Nachrichten 02.02.2022

Hohes Infarktrisiko? Auch die Plaque-Lokalisation beachten

Welche im Koronar-CT sichtbaren Plaques könnten sich zu einer „Culprit Lesion“ entwickeln und einen Herzinfarkt verursachen? Einer aktuellen Analyse zufolge könnte es bei der Beurteilung von Plaques Sinn machen, auch deren Lokalisation und die Gefäßmorphologie zu beachten.

Bei der Beurteilung, ob eine Plaque künftig zum Risiko werden könnte, sollte offenbar auch die Lokalisation der Läsion und die Geometrie des betroffenen Gefäßes beachtet werden. Entsprechende Assoziationen konnten Spezialisten der Bildgebung um Dr. Donghee Han im Rahmen einer Posthoc-Analyse der ICONIC-Studie aufzeigen.

„Ungünstige geometrische Charakteristika lassen sich über eine standardmäßige Koronar-CT-Angiografie (CCTA)-Bildgebung bestimmen und könnten zusätzliche prognostische Informationen jenseits der üblichen Plaque-Kriterien liefern“, erörtern die Mediziner vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles die potenzielle Relevanz ihrer Ergebnisse.

Plaquebeschaffenheit schon länger im Fokus

Schon länger ist bekannt, dass die morphologische Beschaffenheit von Koronarplaques entscheidend sein kann, ob sich eine Läsion zur „Culprit Lesion“ entwickelt oder nicht. Dabei haben sich vor allem die sog. „Low-Attenuation-Plaques“ – Plaques mit sehr geringen Dichtewerten (˂30 Hounsfield-Units) – als prognostische Prädiktoren herausgestellt. So hat eine Nachauswertung der SCOT-HEART-Studie ergeben, dass der Anteil solcher Plaques sehr deutlich mit dem Risiko für tödliche und nicht tödliche Myokardinfarkte korrelierte. Auch in der Primärauswertung der ICONIC-Studie waren Plaquekomposition und Plaquelast mit der Infarktwahrscheinlichkeit assoziiert. Bis dato weniger beachtet wurde allerdings der potenzielle Einfluss der Plaquelokalisation und der Gefäßgeometrie auf das Infarktrisiko, obwohl beides bekanntermaßen Faktoren sind, die den koronaren Fluss und endothiale Scherkräfte verändern können.

Han und sein Team haben sich dieser Frage nun angenommen. Geholfen hat ihnen dabei der Umstand, dass entsprechende Befunde bereits im Rahmen der ICONIC-Studie erhoben worden sind. Bei der ICONIC-Studie handelt es sich um eine in das CONFIRM-Register eingebettete Fall-Kontroll-Studie. In CONFIRM sind insgesamt 23.251 Patienten aufgrund eines KHK-Verdachts mittels einer CCTA untersucht worden. Für die jetzt publizierte Sekundäranalyse wurden von der ursprünglichen ICONIC-Kohorte 116 Patienten, die im weiteren Verlauf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) entwickelt haben, mit 116 Kontrollpatienten ohne eine solche Diagnose gematcht.

3 geometrische Charakteristika analysiert

Die US-Wissenschaftler analysierten zunächst die CCTA-Befunde der Patienten, bei denen später ein ACS nachgewiesen wurde. Insgesamt fanden sie 548 Plaques vor; davon machten sie 116 als Vorläufer der späteren Culprit Lesion, also der infarktverantwortlichen Läsion, aus. Der Fokus der Plaqueanalyse lag auf folgenden drei unter hämodynamischen Aspekten als ungünstig geltenden Plaque- bzw. Gefäßcharakteristika:

  1. Distanz der Läsion zum Ostium,
  2. Lokalisation in einer Gefäßbifurkation,
  3. vorhandene Gefäßwindung, definiert als Biegung über 90° oder drei Biegungen zwischen 45° und 90° nach 3D-Konstruktion des Gefäßes.

