Nachrichten 19.10.2017

Therapiestrategie nach Herzinfarkt: Weiterer Entzündungshemmer in Erprobung

In der CANTOS-Studie ist es erstmals gelungen, mit einem  Entzündungshemmer die Prognose von Herzinfarktpatienten zu verbessern. In einer Pilotstudie hat sich nun ein weiterer Entzündungshemmer als potenzieller Therapiekandidat in dieser Indikation qualifiziert – und der ist deutlich kostengünstiger als der in CANTOS verwendete Antikörper.

Mit dem Entzündungshemmer Canakinumab ist in der Phase III-Studie CANTOS ein Durchbruch in der kardiovaskulären Sekundärprävention gelungen. Erstmals ließ sich hier belegen, dass eine Hemmung der subklinischen Inflammation die Prognose von Herzinfarktpatienten verbessern kann. Die Hypothese, dass Entzündungsprozesse kausal an der Entstehung der Atherosklerose beteiligt sind, ist nun wissenschaftlich untermauert und nach Ansicht vieler Experten endgültig bewiesen.    

Atherosklerose durch Entzündung

Doch eine breit angewandte prophylaktische Therapie mit Canakinumab brächte erhebliche Kosten mit sich. Ob die Wirkung des vollhumanisierten Antikörpers, die nicht so hoch ausgefallen war wie manch einer erhofft hatte, solche Summen rechtfertigt, ist daher zweifelhaft.

Canakinumab ist aber nicht der einzige Entzündungshemmer, der in dieser Indikation geprüft wird. Ein weiterer, deutlich günstigerer Therapiekandidat ist Cholchicin.

Das Alkaloid der Herbstzeitlosen unterbindet die Bildung des Spindelfaseraufbaus während der Mitose und verhindert dadurch die Zellteilung. Aufgrund seiner antientzündlichen Effekte wird das Medikament bereits zur Therapie der Gicht und der Perikarditis eingesetzt.

Pilotstudie mit Cholchicin

Die Ergebnisse einer Pilotstudie der Arbeitsgruppe um Dr. Kaivan Vaidya aus Sydney bescheinigen Cholchicin nun auch Fähigkeiten, die die Substanz für die kardiovaskuläre Sekundärprävention geeignet erscheinen lassen. In der nicht-randomisierten Beobachtungsstudie erhielten insgesamt 80 Patienten, die im zurückliegenden Jahr ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten hatten, entweder niedrig dosiertes Cholchicin (0,5 mg/Tag) on top zu einer optimal eingestellten Statintherapie oder die alleinige lipidsenkende Behandlung.

Die Cholchicin-Therapie brachte eine zusätzliche Stabilisierung der Plaque-Morphologie. So fiel die mittels CT-Angiografie bestimmte Reduktion des Volumens an sog. weichen Plaques bei den mit Cholchicin behandelten Patienten signifikant deutlicher aus als bei den Teilnehmern mit alleiniger Statintherapie (15,9 [-40,9%] vs. 6,6 mmᶟ [-17,0%]). Als weiche Plaques bezeichnet man nicht oder nur wenig kalzifizierte Ablagerungen in den Koronarien, die sich leicht ablösen und dadurch einen Gefäßverschluss verursachen können.

Plaque-Stabilisierung zusätzlich zur Statintherapie

Da solche weichen Plaques in der Bildgebung auf eine Instabilität hinweisen und mit dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse korrelierten, seien diese Ergebnisse durchaus interessant, erkennen der Studienleiter von CANTOS, Prof. Paul Ridker, und Prof. Jagart Narula in einem Editorial an. Es scheine also, dass Cholchicin die Morphologie vulnerabler Plaques positiv beeinflussen könne.

Diese veränderte Plaque-Morphologie ist nach Ansicht der Studienautoren nicht allein auf die LDL-Reduktion durch Statine zurückzuführen, sondern auch auf die antiinflammatorischen Effekte von Colchicin. Denn die LDL-C-Senkung sei in beiden Gruppen vergleichbar gewesen, machen sie aufmerksam.

