Perioperatives Blutdruckmanagement: Was ist die optimale Strategie?
Gibt es eine optimale Blutdruckstrategie, um bei nicht kardiochirurgischen Operationen das kardiovaskuläre Risiko zu minimieren? Die POISE-3-Studie fand zumindest keinen Vorteil für eine Strategie, die auf Vermeidung von Hypotension zielt.
Die POISE-3-Studie war eine randomisierte Studie im 2 x 2-Faktorialdesign, an der insgesamt 9.535 Patienten teilgenommen hatten, die sich einer nicht kardiochirurgischen Operation unterzogen. In der Studie wurde zum einen der perioperative Einsatz von Tranexamsäure evaluiert. Hier konnte, wie berichtet, gezeigt werden, dass das Blutungsrisiko deutlich sinkt, das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen im Gegenzug aber nur sehr gering steigt.
Neben Tranexamsäure hat die POISE-3-Studie – bei 7.490 Patienten ab 45 Jahren, die mindestens ein antihypertensives Medikament einnahmen – außerdem untersucht, ob eine perioperative Blutdruckmanagementstrategie, die darauf angelegt ist, hypotensive Episoden zu vermeiden, besser oder schlechter ist als eine Strategie, die hypertensive Episoden zu vermeiden versucht. Diesen Teil der Studie stellte Maura Marcucci von der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, bei der ACC-Tagung in Washington vor.
Zwei Strategien im direkten Vergleich
Primärer Endpunkt für diesen Arm der Studie war eine Kombination aus vaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Herzstillstand innerhalb von 30 Tagen ab Operation. In dem Studienarm, in dem versucht wurde, Hypotensionen zu vermeiden, wurden als mittlerer arterieller (Ziel-)Druck (MAP) mindestens 80 mmHg festgelegt. In der Gruppe, in der versucht wurde, hypertensive Episoden zu vermeiden, war der Ziel-MAP mindestens 60 mmHg. Die entscheidende Maßnahme für die Vermeidung der Hypotensionen in dem entsprechenden Studienarm bestand darin, eine bestehende antihypertensive Medikation perioperativ zu stoppen. Im Mittel nahmen die Patienten zwei hypertensive Medikamente ein, überwiegend RAAS-Hemmstoffe und Betablocker.
Unerwartetes Ergebnis
Einen Unterschied machte das Absetzen der Medikation nicht: Die Rate an Endpunktereignissen betrug in der Gruppe, in der versucht wurde, Hypotensionen zu vermeiden, 13,9 %. In der Vergleichsgruppe waren es 14,0 %. Dieses Ergebnis ist durchaus etwas unerwartet, das Risiko perioperativer Hypotonien ist zuletzt verstärkt in den Fokus gerückt und galt vielen als unterschätzt.
"Hämodynamisches Management deshalb nicht komplett irrelevant"
Marcucci betonte in Washington, dass das POISE-3-Ergebnis nicht bedeute, dass ein hämodynamisches Management perioperativ komplett irrelevant sei. Es zeige nur, dass ein von manchen propagierter, höherer Ziel-MAP nicht automatisch einen Nutzen bringe. Tatsächlich unterschieden sich systolischer Blutdruck und Herzfrequenz in den beiden Studienarmen letztlich kaum, was möglicherweise Teil des Problems war. Ob eine gezielte Anhebung des MAP bei Patienten mit niedrigem Blutdruck Nutzen bringt, das beantwortet diese Studie nicht.
Literatur
Marcucci M. POISE-3: The Effects of a Hypotension-avoidance Strategy Versus a Hypertension-avoidance Strategy in Patients Undergoing Noncardiac Surgery. Late Breaking Clinical Trials IV. American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 4. April 2022 in Washington