Höheres Risiko, dass eine Culprit Lesion entwickelt

Und tatsächlich stellte sich heraus, dass die Culprit Lesion-Vorläuferplaques im Vergleich zu anderen Plaques vermehrt diese drei geometrischen Charakteristika aufwiesen. Laut einer multivariaten Analyse war die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Plaque zu einer Culprit Lesion entwickelt, signifikant größer, wenn die Läsion in einer Bifurkation, in einem gebogenen Gefäßsegment oder nahe des Ostiums lokalisiert war; und zwar unabhängig vom Durchmesser der Stenose, von anderen ungünstigen Plaquecharakteristika wie Low-Attenuation-Plaque, fleckige Verkalkung oder Napkin-Ring-Zeichen sowie quantitativer Faktoren.

Das Risiko war umso größer, desto mehr dieser ungünstigen Geometrie-Faktoren vorlagen: im Falle von einem erhöhte sich das Risiko um das fast Dreifache (Hazard Ratio, HR: 2,9; p=0,005), bei ≥ 2 Charakteristika um das nahezu Siebenfache (HR: 6,84; p ˂ 0,001). Am höchsten war die Wahrscheinlichkeit, wenn sowohl eine ungünstige Plaquebeschaffenheit als auch eine ungünstige Geometrie/Lokalisation vorgelegen hatte. Dagegen hat sich aus keiner einzigen Läsion, die weder das eine noch das andere aufwies, eine Culprit Lesion entwickelt. 

Auffällig ist zudem, dass jene Patienten, die später ein ACS entwickelt haben, im Vorfeld signifikant häufiger Läsionen mit ungünstiger Beschaffenheit und/oder ungünstiger Lokalisation bzw. Gefäßgeometrie aufwiesen als Personen, die kein ACS erlitten haben (p˂ 0,05).

Lokalisation und Gefäßgeometrie könnten Vorhersage verbessern

Doch was nützt diese Erkenntnis nun im Alltag? Han und Kollegen könnten sich vorstellen, dass sich potenzielle Culprit Lesions in der CCTA noch besser identifizieren lassen, wenn deren Lokalisation und deren Gefäßgeometrie berücksichtigt werden. Überprüft haben sie ihre These mithilfe eines Vorhersagemodells, in dem Stenosedurchmesser, ungünstige Plaquebeschaffenheit sowie quantitative Plaquecharakteristika bereits integriert waren. Die Hinzunahme der Geometrie/Lokalisation-Parameter konnte den Vorhersagewert dieses Modells nochmals steigern (Area Under the Curve: 0,766 vs. 0,733 ohne). „Somit könnte eine umfassende Plaqueanalyse, welche die Lokalisation der Läsion und die Gefäßgeometrie miteinschließt, womöglich die Fähigkeit einer CCTA, künftige ACS-verursachende Culprit Lesions aufzuspüren, weiter steigern und damit zur Risikostratifizierung von Patienten mit einer stabilen KHK beitragen“, lautet das Fazit der Autoren.

Aber: Analyse hat Limitationen

Trotz dieses vermeintlichen Mehrwertes äußern sich Han und Kollegen noch vorsichtig, was die direkte Umsetzung dieser Erkenntnisse in die Praxis betrifft. Die Ergebnisse stammten aus einer Posthoc-Analyse und sollten deshalb erst in größeren, nicht selektierten Kohorten validiert werden, erläutern sie. Besonders kritisch zu sehen ist nach Ansicht der US-Mediziner das Ausmaß an Patienten, die nicht berücksichtigt wurden. So bestand die ursprüngliche ICONIC-Kohorte aus jeweils 234 Patienten in der ACS- und Kontrollgruppe, wovon in der jetzigen Analyse nur die Befunde von 116 Personen aus beiden Armen eingegangen sind. Dies habe womöglich einen Selektionsbias verursacht und ein Ungleichgewicht im Propensity-Score-Matching der verbliebenden Paare geschaffen, machen Han und Kollegen deutlich.

Literatur

Han D et al. Association of Plaque Location and Vessel Geometry Determined by Coronary Computed Tomographic Angiography With Future Acute Coronary Syndrome–Causing Culprit Lesions JAMA Cardiol. 2022. doi:10.1001/jamacardio.2021.5705

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