Spezifisches Medikament für obstruktive HCM kann Operationen vermeidbar machen
Viele Patienten mit obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie (oHCM) benötigen trotz maximal tolerierbarer medikamentöser Therapie eine invasive Intervention. Das könnte sich bald ändern. Denn das erste spezifische Medikament hat in einer Studie die Notwendigkeit solcher Eingriffe deutlich reduzieren können.
Der Myosin-Modulator Mavacamten kann Patienten mit oHCM einen invasiven Eingriff ersparen oder eine solche Prozedur zumindest aufschieben. In der randomisierten placebokontrollierten Phase 3-Studie VALOR-HCM hat die Gabe dieser Substanz die Notwendigkeit von sog. septalen Reduktionstherapien deutlich reduziert.
„Das ist wirklich die erste Pharmakotherapie, die Menschen mit obstruktiver HCM, die kurz davorstehen, eine Prozedur zu benötigen, eine brauchbare medikamentöse Option bietet“, wird Studienautor Prof. Milind Y. Desai von der Cleveland Clinic, der die Ergebnisse bei der ACC-Tagung präsentierte, in einer Pressemitteilung zitiert.
Septale Reduktionstherapie aktuell oft die einzige Option
Bisher waren pharmakologische Therapiemöglichkeiten für Patienten mit einer hypertrophen Kardiomyopathie – der häufigsten vererbbaren Herzerkrankung – ziemlich begrenzt. Die bisher verfügbaren Medikamente, z.B. Betablocker oder Kalziumkanalblocker, greifen nicht an dem zugrunde liegenden Pathomechanismus der Erkrankung an. Und oft reichen sie selbst bei maximal tolerierbaren Dosen nicht aus, um die Beschwerden zu lindern. Ist das der Fall, wird in der Regel eine septale Reduktionstherapie vorgenommen. Bei einem solchen Eingriff wird entweder durch eine perkutane Alkoholseptumablation oder durch eine chirurgische Myektomie eine Erweiterung des linksventrikulären Ausflusstraktes erzeugt, wodurch die bei der oHCM vorhandene Obstruktion minimiert wird. Wie Desai beim Kongress erläuterte, benötigt es dafür aber eine spezialisierte Versorgung, die in der Breite oft nicht verfügbar sei. Es gebe deshalb einen Bedarf an nicht invasiven Alternativen, um hochsymptomatische oHCM-Patienten behandeln zu können, machte der HCM-Spezialist deutlich.
Mavacamten als nicht invasive Alternative
Eine solche Alternative ist mit Mavacamten offenbar gefunden worden. Indem sie die bei der oHCM exzessiv vorhandenen Myosin-Aktin-Querbrückenverbindungen unterbindet, greift die Substanz gezielt in den Krankheitsmechanismus ein. Mavacamten ist damit das erste spezifisch für die HCM entwickelte Medikament. Ihre Wirksamkeit hat die Substanz in der 2020 publizierten EXPLORER-HCM-Studie unter Beweis gestellt. Mavacamten hat funktionelle Komponenten der Erkrankung und die Beschwerden der Patienten deutlich verbessern können.
Die VALOR-HCM-Studie sollte nun den Nachweis liefern, dass Mavacamten auch die Notwendigkeit septaler Reduktionstherapien reduzieren kann. Insgesamt 112 oHCM-Patientinnen und -Patienten, die laut Leitlinien für eine septale Reduktionstherapie vorgesehen waren, wurden für die Studie rekrutiert. Die Patienten wiesen eine maximale septale Wanddicke von ≥15 mm oder ≥13 mm bei positive Familienanamnese auf, waren hochsymptomatisch (92,9% hatten eine NYHA-Klasse ≥ 3) und wurden bereits mit einer maximal tolerierbaren medikamentösen Standardtherapie (Disopyramid und/oder Kombi aus Betablocker und Kalziumkanalblocker) behandelt, ihr LVOT-Gradient lag bei ≥ 50 mmHg.
16-wöchige Therapie mit Mavacamten vs. Placebo
Randomisiert erhielten die Probanden entweder 16 Wochen lang Mavacamten oral in einer Dosierung zwischen 2,5 mg bis 15 mg oder stattdessen Placebo. In der 4., 8. und 12. Woche wurden Echo-Kontrollen vorgenommen. Zu jeder Zeit konnten sich die Patienten entschließen, eine septale Reduktionstherapie vornehmen zu lassen. Nach den 16 Wochen wurde den Patienten aus der Placebo-Gruppe zudem die Wahl gelassen, auf eine Behandlung mit Mavacamten umzusteigen.
In beiden Gruppen entschied sich nach dieser Zeit kaum jemand mehr für eine invasive Intervention, jeweils nur zwei Patienten (3,6%). Nahezu alle Studienpatienten wollten im Anschluss auf die medikamentöse Behandlung wechseln bzw. oder diese weiterführen. Zudem war in der Mavacamten-Gruppe bei den meisten Patienten – bei 85,7% – nach den Leitlinienkriterien (LVOT-Gradient ≥ 50 mmHg und NYHA-Klasse III–IV) keine septale Reduktionstherapie mehr vonnöten. Im Gegensatz dazu waren in der Placebogruppe bei den meisten Patienten die Kriterien für einen solchen Eingriff weiterhin gegeben (bei 69,6%).
Sehr deutliche Reduktion des primären Endpunktes
Damit hat Mavacamten den primären Endpunkt der Studie – die Kombination aus der Anzahl an Patienten, die sich nach der 16. Woche für eine septale Reduktionstherapie entscheiden, und der Zahl an Patienten, die nach den Leitlinienkriterien weiterhin für diese Prozedur infrage kommen – sehr deutlich senken können: Die entsprechende Rate betrug 17,9% in der Mavacamten-Gruppe versus 76,8% in der Placebogruppe, ein hochsignifikanter Unterschied (p ˂ 0,0001).
Gradient reduziert, Symptome verbessert
Darüber hinaus verbesserten sich durch die Behandlung auch relevante Echoparameter sowie die Symptomatik und Lebensqualität der Patienten deutlich, definiert als sekundäre Endpunkte. Wie Desai berichtete, haben sich die Beschwerden bei 27% der mit Mavacamten behandelten Patienten sogar um zwei NYHA-Klassen oder mehr verbessert. Bei 63% hat die Behandlung eine Verbesserung um ≥ 1 Klasse erreicht. Der Gradient des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) in Ruhe und bei Belastung war in der Mavacamten-Gruppe im Schnitt um entsprechend 33,4 und 47,6 mmHg geringer als in der Placebogruppe (p ˂ 0,001). Auch NT-proBNP- und Troponin I-Werte sanken unter der Behandlung signifikant im Vergleich zu Placebo (p ˂ 0,001).
LVEF nur bei zwei Patienten unter 50% gesunken
Was die Sicherheit der Substanz betrifft, gibt es ebenfalls gute Nachricht: Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) blieb unter der Mavacamten-Behandlung in den meisten Fällen stabil. In der EXPLORER-HCM-Studie war die LVEF bei insgesamt sieben mit der Substanz behandelten Patienten unter 50% gesunken. In VALOR-HCM passierte dies nur bei zwei Patienten. Die Therapie habe man bei diesen Patienten aber nur vorübergehend unterbrechen müssen, so Desai, sie sei dann mit einer niedrigeren Dosis fortgesetzt worden. Mavacamten sei somit sehr gut verträglich gewesen, fügte der Studienautor hinzu.
Allerdings ist eine wichtige Limitierung der Studie die kurze Therapiedauer, worauf Desai hinwies. Deshalb ist die langfristige Sicherheit des Medikamentes noch unklar und genauso wenig ist anhand dieser Daten abzusehen, ob eine solche Therapie invasive Prozeduren bei oHCM-Patienten auch auf lange Sicht vermeidbar macht.
Mavacamten steht evtl. vor der Zulassung
Trotzdem geht Desai davon aus, dass Mavacamten ein Bestandteil der oHCM-Therapie werden wird. „Ja, jedem Patienten sollte dies als ‚Background Therapie‘ angeboten werden, ehe eine Intervention vorgenommen wird“, bekräftigte er in der anschließenden Diskussion. Auch wenn das in Studien noch weiter untersucht werden müsse, schränkte er ein. Derzeit ist Mavacamten noch nicht zur Behandlung der oHCM zugelassen. Die Substanz wird aktuell von der FDA in dieser Indikation geprüft. Eine Entscheidung hierzu wird, wie in der ACC-Pressemitteilung zu entnehmen ist, Ende April erwartet.
Literatur
Desai M: Mavacamten As An Alternative To Surgical Septal Myectomy Or Alcohol Ablation In Patients With Severely Symptomatic Obstructive Hypertrophic Cardiomyopathy Late-Breaking Clinical Trials I, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 2. April in Washington