COVID-19-positiver Patient mit Brustschmerz, ohne obstruktive Stenose – was steckt dann dahinter?
Ein 36-jähriger Mann mit COVID-19 kommt wegen Thoraxschmerzen notfallmäßig in die Klinik. Das EKG zeigt eine ST-Hebung, eine obstruktive Stenose lässt sich aber nicht nachweisen. Die multimodale Bildgebung gibt die entscheidenden Hinweise – weshalb auf sie bei der Klärung eines Herzinfarktes keinesfalls verzichtet werden sollte.
Ein beachtlicher Anteil an Myokardinfarkten (1% bis 14%) tritt in Abwesenheit von obstruktiven Koronarien auf (MINOCA;. Der Nachweis einer nicht obstruktiven koronaren Herzerkrankung (≤ 50%) bei Patient*innen, die ischämietypische Symptome oder Zeichen aufweisen, schließt eine atherothrombotische Ätiologie nicht aus, da die Thrombose ein dynamischer Prozess ist und der zugrunde liegende atherosklerotische Plaque nicht obstruktiv sein kann.
Zusätzliche diagnostische Tests sind deshalb wichtig, um die Ätiologie zu bestimmen, die essenziell ist für die Wahl einer geeigneten Therapie.
36-jähriger Mann mit COVID-19 und Brustschmerz
Ein 36-jähriger Mann mit COVID-19, der bisher gesund war, entwickelte am 8. Tag seiner Quarantäne intermittierende thorakale Schmerzen und stellte sich notfallmäßig in der Klinik vor.
Bei Aufnahme betrug der Troponin I-Spiegel 1.759 ng/l (Referenzwert ˂ 24 ng/l) und der NT-proBNP-Spiegel 409 pg/ml (Referenzwert ˂ 44 pg/ml).
Das EKG zeigte eine ST-Hebung um ≥ 2,5 mm in den Ableitungen II, III und avF, einhergehend mit einer Senkung des ST-Segments in V1 – V3 (siehe Abb. 1 A).
Abb. 1: Ätiologische Klärung eines Myokardinfarkts mit nicht obstruktiven Koronararterien durch multimodale Bildgebung (erstellt mit BioRender.com), Credit: Mayr/Holzknecht.
Die unmittelbar daraufhin durchgeführte Koronarangiografie zeigte eine ˂ 50%ige Stenose der rechten Koronararterie, die nicht als „Culprit Lesion“ eingestuft wurde (Abb. 1 B). In der Lävokardiografie wurde, bei global erhaltener
linksventrikulärer Funktion, eine regionale Hypokinesie der Hinterwand festgestellt.
Damit wurde die Arbeitsdiagnose MINOCA generiert. Die anschließende kardiale Magnetresonanztomografie (CMR) zeigte ein Ödem im Versorgungsgebiet der rechten Koronararterie mit erhöhter Signalintensität auf der T2-gewichteten „Short Tau Inversions Recovery Sequenz“ (STIR; Abb. 1 C, rote Pfeile) sowie erhöhten T1- Relaxationszeiten im T1-Map (erhöhtes natives T1 von 1.104 ms der Hinterwand; Referenzwert: 980 ms; Abb. 1 D, rote Pfeile) und erhöhtem extrazellulären Volumen (35,4 % an der Hinterwand; Referenzwert: 25%; Abb. 1 E, rote Pfeile).
Eine streifige Kontrastmittelanreicherung (Late Gadolinium Enhancement/LGE)
konnte in der mittventrikulären Hinterwand detektiert werden (Abb. 1 F, rote Pfeile).
Hinterwandinfarkt wegen Plaqueruptur
Aufgrund des CMR-Befundes wurde eine zweite Darstellung der Koronarien
mittels koronarer Computertomografie (CT) ergänzt, welche passend zur Koronarangiografie eine fokale Lumenstenose ˂ 50% in der mittleren rechten Koronararterie aufgrund eines exzentrischen Plaques niedriger Dichte mit positivem Remodeling (Abb. 1 G, roter Pfeil) zeigte.
Die restlichen Koronararterien zeigten keine pathologischen Auffälligkeiten.
Basierend auf den CMR- und CT-Befunden wurde eine Plaqueruptur in der
rechten Koronararterie diagnostiziert, die zu einem Hinterwandinfarkt führte.
Die Klärung der MINOCA-Ätiologie gewinnt zunehmend an Bedeutung und hat erhebliche Auswirkungen auf die Patient*innenversorgung und -prognose. Diese Kasuistik unterstreicht die diagnostische Relevanz der multimodalen Bildgebung bei MINOCA-Patient*innen, auf die auch in Pandemie-Zeiten bestanden werden sollte.
Fazit für die Praxis |
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Literatur
CardioNews Ausgabe 11-12 2020
Pasupathy S et al. Circulation. 2015;131(10):861–70
Niccoli G et al. Eur Heart J. 2015;36(8):475–81
Ibanez B et al. Eur Heart J. 2017;39(2):119–77