Erstdiagnostik bei stabiler Angina: Noch mehr Rückenwind für die CCTA
Nicht die erste derartige Studie, aber erneut eine eindrucksvolle: Wenn bei stabiler Angina pectoris die Initialdiagnostik mit koronarer CT-Angiografie (CCTA) erfolgt, dann profitieren die Patienten zumindest auf Sicht von einem Jahr stark.
Sollten Patienten mit stabiler Angina pectoris Symptomatik und Verdacht auf koronare Herzerkrankung (KHK) als ersten apparatediagnostischen Schritt eine CCTA erhalten? Die Ergebnisse der am Wochenende bei der Jahrestagung der American Heart Association (AHA) vorgestellten PRECISE-Studie sprechen stark dafür. Im Vergleich zu Standardversorgung wurde ein kombinierter Endpunkt aus Tod, nicht-tödlichem Herzinfarkt und Katheteruntersuchung ohne Nachweis einer obstruktiven KHK um bemerkenswerte 70% reduziert.
Studien zum optimalen diagnostischen Algorithmus bei Verdacht auf KHK gibt es mittlerweile einige, und die Ergebnisse in ihrer Gesamtschau sind nicht so ganz einfach zu interpretieren. So hatte die PROMISE-Studie vor einigen Jahren die CCTA mit funktionellen Koronarbildgebungsverfahren verglichen, konkret Stressechokardiographie und Myokardszintigraphie. Hier hatte es über zwei Jahre keinen Unterschied bei einem kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und Myokardinfarkt gegeben. Die einige Zeit später publizierte SCOT-HEART Studie verglich die CCTA in der Erstliniendiagnostik bei Verdacht auf KHK randomisiert mit Standardversorgung, in Großbritannien damals vor allem Ergometrie. Nach fünf Jahren war die Mortalität in der CCTA-Gruppe signifikant geringer, was mit einer besseren medikamentösen Therapie erklärt wurde.
PRECISE-Studie: Algorithmus gegen Business as Usual
Die PRECISE-Studie, die in Chicago von Prof. Pamela Douglas von der Duke University in North Carolina vorgestellt wurde, setzt auf diese (und andere) Studien auf. Zwischen 2018 und 2021 wurden an 65 Zentren in Nordamerika und Europa insgesamt 2103 Patienten rekrutiert, die im Mittel 58 Jahre alt waren, eine stabile Angina hatten und bei denen ein Verdacht auf eine KHK bestand. Im Kontrollarm erfolgte die Abklärung konventionell nach dem im jeweiligen Zentrum üblichen Vorgehen. Im Regelfall war das irgendeine Art der funktionellen Bildgebung mit ggf. Koronarangiographie im Anschluss oder eine sofortige Koronarangiografie. Rund ein Drittel der Patienten im Kontrollarm erhielt eine SPECT oder PET, ähnlich viele ein Belastungsecho und je rund 10% eine Kardio-MRT, eine Ergometrie oder gleich einen Herzkatheter.
Im Interventionsarm dagegen wurde ein diagnostischer Algorithmus genutzt, der auf der genannten PROMISE-Studie basierte. Im Rahmen diese Studie wurde der PROMISE Minimal Risk Score (PMRS) entwickelt, der mittlerweile unter anderem an der SCOT-HEART-Studie validiert wurde. Er soll helfen, Patienten zu identifizieren, bei denen ohne große Gefahr mit bildgebender oder invasiver Diagnostik gewartet werden kann. Der PMRS gilt als erfüllt, wenn mehrere Kriterien gemeinsam erfüllt sind:
- die Person hat entweder einen KalkScore von 0 oder es wurde in der Vergangenheit keine Kalk-Score-Bestimmung durchgeführt,
- es gibt keinen klinischen oder anderweitigen Hinweis auf Atherosklerose,
- die LVEF ist normal oder unbekanntes gab in der Vergangenheit keine Berichte über kardiale Wandbewegungsstörungen,
- es gibt keine Befunde oder anamnestische Hinweise, die für Aortendissektion oder Lungenembolie sprechen
PMRS und CCTA-Nutzung zahlen sich für die Patienten aus
Im Interventionsarm der PRECISE-Studie wurde der PMRS bei allen Patienten ermittelt. Wer den Kriterien entsprach, bei dem wurde eine weitere Diagnostik erstmal auf die lange Bank geschoben. Das betraf rund 21% der Patienten. Die anderen erhielten eine CCTA, die fakultativ mit einer CT-basierten Bestimmung der fraktionellen Flussrate (FFR-CT) kombiniert werden konnte. 48% der Interventionsgruppen-Patienten erhielten letztlich eine reine CCTA, 31% eine CCTA mit FFR-CT. Nach im Median knapp 12 Monaten hatten 4,2% der Patienten im Interventionsarm, aber 11,3% der Patienten im Kontrollarm ein Endpunktereignis gemäß eingangs genannter Definition, eine relative Risikoreduktion um gut 70% (HR 0,29; 95%-KI: 0,20–0,41).
Der Unterschied ging praktisch komplett auf das Konto der eingesparten diagnostischen Herzkatheter. Unterschiede bei Gesamtmortalität oder Myokardinfarkten gab es nicht. Tatsächlich fanden im Interventionsarm sogar mehr Koronarinterventionen statt als im Kontrollarm. Dies spreche dafür, dass nicht nur Patienten, die (noch?) keine Diagnostik benötigen, aussortiert würden, so Douglas, sondern dass gleichzeitig auch jene, die von einer Intervention profitieren, zuverlässiger erkannt würden.
Aus ihrer Sicht sollte daher bei Verdacht auf KHK künftig standardmäßig auf Basis des PRECISE-Algorithmus stratifiziert werden. Die Resonanz auf die Studie bei der AHA-Tagung war in jedem Fall sehr positiv. Er erwarte, dass dies Auswirkungen auf die US-amerikanischen Leitlinien haben werde, sagte Prof. Ron Blankstein vom Brigham and Women’s Hospital in Boston. Er wies, wie einige andere, aber auch darauf hin, dass ein Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr etwas kurz sei.
Literatur
Douglas P. Comparison of a Precision Care Strategy With Usual Testing to Guide Management of Stable Patients With Suspected Coronary Artery Disease: The Precise Randomized Trial (PRECISE). AHA 2022; 6.11.2023, 17-18h; Late Breaking Science 6