Typ-2-Herzinfarkt: Welche Risikofaktoren von Bedeutung sind

Welche Risikofaktoren für atherothrombotisch verursachte Typ-1-Herzinfarkte von Relevanz sind, ist gut untersucht. Dagegen ist das Wissen über Prädiktoren für die Entwicklung von Typ-2-Herzinfarkten noch sehr limitiert. Eine neue Studie liefert dazu nun einige Erkenntnisse.

Von Peter Overbeck 

 

24.01.2022

Je nach Pathogenese wird heute zwischen Typ-1- und Typ-2-Herzinfarkten differenziert. Während Typ-1-Infarkte typischerweise aus Plaque-Rupturen und atherothrombotischen Prozessen in atherosklerotisch veränderten Koronargefäßen resultieren, entwickeln sich Typ-2-Infarkte auf Basis eines Missverhältnisses zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf im Myokard. Da eine Vielzahl von Einflussfaktoren wie Tachyarrhythmien, Hypertonie oder Hypotonie, Sepsis, Hypoxie, Anämie, Vasospasmen oder endotheliale Dysfunktion Angebot oder Verbrauch von Sauerstoff im Herzmuskel beeinflussen können, ist klar, dass bei Typ-2-Myokardinfarkten von sehr heterogen und komplexen Entstehungsprozessen auszugehen ist. Das Wissen darüber ist aber derzeit noch sehr begrenzt.

 

Eine genauere Kenntnis von prädisponierenden Faktoren für die Entstehung von Typ-2-Herzinfarkten könnte dazu beitragen, dass künftig durch gezielte Interventionen entsprechenden Ereignissen besser vorgebeugt werden kann, dachten sich schottische Forscher um Dr. Ryan Wereski vom BHF Centre for Cardiovascular Science an der University of Edinburgh. Die Gruppe hat sich deshalb in einer Studie bei Koronarpatienten zum Ziel gesetzt, Prädiktoren für Typ-1- und Typ-2-Herzinfarkte zu identifizieren.

Daten von mehr als 48.000 Patienten analysiert

Dabei handelt es sich um eine sekundäre Analyse der Daten von 48.282 konsekutiven Patienten, die zwischen Juni 2013 und März 2016 mit Verdacht auf akutes Koronarsyndrom in schottischen Kliniken stationär aufgenommen worden waren und Teilnehmer einer randomisierten Studie (High-STEACS) waren. Die Infarktdiagnostik erfolgte bei der initialen Hospitalisierung wie auch im Fall eventueller Wiedereinweisungen anhand der „Fourth Universal Definition of Myocardial Infarction“. Den Forschern ging es primär darum, Prädiktoren für das Auftreten von Typ-1- und Typ-2-Herzinfarkten im ersten Jahr nach initialer Hospitalisierung wegen akutem Koronarsyndrom ausfindig zu machen.

 

Während des 12-monatigen Follow-up der Studie kam es bei 1.331 Patienten zu einem erneuten Myokardinfarkt, der bei 924 Patienten als Typ-1-Herzinfarkt und bei 407 als Typ-2-Herzinfarkt klassifiziert wurde.

Fast identisches Spektrum an assoziierten Risikofaktoren

Bezüglich der mit diesen unterschiedlichen Infarkttypen assoziierten Risikofaktoren ergab sich ein eher uniformes Bild: Risikofaktoren, die traditionell in Beziehung zu atherothrombotischen Typ-1-Herzinfarkten gesehen werden, waren in der Studie auch prädiktiv für Typ-2-Herzinfarkte. So waren etwa ein höheres Lebensalter, eine Koronarerkrankung in der Vorgeschichte, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus und Nierenfunktionsstörungen mit einem erhöhten Risiko sowohl für Typ-1- als auch für Typ-2-Herzinfarkte assoziiert.

 

Stärkster Prädiktor für einen Typ-2-Herzinfarkt war im Übrigen ein schon in der Vergangenheit aufgetretener Typ-2-Infarkt, in diesem Fall war die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Ereignis um den Faktor sechs höher. Obwohl Typ-2-Herzinfarkte bei Frauen häufiger als bei Männern beobachtet wurden, erwies sich das Geschlecht nicht als Risikoprädiktor. Als häufigste akute Ursachen für Typ-2-Herzinfarkte konnten Tachyarrhythmien (50%), Hypoxie (22%), Hypotonie (12%) und Anämie (11%) ausgemacht werden.

 

Die Übereinstimmung im kardiovaskulären Risikoprofil bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Herzinfarkten legt nach Ansicht der Studienautoren um Wereski die Vermutung nahe, dass es eine gemeinsame pathomechanistische Grundlage für beide Infarkttypen geben könnte. Dies würde bedeuten, dass es gelingen könnte, etwa durch eine verbesserte Blutzucker-, Blutdruck- oder Lipidkontrolle, auch Typ-2-Herzinfarkten wirksam vorzubeugen. Aber noch gibt es dafür keine überzeugenden Belege.


Literatur

Wereski R et al.: Risk factors for type 1 and type 2 myocardial infarction. Eur Heart J 2022; 43: 127–135. 

 


Das könnte Sie auch interessieren

Betablocker nach Herzinfarkt: Neue Studie soll endlich Klarheit schaffen

Dass Betablocker nach Herzinfarkt von klinischem Nutzen sind, haben Studien gezeigt, die schon Jahrzehnte alt sind. Darüber, ob deren Ergebnisse im Kontext der modernen Postinfarkttherapie noch Bestand haben, herrscht Unsicherheit. Eine große Studie soll nun für Klarheit sorgen.

Neue Hypertonie-Leitlinien: Wie Patienten mit Bluthochdruck heute behandelt werden sollten

Mit der Mitte 2018 erfolgten Aktualisierung der ESC-Hypertonie-Leitlinien sind wichtige praxisrelevante Neuerungen im Management von Patienten mit Bluthochdruck eingeführt worden. Sie waren auch Thema bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) 2019 in Mannheim.

50-Jähriger mit wiederholtem Brustschmerz – keine Stenose, sondern?

Dass Betablocker nach Herzinfarkt von klinischem Nutzen sind, haben Studien Ein 50-jähriger Patient wird wegen Brustschmerz und Ohnmachtsanfällen vorstellig. Eine ausgeprägte Stenose können die Kardiologen in der Koronarangiografie allerdings nicht feststellen. Stattdessen finden sie einen auffälligen Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum des Mannes.

Diese Seite teilen