; p=0,13).
Einen eindeutig signifikanten Effekt hatte die Impfung dagegen bei den sekundären Endpunkten „Pneumonien“ und „jegliche Klinikeinweisungen“. So reduzierte die Vakzin-Gabe das relative Risiko für eine Lungenentzündung um 42% (HR: 0,58; p=0,0006), das Risiko für Hospitalisierungen fiel bei den geimpften Patienten um 16% geringer aus (HR: 0,84; p=0,01).
Effekt während der Grippesaisonen sichtbar
Eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes erreichte die Impfung zudem in einer Sekundäranalyse, in der nur die Zeiträume berücksichtigt wurden, in denen Influenzainfektionen stark verbreitet waren. Geimpfte Herzinsuffizienzpatienten hatten während solcher „Grippewellen“ ein um 18% geringeres relatives Risiko für entsprechende kardiovaskuläre Ereignisse als nicht geimpfte Patienten (HR: 0,82). Auch das Risiko für den koprimären Endpunkt war während der Grippesaisonen für die geimpften Patienten geringer (HR: 0,88).
Diese Ergebnisse lassen sich Loeb zufolge wahrscheinlich auch auf westliche Staaten übertragen, auch wenn die Studie in Ländern vorgenommen worden sei, in denen die Grippeimpfung entweder nicht zur Verfügung stehe oder nicht routinemäßig appliziert werde.
In vielen Industrieländern wie auch Deutschland wird eine Influenzaimpfung für Patienten mit chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit Langem empfohlen. Konsequent umgesetzt wird diese Empfehlung allerdings nicht überall. So lag in Deutschland die Impfquote in der Saison 2019/2020 bei chronisch kranken Personen nach Angaben des Robert-Koch-Institutes gerade mal bei 32,3%.
Literatur
Loeb M: A Randomized Controlled Trial of Influenza Vaccine to Prevent Adverse Vascular Events (IVVE). Late-Breaking Clinical Trials III, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 3. April in Washington
RKI: Wie viele Menschen lassen sich gegen die saisonale Influenza impfen?, veröffentlicht am 10.09.2021