Etripamil-Nasenspray stoppt rasch supraventrikuläre Tachykardien
Ein den Wirkstoff Etripamil enthaltendes Nasenspray hat sich in der Selbstanwendung bei Patienten mit paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien hinsichtlich einer raschen Konversion in Sinusrhythmus als sicher und wirksam erwiesen.
Plötzlich auftretende paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien (PSVT) als Betroffene oder Betroffener selbst rasch beenden, ohne dafür die lästige und zeitraubende Aufnahme in einer Notfallambulanz in Kauf nehmen zu müssen – das scheint nach den Ergebnissen der beim AHA-Kongress 2022 in Chicago vorgestellten RAPID-Studie Wirklichkeit werden zu können.
Rate an raschen Konversionen verdoppelt
In dieser randomisierten Phase-III-Studie hat sich gezeigt, dass aufgetretene PSVT mithilfe des von den Patientinnen und Patienten selbst applizierten Etripamil-Nasensprays schon in kurzer Zeit doppelt so häufig wie durch ein Placebo-Spray in Sinusrhythmus überführt wurden:
- Während mit Etripamil-Nasenspray bei 64,3% aller Patienten mit PSVT innerhalb von 30 Minuten eine Konversion in Sinusrhythmus erzielt wurde, stellte sich in der Placebo-Gruppe eine Rhythmusnormalisierung in dieser Zeit bei 31,2% der Patienten ein (Hazard Ratio = 2,62; 95%-KI: 1,66 – 4,15¸ p<0,001).
- Die mediane Zeit bis zur Konversion betrug in der Etripamil-Gruppe nur 17,2 Minuten, im Vergleich zu 53,5 Minuten in der Placebo-Gruppe.
- Der Unterschied bezüglich des Anteils an Patienten im Sinusrhythmus wurde mit der Zeit zwar kleiner, blieb aber auch nach 60 Minuten (73,5% vs. 54,5%) und nach 300 Minuten (82,7% vs. 72%, p=0,001) statistisch signifikant zugunsten der Etripamil-Gruppe.
Zumindest das Hauptergebnis zum Zeitpunkt nach 30 Minuten war schon im Vorfeld des Kongresses in einer Topline-Meldung des Etripamil-Herstellers und Studiensponsors Milestone Pharmaceuticals öffentlich gemacht worden.
Notfallambulanzen wurden von Patienten seltener aufgesucht
RAPID-Studienleiter Dr. James Ip, NewYork-Presbyterian/Weill Cornell Medicine, New York, präsentierte beim AHA-Kongress auch eine auf klinische Ereignisse fokussierte Analyse gepoolter Daten von insgesamt 340 Teilnehmern der RAPID- und der früheren NODE 301-Studie. Danach war auch der Anteil an Patienten, die um medizinische Hilfe („medical intervention“) nachsuchten, in der Etripamil-Gruppe mit 15% vs. 25% signifikant niedriger (p=0,013) ebenso der Anteil an Patienten, die eine Notfallambulanz aufsuchten, um Hilfe zu erhalten (14% vs. 22%, p = 0,035).
Im Unterschied zu früheren Studien durften die Teilnehmer nach der ersten gegebenenfalls eine zweite Etripamil-Dosis (jeweils 70 mg) applizieren, wenn sich die Symptome nicht innerhalb von zehn Minuten gebessert hatten. Gleichwohl erwies sich die unbeaufsichtigte Selbstanwendung von Etripamil als sicher und gut verträglich. Etripamil ist ein Kalziumantagonist, der wie Verapamil oder Diltiazem am AV-Knoten die Überleitung der Aktionspotentiale bremst (negativ dromotrope Wirkung).
Viele Teilnehmer hatten im Studienverlauf keine PSVT
In der RAPID-Studie waren an Zentren in Nordamerika und Europa 706 Patientinnen und Patienten gescreent worden, von denen 692 im Verhältnis 1:1 einer Etripamil- oder Placebogruppe zugeteilt wurden. Davon brachen allerdings 102 die Studienteilnahme noch vor der Hauptanalyse ab, bei weiteren 335 waren im Studienverlauf keine PSVT aufgetreten. De facto waren somit 135 Patienten in die Etripamil-Gruppe und 120 in die Placebo-Gruppe randomisiert werden, von denen am Ende nur 99 (Etripamil) und 85 (Placebo) die bei ihnen aufgetretenen PSVT tatsächlich mit dem ihnen zugewiesenen Etripamil- oder Placebo-Spray selbst behandelt hatten.
In der NODE-301-Studie nach fünf Stunden kein Unterschied
In der NODE 301-Studie hatte die nasal applizierte Etripamil-Therapie zuvor die Erwartungen nicht erfüllt: Im Hinblick auf den primären Studienendpunkt (Anteil an Patienten mit Konversion der PSVT in Sinusrhythmus im Zeitraum von fünf Stunden) bestand am Ende kein signifikanter Unterschied zwischen Etripamil- und Placebo-Gruppe. In einer Post-hoc-Analyse kam dann doch eine – allerdings zeitabhängige – Wirkung zum Vorschein: Zumindest innerhalb der ersten 45 Minuten nach Spray-Applikation war die Konversionsrate in der Etripamil-Gruppe – ebenso wie nach 30 Minuten in der RAPID-Studie – signifikant höher gewesen.
Derzeit wird bereits das Potenzial des Nasensprays für eine noch breitere Anwendung klinisch geprüft. In der laufenden ReVeRA-20-Studie soll etwa geklärt werden, ob das Etripamil-Spray in der Selbstanwendung auch als sichere und wirksame Therapie zur raschen Frequenzsenkung bei Patienten mit Tachykardien auf Basis von Vorhofflimmern mit schneller Überleitung infrage kommt.
Literatur
Ip. J: Self-Administered Etripamil for Termination of Spontaneous Paroxysmal Supraventricular Tachycardia: Primary Analysis From the RAPID Study. Late Breaking Science VIII. AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago