Kann Botox postoperatives Vorhofflimmern unterdrücken?
Es gibt Hinweise, dass Botulinumtoxin – vor allem bekannt als Faltenglätter – postoperatives Vorhofflimmern nach Herz-OPs unterdrücken kann. Eine Phase II-Studie ging dem jetzt nach, und fand, wenn überhaupt, nur eine Wirkung für spezifische Patientengruppen.
Könnte Botulinumtoxin es bald auch in Behandlungsrepertoir kardiologisch tätiger Ärzte/Ärztinnen schaffen? Die Idee entwickelte sich im Jahr 2015, als in einer randomisierten Pilotstudie die Injektion des Giftes die Entstehung von postoperativen Vorhofflimmern signifikant verhindern konnte. Daraufhin kam Hoffnung auf, dass man mit Botulinumtoxin womöglich eine wirksame Therapie gegen die häufig auftretende Komplikation gefunden haben könnte.
Randomisierte Phase II-Studie
Die jetzt beim AHA-Kongress vorgestellte Phase II-Studie NOVA konnte die an das Toxin aus kardiologischer Sicht gesetzten Erwartungen nur bedingt erfüllen. In dieser Studie fielen die Ergebnisse in der Gesamtpopulation neutral aus, wenngleich sich in Subgruppenanalysen eine Wirkung für spezifische Populationen andeutete.
Eingeschlossen in die randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studie waren 323 Patientinnen und Patienten (zwischen 55 und 90 Jahre alt) mit einer geplanten Bypass-Operation und/oder einer Klappenintervention. Diese wurden 1:1:1 entweder einer Scheininjektion mit Placebo oder einer Injektion mit Botulinumtoxin Typ A (125 U oder 250 U) zugeteilt. Wie Studienautor Prof. Jonathan Piccini von der Duke Universität in Durham beim Kongress erläuterte, wurde das Botulinumtoxin in epikardiale Fettpolster der Patienten gespritzt. Primärer Endpunkt der Studie war der Anteil an Patienten mit mindestens einer Vorhofflimmern-Episode von ≥ 30 Sekunden.
In diesem Punkt konnten Piccini und sein Team keine Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Keiner der beiden Dosen hätte eine statistisch signifikante Reduktion von postoperativen Vorhofflimmern bewirkt, folgerte der Kardiologe aus den Ergebnissen.
Bestimmte Subgruppen scheinen zu profitieren
Subgruppenanalysen zufolge scheinen aber bestimmte Patientengruppen von der Botulinumtoxin-Injektion profitieren zu können. Bei Patienten mit einer isolierter Bypass-OP konnte Botulinumtoxin in der 125 U-Dosis die Rate von postoperativ auftretenden Vorhofflimmern zumindest im Trend verringern, mit einer relativen Risikoreduktion von 29% im Vergleich zu Placebo, wenngleich das Ergebnis keine statistische Signifikanz erreichte (relatives Risiko, RR: 0,71; p=0,16).
Ein signifikantes Ergebnis konnte Piccine für die Gruppe der ≥ 65-Jährigen präsentierten: In dieser Subgruppe senkte Botulinumtoxin 125 U das relative Risiko für postoperatives Vorhofflimmern im Vergleich zu Placebo um 36% (RR: 0,64; p=0,02).
Weiterhin stellten Piccine und sein Team fest, dass es in beiden Botox-Gruppen innerhalb der kommenden 30 Tage nach der Operation numerisch seltener zu erneuten Klinikeinweisungen gekommen war.
„Exzellente Sicherheit“
Sicherheitssignale gab es keine: Nach Injektion von Botulinumtoxin kam es nicht häufiger zu unerwünschten Ereignisse als unter Placebo. Die für die Studie ausgewählte Kommentatorin, Prof. Usha Tedrow, spricht deshalb von einer „exzellenten Sicherheit“. Zurückhaltender äußerte sich zu den Wirksamkeitsdaten der Behandlung. Die Ergebnisse der Subgruppenanalysen müssten mit Vorsicht interpretiert werden, da die Patientenzahlen klein gewesen seien, gibt die in Boston tätige Kardiologin zu bedenken.
Außerdem wundert sie sich etwas über den Umstand, dass die beiden Inflammationsmarker IL-6 und hsCRP in beiden Botulinumtoxin-Gruppen reduziert waren, das Risiko für postoperatives Vorhofflimmern aber, wenn überhaupt, nur mit der 125 U-Dosis verringert wurde. Hier müsse man sich die Frage stellen, ob innerhalb von 30 Tagen auftretendes Vorhofflimmern womöglich weniger häufig direkt durch eine Inflammation verursacht werde, so die Kardiologin.
Aber wie wirkt das Toxin?
Studienautor Piccini vermutet, dass sowohl die Entzündungshemmung durch Botulinumtoxin als auch direkte Effekte des Toxins auf das autonome Nervensystem zur Unterdrückung von Vorhofflimmern beitragen könnten. Botulinumtoxin blockiert bekanntlich vorübergehend die Freisetzung von Acetylcholin aus synaptischen Vesikeln und hemmt so die cholinerge Erregungsübertragung von Nervenzellen.
Ob das Toxin in den spezifischen Patientenpopulationen (isolierte CABG, ältere Patienten) tatsächlich eine Behandlungsoption gegen postoperatives Vorhofflimmern darstellt, steht angesichts der offenen Fragen und unsicheren Daten noch in den Sternen. Dafür braucht es weitere Studien, die auch die zugrunde liegenden Mechanismen klären sollten.
Literatur
Piccini J: Efficacy and Safety of Botulinum Toxin Type A for the Prevention of Postoperative Atrial Fibrillation in Cardiac Surgery Patients: Results from the Phase 2 Nova Study; Late Breaking VIII, AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago