Beeinflusst Pollenflug die Prognose nach akutem Koronarsyndrom?
Mit dem Klimawandel nimmt die Pollenkonzentration in der Luft zu. Das könnte das kurzfristige Sterberisiko nach akuten Koronarsyndromen erhöhen, legt zumindest eine retrospektive Studie aus Australien nahe.
Veränderungen der Pollenkonzentration können verschiedene allergische Prozesse auslösen. Auch wenn das überwiegend die oberen Atemwege betrifft, können die Entzündungsreaktionen und die daraus resultierenden biologischen Wirkungen andere Organsysteme wie das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigen. Bisher gibt es jedoch wenige Daten zur Assoziation von Pollenexposition und kardiovaskulären Folgen. Ein Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass Pollenflug möglicherweise unerwünschte Ereignisse nach akuten Koronarsyndromen (ACS) begünstigen könnte.
Mediziner um Dr. Omar Al-Mukhtar vom Western Health Klinikum in Melbourne berücksichtigten für die retrospektive Studie Daten aus dem Victorian Cardiac Outcomes Registry (VCOR) von mehr als 15.000 Patienten mit ACS. 46% davon hatten Myokardinfarkte mit ST-Streckenhebung, 44% Herzinfarkte ohne ST-Hebung und 10% instabile Angina pectoris. Alle waren deswegen zwischen 2014 und 2017 mit einer perkutanen Koronarintervention behandelt worden. Das Forscherteam untersuchte, ob Veränderungen der Pollenkonzentration mit unterschiedlichen ACS-Subtypen und kurzfristigen unerwünschten Ereignissen assoziiert waren.
Gräserpollenkonzentration mit Mortalität assoziiert
Al-Mukhtar et al. konnten keinen Zusammenhang zwischen der täglichen oder saisonalen Gräser- und Gesamtpollenkonzentration und der Häufigkeit des Auftretens bestimmter ACS-Subtypen entdecken. Allerdings korrelierten die Gräser- und Gesamtpollenkonzentrationen in den Tagen vor dem ACS-bedingten Klinikaufenthalt mit den Mortalitätsraten im Krankenhaus. Die Exposition gegenüber hohen Gräserpollenkonzentrationen in den beiden Tagen vor dem ACS ging mit einem mehr als verdoppelten Sterberisiko in der Klinik einher. Eine hohe mediane Gesamtpollenkonzentration in den sieben Tagen vor dem Ereignis war sogar mit einem knapp dreifach erhöhten Risiko dafür assoziiert.
Zudem zeichnete sich ein Trend ab, dass eine hohe Gräserpollenkonzentration in den beiden vorausgegangenen Tagen mit schweren kardialen und zerebrovaskulären Ereignissen innerhalb von 30 Tagen korrelieren könnte. Dazu zählten Tod, Herzinfarkt, Stentthrombosen, Revaskularisierung des verengten Zielgefäßes bei Restenose und Schlaganfall. Für eine hohe Gesamtpollenkonzentration über sieben Tage wurde kein solcher Trend beobachtet.
Sind Entzündungsreaktionen die Ursache?
„Erhöhte Pollenkonzentrationen waren nicht mit dem Auftreten unterschiedlicher ACS-Subtypen assoziiert, standen jedoch in signifikantem Zusammenhang mit der Krankenhausmortalität nach einer perkutanen Koronarintervention“, resümieren Al-Mukhtar und Kollegen. Das unterstreiche einen potenziellen biologischen Zusammenhang zwischen Pollenexposition und Prognose der Patienten, der in zukünftigen Studien weiter untersucht werden solle. Die Pathophysiologie hinter den Assoziationen sei noch unklar, könnte den Forschern zufolge aber auf erhöhte Entzündungsreaktionen nach Pollenexposition zurückzuführen sein.
Literatur
Al-Mukhtar O et al. Temporal Changes in Pollen Concentration Predict Short‐Term Clinical Outcomes in Acute Coronary Syndromes. Journal of the American Heart Association 2022. https://doi.org/10.1161/JAHA.121.023036