Nachrichten 25.11.2019

STEMI: Wie erklärt sich die Prävention von Re-Infarkten durch komplette Revaskularisation?

Bei Patienten mit Herzinfarkt und koronarer Mehrgefäßerkrankung beugt eine komplette Revaskularisation unter Einbeziehung auch von Nicht-Infarktarterien kardiovaskulären Ereignissen vor, hat die COMPLETE-Studie gezeigt. Wie ist diese präventive Wirkung zu erklären? Dazu gibt es interessante neue Daten.

In der Frage, ob bei Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) und koronarer Mehrgefäßerkrankung durch perkutane Koronarintervention (PCI) nur die infarktrelevante Arterie (culprit lesion) oder zusätzlich auch bei der Angiografie entdeckte Verengungen in anderen Koronararterien (nonculprit lesions) revaskularisiert werden sollen, hat die COMPLETE-Studie bekanntlich eine klare Auskunft gegeben. Nach ihren Ergebnissen ist bei diesen Patienten eine komplette Revaskularisation, die auch stenosierte Nicht-Infarktarterien einbezieht, im Vergleich zur alleinigen Revaskularisation der Infarktarterie (Culprit-lesion-only-PCI) die vorteilhaftere Strategie.

Die Inzidenz von kardiovaskulär verursachten Todesfällen und neuen Myokardinfarkten war im Verlauf von drei Jahren in der Gruppe mit kompletter Revaskularisation relativ um 26% niedriger als in der Gruppe mit Culprit-lesion-only-PCI (7,8% vs. 10,5; p=0,004). Entscheidend dafür war die Reduktion von Re-Infarkten, deren Rate nach kompletter Revaskularisation signifikant um 32% niedriger war (5,4% vs. 7,9; p=0,002).

Macht Plaque-Morphologie einen Unterschied?

Wie ist die präventive Wirkung einer auf Nonculprit-Stenosen erweiterten PCI bei STEMI-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung zu erklären? Gerade erst hat doch die beim AHA-Kongress vorgestellte ISCHEMIA-Studie definitiv gezeigt, dass eine PCI zumindest bei stabiler KHK ohne vorbeugende Wirkung auf Todesfälle und Herzinfarkte ist.

Akuter STEMI und stabile KHK sind aber möglicherweise, was die Morphologie der jeweils bestehenden Koronarplaques betrifft, zwei ganz unterschiedliche Situationen. Dass durch das Stenting von obstruktiven Nonculprit-Koronarläsionen in COMPLETE neue Myokardinfarkte verhindert wurden, könnte etwas mit der „vulnerablen“ Natur dieser Läsionen bei STEMI–Patienten zu tun haben, vermuten die  COMPLETE-Autoren. Eine neue COMPLETE-Substudie deutet in diese Richtung. Dr Natalia Pinilla-Echeverri von der McMaster University in  Hamilton, Kanada, hat deren Ergebnisse beim Kongress der American Heart Association (AHA) in Philadelphia vorgestellt.

Plaques per OCT-Bildgebung untersucht

In dieser Substudie haben die Untersucher bei 93 dem Studienarm mit kompletter Revaskularisation zugeteilten STEMI-Patienten die Plaquemorphologie mit dem bildgebenden Verfahren der optischen Kohärenztomografie (OCT) genauer untersucht. Die Hypothese war, dass der Anteil an „vulnerablen“, also potenziell zur Ruptur neigenden Plaques bei den obstruktiven Nonculprit-Läsionen höher sein würde als bei nicht-obstruktiven Läsionen. Als „vulnerabel“ galt eine Plaquemorphologie mit dünner fibröser Kappe und einem darunter liegenden lipidreichen nekrotischen Kern (Thin-Cap-Fibroatherom, TCFA).

Insgesamt 425 Nonculprit-Läsionen konnten auf Basis der Mehrgefäß-OCT-Bilderanalysiert werden. Wie vermutet zeigte sich, dass die Plaquemorphologie bei obstruktiven Nonculprit-Läsionen (> 70% Stenosedurchmesser) signifikant häufiger dem TCFA-Muster entsprach als bei nicht-obstruktiven Nonculprit-Läsionen (35,4% vs. 23,2%, p=0,022). Obstruktive TCFA-Plaques waren lipidreicher und wiesen mehr Merkmale für Vulnerabilität wie höhere Makrophagen- und Cholesterinkristall-Infiltration auf als nicht-obstruktive TCFA-Läsionen.

Nahezu jeder Zweite hatte „vulnerable“ Koronarstenosen

Nahezu jeder zweite STEMI-Patienten (47,3%)  hatte eine obstruktive Läsion mit TCFA-Morphologie. Bei 20,4% waren nur nicht-obstruktive TCFA-Läsionen und bei 32,3% keine Koronarplaques mit Merkmalen für Vulnerabilität nachweisbar.

Nach Ansicht der der Studienautoren könnte dies bedeuten, dass durch eine routinemäßige Einbeziehung von obstruktiven Nonculprit-Läsionen in die Revaskularisation bei STEMI-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung vor allem „vulnerable“ und zur Ruptur neigende Koronarplaques deaktiviert werden. Dies könnte die in der COMPLETE-Studie erst auf längere Sicht deutlich gewordene Abnahme von erneuten Myokardinfarkten erklären.

Beweisen kann die vorgelegte Studie einen solchen kausalen Zusammenhang jedoch nicht. Schließlich ist die OTC-gestützte Bestimmung der Plaquemorphologie nur bei Patienten aus der Gruppe mit kompletter Revaskularisation, nicht aber in der Vergleichsgruppe ohne routinemäßiges Stenting von Nonculprit-Läsionen vorgenommen worden. Ob „vulnerable“ Nonculprit-Läsionen in dieser Gruppe tatsächlich der Ausgangspunkt für vermehrte spätere Re-Infarkte waren, die durch präventive PCI zu verhindern wären, lässt sich nicht sicher sagen.

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