Lipidsenker Bempedoinsäure schützt vor Herzinfarkten und Co
Bempedoinsäure hat in einer großen Endpunktstudie das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant reduziert. Experten plädieren angesichts dessen für einen breiteren Einsatz des Lipidsenkers. Im Fokus steht dabei eine im Alltag schwierig zu behandelnde Patientenpopulation.
Der Lipidsenker Bempedoinsäure hat in der doppelblinden, randomisierten placebokontrollierten CLEAR-Outcomes-Studie seine klinische Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Die Ergebnisse der großen Endpunktstudie wurden von Prof. Steven Nissen, Cleveland Clinic, beim diesjährigen ACC-Kongress in New Orleans vorgestellt und gleichzeitig im New England Journal of Medicine publiziert.
„Die beobachtete niedrigere Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen deutet darauf hin, dass Bempedoinsäure zu den Medikamenten gehört, die den LDL-Cholesterin-Spiegel reduzieren und einen klinisch bedeutsamen kardiovaskulären Nutzen haben“, resümieren die Autoren um Nissens in der Publikation.
Bempedoinsäure verursacht keine Muskelbeschwerden
Bempedoinsäure hemmt das Enzym ATP-Citrat-Lyase und bremst dadurch die Cholesterinsynthese in der Leber. Der Lipidsenker greift in demselben Signalweg ein wie eine Statintherapie. Im Gegensatz zu Statinen fungiert das Medikament aber als Prodrug; bedeutet, es wird erst in der Leber in seine aktive Form umgewandelt. Deshalb ist davon auszugehen, dass Bempedoinsäure deutlich weniger muskuläre Beschwerden verursacht als eine Statintherapie (da die Substanz nicht im Skelettmuskel wirkt). In bisherigen Studien hat sich diese Hoffnung bereits bestätigt. Das damit einhergehende geringe Risiko für Muskelbeschwerden macht Bempedoinsäure als Alternative zur Statintherapie insbesondere für Personen mit Statinunverträglichkeit oder -intoleranz interessant.
Fast 14.000 Patienten mit Statinintoleranz eingeschlossen
In der CLEAR-Outcomes-Studie ist nun genauso ein solches Patientenkollektiv eingeschlossen worden, nämlich Patientinnen und Patienten mit einer dokumentierten Statinintoleranz (bedeutet, wegen unter Statinen aufgetretener Nebenwirkungen, die nach Therapieabbruch wieder verschwanden, konnten oder wollten sie keine Statine mehr einnehmen bzw. oder nur in einer sehr niedrigen Dosis). Voraussetzung war, dass die Patienten entweder bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung erlitten haben (Sekundärprävention) oder ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen (Primärprävention).
Die Studie sollte den Beweis erbringen, dass Bempedoinsäure neben ihrer LDL-C-senkenden Wirkung auch klinische Effekte entfaltet. 13.970 Patientinnen und Patienten (48% Frauen) aus 32 Ländern mit einem LDL-C von ≥ 100 mg/dl sind hierfür 1:1 randomisiert worden entweder zu einer Behandlung mit Bempedoinsäure (180 mg/Tag) oder zu Placebo. Das mediane Follow-up betrug 40,6 Monate. Im Schnitt wiesen die Teilnehmenden zu Beginn einen LDL-C-Spiegel von 139 mg/dl auf.
Signifikante Reduktion des primären Endpunktes
Die Ergebnisse im Überblick:
- Bempedoinsäure senkte das Risiko für den primären 4-Komponenten-Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichen Herzinfarkten, nicht-tödlichen Schlaganfällen und Revaskularisationen signifikant um 13% im Vergleich zu Placebo (11,7% vs. 13,3%; Hazard Ratio, HR: 0,87; 95%-KI: 0,79–0,96; p=0,004). Das entspricht einer Number Needed to Treat von 63 in dem Zeitraum von 3,4 Jahren.
- Bempedoinsäure reduzierte den kombinierten 3-Komponenten-Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichen Schlaganfällen und nicht-tödlichen Herzinfarkten ebenfalls signifikant um 15% (8,2% vs. 9,5%; HR: 0,85; 95%-KI: 0,76–0,96; p=0,006).
- Das relative Risiko für tödliche und nicht-tödliche Herzinfarkte nahm unter der Therapie um 23% (3,7% vs. 4,8%; HR: 0,77; 95%-KI: 0,66–0,91; p=0,002) und die Wahrscheinlichkeit für koronare Revaskularisationen um 19% (6,2% vs. 7,6%; HR: 0,81; 95%-KI: 0,72–0,92; p=0,001) ab.
- Auf die kardiovaskuläre Mortalität und die Gesamtsterblichkeit hatte die Behandlung mit Bempedoinsäure keinen signifikanten Einfluss.
- Bempedoinsäure reduzierte die LDL-C-Spiegel nach 6 Monaten um 21,1% im Vergleich zu Placebo. Des Weiteren sanken die hsCRP-Konzentrationen unter der Therapie im Schnitt um 22,2% ab.
- Die Patienten hätten das Regime sehr gut vertragen, berichtete Nissen beim Kongress. Die Behandlung hatte im Vergleich zu Placebo keinen Anstieg an Myalgien und Diabetes-Neudiagnosen zufolge. Allerdings kam es darunter – wie bereits in früheren Studien – häufiger zu Gichtanfällen, zu Erhöhungen von Kreatinin, Harnsäure und Leberenzymen. Auch die Inzidenz von Gallensteinen war erhöht, ein Befund, der in bisherigen Studien nicht beobachtet wurde.
Bempedoinsäure sollte breiter eingesetzt werden
„Der Nutzen von Bempedoinsäure ist nun klarer,“ kommentierte Prof. John Alexander die Ergebnisse in einem begleitenden Editorial. Der Lipidsenker gehöre damit zum Repertoir evidenzbasierter Alternativen für eine Statintherapie in der Primär- und Sekundärprävention bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, erläutert der Kardiologe vom Duke Clinical Research Institute die sich daraus ergebenden Implikationen. Alexander plädiert angesichts dieser Ergebnisse für eine breitere Anwendung des Lipidsenkers: „Die überzeugenden Ergebnisse der CLEAR-Outcomes-Studie werden und sollten den Einsatz von Bempedoinsäure bei Patienten mit manifesten atherosklerotischen vaskulären Erkrankungen und bei solchen, die keine Statine einnehmen können oder möchten, steigern.“
Ist Bempedoinsäure eine generelle Alternative zur Statintherapie?
Wie der Kardiologe betont, bedeutet das aber nicht, dass Bempedoinsäure aktuell als generelle Alternative zur Firstline-Therapie mit Statinen in Betracht gezogen werden kann. Dieser Schluss sei zu voreilig, gibt er zu bedenken. Ärzte sollten seiner Ansicht nach deshalb weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, Statine in der maximal verträglichen Dosierung zu verschreiben, auch bei Patienten, die die Therapie aus vermeintlichen Nebenwirkungen abgebrochen haben. Entsprechende Bemühungen könnten sich auch deshalb lohnen, weil viele der unter Statinbehandlung wahrgenommenen Nebenwirkungen auf einen sog. Nocebo-Effekt zurückzuführen sind, wie kürzliche Studien belegt haben.
Nach Ansicht des Studienautors Nissen ist das Vorliegen eines solchen Effektes aber kein Grund, den Patienten eine alternativen Behandlungsansatz vorzuenthalten: „Unabhängig davon, ob das Problem ein Nocebo-Effekt oder eine tatsächliche Intoleranz darstellt, benötigen diese Hochrisikopatienten eine effektive alternative Therapie“, machte der Kardiologe beim Kongress deutlich.
In dieser Diskussion wichtig zu erwähnen ist, dass Bempedoinsäure in der CLEAR-Outcomes-Studie nicht on top zu einer leitliniengerechten Statintherapie gegeben wurde (die Einnahme anderer Lipidsenker war erlaubt, 11% nahmen zusätzlich Ezetimib ein). Somit gibt die Studie keine Auskunft über die klinische Wirksamkeit von Bempedoinsäure bei Patienten, die bereits mit Statin behandelt werden.
Literatur
Nissen SE et al. Bempedoic Acid and Cardiovascular Outcomes in Statin-Intolerant Patients. N Engl J Med. 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2215024
Alexander JH. Benefits of bempedoic acid—clearer now. N Engl J Med. 2023; DOI: 10.1056/NEJMe2301490
Nissen SE: Bempedoic Acid And Cardiovascular Outcomes In Statin Intolerant Patients At High Cardiovascular Risk; Late-Breaking Clinical Trial I, ACC-Kongress, 4–6. März 2023 in New Orleans