Hilft Achtsamkeitstraining gegen Bluthochdruck?
Viele Menschen schaffen es nicht, ihren hohen Blutdruck durch die üblichen Maßnahmen ausreichend zu senken. In einer randomisierten Studie testeten Wissenschaftler nun eine eher „unkonventionelle“ Methode zur Blutdrucksenkung, und die scheint Potenzial zu haben.
Ein speziell auf Bluthochdruckpatienten zugeschnittenes Achtsamkeitsprogramm hat in einer randomisierten Studie tatsächlich Wirkung gezeigt. Über die Ergebnisse berichtete Studienautor Prof. Eric Loucks beim diesjährigen AHA-Kongress in Chicago.
„Ein achtsamkeitsbasiertes Bluthochdruck-Programm war innerhalb von sechs Monaten mit einer Senkung des systolischen Blutdrucks um 5,9 mmHg assoziiert“, stellte der an der Brown Universität in Rhode Island tätige Experte für Achtsamkeit das Kernergebnis der Studie vor.
Ehe der die Studienergebnisse im Detail vorstellte, vergegenwärtigte Loucks den Zuhörern zunächst die aktuelle Situation in puncto Blutdruckeinstellung. 46% der US-Amerikaner litten an Bluthochdruck, von denen hätten nur 48% diesen unter Kontrolle, machte der Experte deutlich.
Prinzipien von Achtsamkeit
Um die Lage zu verbessern, gingen Loucks und sein Team einen eher unkonventionellen Weg: Sie entwickelten ein Achtsamkeitstrainingsprogramm, das spezifisch auf Bluthochdruckpatienten zugeschnitten ist. Wie Loucks beim Kongress erläuterte, verfolgt Achtsamkeit („mindfulness“) prinzipiell zwei Ziele:
- die Bewusstseinsklarheit über Gedanken, Emotionen und körperlicher Empfindungen erlangen, und
- die Qualität von Achtsamkeit, d.h. eine nicht wertende Haltung einnehmen, Bewusstseinsinhalte akzeptieren und ihnen wohlwollend gegenüberstehen.
Diese Prinzipien bilden auch die Basis des achtsamkeitsbasierten Bluthochdruck-Programmes. Die Teilnehmenden sollen über Achtsamkeitsübungen, dazu gehört z.B. Meditation und Atemübungen, Selbsterkenntnis, Aufmerksamkeitskontrolle und Kontrolle über ihre Emotionen erlangen. Das Besondere an dem Programm ist, wie Loucks ausführte, dass das Bewusstsein der Teilnehmer dabei auf Dinge gelenkt wird, die den Blutdruck beeinflussen können wie körperliche Aktivität, Alkoholkonsum, Ernährung, Reaktion auf Stress und Einnahme von Medikamenten. Ziel sei es beispielsweise, dass die Patienten positive Gefühle und körperlichen Reaktionen, die sie nach sportlichen Betätigungen verspüren, wahrnehmen und sich den positiven Effekten bewusstwerden.
Spezielles Programm in randomisierter Studie getestet
Ob dieses Programm die erwünschte Wirkung – nämlich eine Blutdrucksenkung – erzielt, haben Loucks und Kollegen nun im Rahmen der MB-BP-Studie getestet. 201 Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten, unbeaufsichtigten Praxisblutdruck (≥ 120/80 mmHg) wurden randomisiert entweder dem speziellen Achtsamkeitsprogramm oder einer Kontrollgruppe mit üblicher Betreuung zugeteilt. Die Intervention ging über 8 Wochen, 2,5 Stunden pro Woche absolvierten die Teilnehmer Achtsamkeitsübungen. Zu Baseline lag der systolische Blutdruck der Teilnehmer bei gut 138 mmHg.
Signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen
Nach dem sechsmonatigen Follow-up war der systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe im Schnitt um 5,9 mmHg abgesunken (p ˂ 0,001). In der Kontrollgruppe reduzierte sich der Blutdruck um durchschnittlich 1,4 mmHg. Dadurch ergibt sich ein signifikanter Unterschied von 4,5 mmHg zwischen den Gruppen (p=0,045).
In einer Analyse, in der auf Baselinecharakteristika stratifiziert wurde, bestätigt sich dieses Ergebnis zumindest im Trend: Die Blutdrucksenkung in der Achtsamkeitsgruppe fiel stärker aus (p=0,056). Deutlich niedriger fiel die Effektgröße allerdings aus, wenn auf jene Teilnehmer adjustiert wurde, die im Verlauf der Studie „verloren“ gegangen sind (p=0,26). Wie Loucks beim Kongress erläuterte, ist der Patientenausfall im Wesentlichen auf die COVID-Pandemie zurückzuführen.
Klinisch relevantes Ergebnis?
Trotzdem glaubt der Experte, dass die Blutdrucksenkung, die durch das Achtsamkeitstraining in der Studie erreicht wurde, „klinisch relevant“ sein könnte. Eine Metaanalyse mit über 300.000 Teilnehmer habe gezeigt, dass sich eine Absenkung des Bluthochdrucks von 5 mmHg in einer 10%igen Reduktion schwerer kardiovaskulärer Ereignisse übersetzt, argumentierte er.
Was konkret zur Blutdrucksenkung in der Achtsamkeitsgruppe beigetragen haben könnte, versuchte Loucks durch weitere Analysen zu erklären. So verbrachten die Teilnehmer mit Achtsamkeitstraining deutlich weniger Zeit im Sitzen als die Probanden der Kontrollgruppe. Im Trend befolgte die Achtsamkeitsgruppe auch eher die Prinzipien der DASH-Diät und bewegte sich häufiger in der Woche als die Kontrollgruppe.
Wichtige Limitationen der Studie sind die kurze Interventionsdauer und das ausgewählte Patientenkollektiv (es handelte sich um hochgebildete Bürger). Zu klären gilt es deshalb, ob die Intervention auch über eine längere Zeit aufrechterhalten werden kann und ob die Ergebnisse auf andere Patientenpopulationen übertragbar sind.
Literatur
Loucks E: The Effect of Adapted Mindfulness Training in Participants With Elevated Office Blood Pressure: The Mindfulness-Based Blood Pressure Reduction (MB-BP) Randomized Clinical Trial. l. Late Breaking Science IV. AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago.