Vorhofflimmern: Firstline-Ablation bremst Arrhythmie-Progression
Eine Kryoballon-Ablation als Firstline-Therapie verringert einer Studie zufolge bei relativ gesunden Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Folge zum Übergang in persistierendes Vorhofflimmern kommt.
Vorhofflimmern ist eine progrediente Erkrankung. Nach anfänglich nur gelegentlich auftretenden Arrhythmie-Episoden kann sich mit der Zeit eine länger als sieben Tage anhaltende Herzrhythmusstörung und damit definitionsgemäß „persistierendes“ Vorhofflimmern entwickeln.
Diese Progredienz von Vorhofflimmern lässt sich aber anscheinend bremsen. Dafür sprechen zumindest Ergebnisse einer verlängerten Nachbeobachtung von Teilnehmern der EARLY-AF-Studie. Danach war eine als Firstline-Therapie vorgenommene Kryoablation im Vergleich zur initialen medikamentösen Therapie mit Antiarrhythmika mit einem deutlich niedrigeren Risiko assoziiert, dass sich innerhalb von drei Jahren aus paroxysmalem ein persistierendes Vorhofflimmern entwickelte.
EARLY-AF-Studienleiter Dr. Jason Andrade vom Vancouver General Hospital hat die simultan im „New England Journal of Medicine“ publizierte und jetzt mit dem Akronym PROGRESSIVE-AF versehenen Analyse der 3-Jahres-Daten aktuell beim AHA-Kongress vorgestellt.
Signifikant weniger atriale Arrhythmie-Rezidive nach einem Jahr
Zwei Jahre zuvor hatte Andrade beim virtuellen AHA-Kongress 2020 bereits die 1-Jahres-Ergebnisse der Studie präsentiert. Sie zeigen, dass durch Kryoballon-Ablation als Firstline-Therapie die Rate aller per implantierter Loop-Recorder detektierten oder symptomatischen atrialen Arrhythmie-Rezidive im Beobachtungszeitraum (91. bis 365. Tag nach Ablation oder Beginn der Antiarrhythmika-Therapie) signifikant von 67,8% (Antiarrhythmika-Gruppe) auf 42,9% gesenkt wurde (p<0,001). Eine auf symptomatische atriale Arrhythmie-Rezidive beschränkte Analyse ergab ebenfalls eine signifikant niedrigere Inzidenzrate nach initialer Kryo-Ablation (11,0% versus 26,2%; p<0,001).
Ziel der aktuellen Analyse war nun, Aufschluss über die Auswirkung der mit beiden Behandlungsstrategien zunächst erzielten Rhythmuskontrolle auf die Progression in ein persistierendes Vorhofflimmern zu gewinnen. Persistierende Vorhofflimmern war definiert als erste detektierte Arrhythmie-Episode, die sieben Tage oder länger anhielt oder für die Dauer von zwei bis sieben Tagen bestand, aber eine Kardioversion zur Terminierung erforderte.
Rhythmusmonitoring mittels implantierten Devices
An der EARLY-AF-Studie waren 303 relativ junge und gesunde Patientinnen und Patienten (mittleres Alter: 58 Jahre, 29% Frauen, medianer CHA2DS2-VASc-Score zu Beginn = 1) mit symptomatischem und als belastend empfundenem Vorhofflimmern beteiligt. Von den Teilnehmenden sind 154 auf eine initiale rhythmuskontrollierende Therapie durch Kryoablation und 149 auf eine medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika randomisiert worden.
Persistierendes Vorhofflimmern nach drei Jahren signifikant seltener
Im Verlauf von 36 Monaten wurden in der Ablationsgruppe mittels implantierter kardialer Devices für ein kontinuierliches Rhythmusmonitoring bei drei Patienten (1,9%) Episoden von persistierendem Vorhofflimmern registriert, im Vergleich zu elf Patienten (7,4%) in der Antiarrhythmika-Gruppe. Der Unterschied entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 75% durch die Firstline-Kryoablation (Hazard Ratio, HR: 0,25; 95%-KI: 0,09 – 0,70).
Ebenso wie nach einem Jahr war auch nach drei Jahren die Rate an rezidivierenden atrialen Tachyarrhythmien (Dauer länger als 30 Sekunden) in der Ablationsgruppe signifikant niedriger als in der mit Medikamenten antiarrhythmisch behandelten Vergleichsgruppe (56,5% vs. 77.2%; HR: 0,51; 95% KI: 0,38 – 0,67). Knapp 90% dieser Rezidive wurden als Vorhofflimmern klassifiziert, rund 10% als Vorhofflattern oder atriale Tachykardien.
Auch Rate an Klinikeinweisungen nach Ablation deutlich niedriger
Und auch beim prozentualen Anteil an Zeit im Vorhofflimmern als Maß für die Arrhythmielast (arrhythmic burden) fiel das Ergebnis klar zugunsten der Ablation als Firstline-Strategie aus (0,00% vs. 0,24%), ebenso das Ergebnis für die im AFEQT-Score erfasste gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten.
Die Rate an erfolgten Klinikeinweisungen betrugen nach drei Jahren 5,2% in der Ablationsgruppe und 16,8% in der Gruppe mit initialer medikamentöser Therapie – was einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 69% durch Ablation entspricht (relatives Risiko: 0,31; 95%-KI: 0,14 – 0,66). Schwerwiegende Nebenwirkungen traten in dieser Zeit nach Angaben Andrades bei sieben Patienten (4,5%) in der Ablationsgruppe und 15 Patienten (10,1%) in der Vergleichsgruppe auf.
Schon ATTEST-Studie zeigte günstige Wirkung auf die Arrhythmie-Progression
Durch diese Langzeitergebnisse der EARLY-AF-Studie wird die Evidenz für den Nutzen der Katheterablation als Firstline-Therapie ohne vorangegangenen medikamentösen Therapieversuch bei paroxysmalem Vorhofflimmern weiter gestärkt. EARLY-AF ist allerdings nicht die erste Studie, die positive Auswirkungen einer Katheterablation auf die Entwicklung von persistierendem Vorhofflimmern belegt. In der ATTEST-Studie ist ein entsprechender Effekt bereits von einer deutschen Studiengruppe um den Hamburger Kardiologen Prof. Karl-Heinz-Kuck gezeigt worden – in diesem Fall für die Radiofrequenzstrom-Ablation mit 3D-Mapping bei Patienten mit medikamentös therapierefraktärem paroxysmalem Vorhofflimmern.
Mit den neuen EARLY-AY-Ergebnissen ist der Nachweis einer günstigen Wirkung auf die Arrhythmie-Progression bei Vorhofflimmern nun auf die Kryoablation als Firstline-Strategie erweitert worden. In EARLY-AF war im Übrigen das Rhythmusmonitoring wesentlich strikter als in der ATTEST-Studie.
EARLY-AF-Ergebnisse nicht für alle Patienten repräsentativ
Ein Freibrief dafür, künftig alle Patientinnen und Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern zwecks Verhinderung einer Arrhythmie-Persistenz einer Katheterablation zuzuführen, sind die neuen EARLY-AF-Ergebnisse jedoch nicht. Dagegen spricht die selektive Auswahl der Teilnehmer, die ein Studienkollektiv von relativ jungen und gesunden Patienten mit wenig Begleiterkrankungen und Risikofaktoren begünstigt hat. Ob auch ältere und multimorbide Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern von einer die Progredienz von Vorhofflimmern verzögernden Wirkung der Ablationstherapie profitieren, ist daher noch eine offene Frage.
Auch ist EARLY-AF zu klein, um Aufschluss darüber geben zu können, ob die durch Ablation erzielte Reduktion von persistierendem Vorhofflimmern auch zu einer Reduktion von klinischen Ereignissen wie Schlaganfall führt.
Literatur
Andrade JG: The Impact of “First-Line” Rhythm Therapy on Atrial Fibrillation Progression: The PROGRESSIVE-AF Trial. Late Breaking Science 08. AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago
Andrade JG: Progression of atrial fibrillation after cryoablation or drug therapy. N Engl J Med. 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2212540