Nach Herzinfarkt: Darum ist ein niedriger Blutdruck ein schlechtes Zeichen
Ein niedriger diastolischer Blutdruck nach einem Herzinfarkt ist kein gutes Zeichen – besonders bei bestimmten Patienten sollten die Alarmglocken klingeln.
Ein diastolischer Blutdruck von ˂ 70 mmHg sollte Ärzte bei Herzinfarkt-Patienten zu denken geben. Wie eine aktuelle Studie verdeutlicht, ist ein derart niedriger Druck vor allem dann gefährlich, wenn die Patienten keine Reperfusionstherapie erhalten haben.
Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler um Prof. Michael Böhm, Direktor am Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg/Saar, nachdem sie die Daten von 5.929 Patienten der EPHESUS-Studie ausgewertet haben. Die 2003 publizierten Primärergebnisse der randomisierten Studie hatten den Nachweis erbracht, dass eine Behandlung mit dem Aldosteronantagonisten Eplerenon die Prognose von Herzinfarkt-Patienten mit einer Ejektionsfraktion unter 40% verbessern kann.
80% erhöhtes Sterberisiko
In einer aktuell publizierten Subanalyse der Studie stellten die Ärzte nun fest, dass bei Patienten, die nach dem akuten Infarkt keine Reperfusionstherapie erhalten haben, ein niedriger diastolischer Blutdruck von ˂ 70 mmHg mit einem 80% erhöhten Sterberisiko und einem 70% erhöhten Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Tod einherging (adjustierte Hazard Ratio: 1,80 und 1,70; jeweils p ˂ 0,001).
Eine entsprechende Risikoerhöhung zeigte sich jedoch nicht bei Patienten mit niedrigem diastolischen Druck, deren Koronarstenose revaskularisiert wurde.
Risikopatienten identifizieren
Ein niedriger systolischer Blutdruck (≤ 110 mmHg) war ebenfalls mit einer schlechteren Prognose assoziiert: mit einem mehr als doppelt so hohen Sterberisiko und Risiko für kardiovaskulär bedingten Tod (HR: 2,51 und 2,44; p ˂ 0,001) – allerdings unabhängig davon, ob eine Reperfusionstherapie durchgeführt worden war oder nicht.
„Ein niedriger Blutdruck identifiziert Herzinfarkt-Patienten mit einem besonders hohen Risiko“, resümieren die Studienautoren. Darüber hinaus würden die Ergebnisse die aktuelle ESC-Leitlinie bestärken, in der erstmalig eine Blutdruck-Untergrenze (70/120 mmHg) festgelegt worden ist.
Myokard ist anfälliger für Ischämie
Böhm und Kollegen vermuten, dass ein niedriger diastolischer Blutdruck das Myokard von Patienten mit signifikanter Koronarstenose besonders anfällig für eine Ischämie und damit für entsprechende Komplikationen macht. Sie empfehlen deshalb, Patienten mit einer solchen Konstellation speziell im Auge zu behalten. Eine Reperfusionstherapie sei bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und niedrigem diastolischen Druck womöglich besonders essenziell für die Aufrechterhaltung des koronaren Perfusionsdrucks.
Hinter der zu beobachtenden Risikoerhöhung könnte allerdings auch eine gewisse Zurückhaltung der Ärzte stecken, Patienten mit niedrigem Blutdruck einer Intervention zu unterziehen, da diese als kränker eingestuft werden. Diesem Einwand setzen die Kardiologen entgegen, dass Revaskularisationen in dieser Studie bei Patienten mit niedrigem diastolischem Blutdruck sogar häufiger vorgenommen worden sind. Trotzdem sind Störfaktoren aufgrund des retrospektiven Studiendesigns nicht 100% auszuschließen. So könnte es sein, dass Patienten mit niedrigem systolischen Blutdruck in der Folge zögerlicher medikamentös behandelt wurden, was sich auf deren Prognose ausgewirkt haben könnte.
Die Erkenntnisse sind – wenngleich klinisch von Bedeutung – somit nur hypothesengenerierend.
Literatur
Böhm M et al. Myocardial reperfusion reverses the J-curve association of cardiovascular risk and diastolic blood pressure in patients with left ventricular dysfunction and heart failure after myocardial infarction: insights from the EPHESUS trial, Eur Heart J, ehaa132, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa132