Booster für Bivalirudin bei radialen STEMI-Interventionen
Die BRIGHT-4 Studie rückt den Thrombin-Blocker Bivalirudin zurück in den Fokus. Bei STEMI-Interventionen über einen radialen Zugang wurde ein kombinierter Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit und schwerer Blutung im Vergleich zu Heparin um ein Viertel reduziert.
Die BRIGHT-4 Studie war eine offene, randomisierte Multicenterstudie, an der 6016 Patienten an 63 Zentren in China teilnahmen. Die Ergebnisse wurden von Prof. Gregg Strone von der Kardiologie am Mount Sinai Heart Health System in New York bei der AHA-Tagung vorgestellt und zeitgleich im Lancet publiziert. Es handelte sich um STEMI-Patienten, die sich einer perkutanen Intervention unterzogen, zu 93% über einen radialen Zugang.
Die Patienten – keiner von ihnen hatte zuvor Fibrinolytika oder GP-IIb/IIIa-Inhibitoren erhalten oder war antikoaguliert – wurden entweder mit einer Bolus-Gabe Bivalirudin plus anschließende Infusion in hoher Dosis behandelt oder mit Standardtherapie, also unfraktioniertem Heparin. GP-IIb/III-Inhibitoren im Verlauf der Intervention waren in beiden Gruppen nach Bedarf erlaubt.
Statistisch hoch signifikanter Vorteil für Bivalirudin
Primärer Endpunkt der Studie war ein Komposit aus Gesamtmortalität oder schwerer Blutung, definiert als BARC-Blutungen Typ 3 bis 5 innerhalb von 30 Tagen. Ein so definiertes Endpunktereignis trat bei Bivalirudin-Behandlung bei 3,06% der Patienten auf, gegenüber 4,93% in der Heparin-Gruppe. Die Gesamtmortalität innerhalb von 30 Tagen betrug 2,96% bei Bivalirudin-Therapie und 3,92% bei Heparin-Therapie. Diese Unterschiede waren jeweils statistisch signifikant. Auch bei den Blutungen gab es mit 0,17% versus 0,80% einen statistisch hoch signifikanten Vorteil für Bivalirudin.
Bivalirudin sollte festen Platz im Katheterlabor haben
Stone betonte in Chicago, dass Bivalirudin spätestens nach dieser Studie aus seiner Sicht einen festen Platz im kardiologischen Katheterlabor haben sollte. Die nach zahlreichen, teils widersprüchlichen Studien in der Vergangenheit etwas umstrittene Datenlage sei damit geklärt. Bivalirudin war in zumindest zwei Studien mit einem erhöhten Stent-Thrombose-Risiko assoziiert gewesen, und die Europäische Gesellschaft für Kardiologie hatte ihm daraufhin im Jahr 2017 in ihrer STEMI-Leitlinie nur noch eine IIa-Empfehlung gegeben, Heparin dagegen eine Klasse I-Empfehlung. Es blieb allerdings unklar, wie viele von den Problemen des Bivalirudin auf die Applikationsprozeduren zurückgingen.
Das in der BRIGHT-4-Studie genutzte Applikationsschema mit Bolus-Gabe und hoch dosierter Infusion im Anschluss sei praktikabel und funktioniere, betonte Stone in Chicago. Aus seiner Sicht sei eine Mortalitätssenkung um absolut 0,9 Prozent nicht trivial, so der Kardiologe. Bezogen auf den primären Kombinationsendpunkt errechnet sich in der BRIGHT-4-Studie für die Infarktpopulation mit radialem Zugang eine Number-Needed-to-Treat gegenüber Heparin Monotherapie von 76 Patienten.
"Studie allein nicht ausreichend, um Leitlinie zu ändern"
Skeptischer, aber im Kern ebenfalls positiv, äußern sich Kardiologen um Prof. Adnan Kastrati vom Deutschen Herzzentrum in München in einem die Lancet-Publikation begleitenden Editorial. Sie halten die Ergebnisse der BRIGHT-4-Studie allein noch nicht für ausreichend, um die Leitlinien wieder zu ändern. Sie sehen aber den dringenden Bedarf für bestätigende Studien mit hoch dosiertem Bivalirudin, die das Medikament dann vielleicht doch irgendwann zum Antikoagulans der ersten Wahl beim STEMI machen könnten.
Literatur
Stone G. Bivalirudin With a Post-PCI High-Dose Infusion versus Heparin Monotherapy During Primary PCI in STEMI: The Randomized Bright-4 Trial. Late Breaking Science VI; AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago
Li Y et al. Bivalirudin plus a high-dose infusion versus heparin monotherapy in patients with ST-segment elevation myocardial infarction undergoing primary percutaneous coronary intervention: a randomised trial. The Lancet 2022; 6.11.2022; doi: 10.1016/S0140-6736(22)01999-7
Coughlan JJ, Kastrati A. Bivalirudin in patients with ST-segment elevation myocardial infarction. The Lancet 2022; 6.11.2022; doi: 10.1016/S0140-6736(22)02162-6