Weitere Therapieoption in der Sekundärprävention

Für diese These spricht auch, dass die Konzentrationen des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (hsCRP) unter der Therapie mit Colchicin deutlich gesunken waren (–37,3 vs. – 14,6%). Darüber hinaus korrelierte die Höhe der CRP-Spiegel mit der Höhe des Plaque-Volumens.

Colchicin erwies sich in der niedrigen Dosis als sicher. Innerhalb von einem Jahr kam es bei gerade einmal einem Patienten zu gastrointestinalen Beschwerden. 

Die Studienautoren könnten sich daher vorstellen, dass Colchicin als zusätzliche Therapieoption in der Sekundärprävention von Herzinfarktpatienten eingesetzt werden könnte. Denn eine Statintherapie alleine führe oftmals nicht zu der erforderlichen Plaque-Stabilisierung, weshalb es einen Bedarf an neuen Substanzen gebe, die das Restrisiko der Patienten weiter reduzieren.  „Entsprechend könnte eine synergistische Behandlung mit Cholchicin und einem Statin die Therapiestrategie bei Atherosklerose-Patienten fundamental verändern“, resümieren Vaidya und Kollegen.

Keinen signifikanten Effekt hatte Cholchicin allerdings auf das Atherom-Volumen, das unter der Therapie trotz allem tendenziell stärker zurückgegangen war (um 42,3 vs. 26,4 mmᶟ; p=0,28).

Abwarten muss man, ob sich eine solche Beeinflussung von Surrogatparametern letztlich in eine Reduktion harte klinische Endpunkte übersetzt. Rückschlüsse darüber können selbstverständlich nur randomisierte Studien mit größeren Patientenzahlen liefern.

Als weiterer Entzündungshemmer in der Sekundärprävention von Herzinfarktpatienten steht im übrigen Methotrexat hoch im Kurs. Die Wirksamkeit des Zytostatikums in dieser Indikation wird  bereits in einer großen Endpunktstudie namens „Cardiovascular Inflammation Reduction Trial“ (CIRT) untersucht.

Literatur

Vaidyaa K, Arnotta C, Martínezc G, et al. Colchicine Therapy and Plaque Stabilisation in Acute Coronary Syndrome Patients: A CT Coronary Angiography Study. JACC: Cardiovascular Imaging 2017

Ridker P, Narula J. Will Reducing Inflammation Reduce Vascular Event Rates? JACC: Cardiovascular Imaging 2017

Highlights

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Myokarditis – eine tödliche Gefahr

In der vierten Ausgabe mit Prof. Andreas Zeiher geht es um die Myokarditis. Der Kardiologe spricht über Zusammenhänge mit SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Impfungen und darüber, welche Faktoren über die Prognose entscheiden.

Aktuelles und Neues aus der Kardiologie

Süßstoff Erythrit könnte Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko erhöhen

Mit Süßstoff gesüßte Lebensmittel, sog. Light-Produkte, werden oftmals als gesundheitsfördernd propagiert. Doch offenbar scheinen sie genau das Gegenteil zu bewirken, wie aktuelle Untersuchungen nahelegen.

Hypertrophe Kardiomyopathie kein Argument gegen Sport

Wer an einer hypertrophen Kardiomyopathie leidet und regelmäßig Sport mit Belastungen über 6 MET betreibt, riskiert damit keine arrhythmischen Komplikationen, so das Ergebnis einer großen prospektiven Studie. Eine Voraussetzung muss jedoch erfüllt sein.

Herzinsuffizienz: Erinnerungstool fördert MRA-Verschreibung

In der BETTER-CARE-HF-Studie wurden zwei Systeme getestet, die Ärzte und Ärztinnen darüber benachrichtigen, welche ihrer Herzinsuffizienzpatienten für eine MRA-Therapie geeignet sind. Eines davon war besonders erfolgreich beim Erhöhen der Verschreibungsrate.

Aus der Kardiothek

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Rhythmus-Battle: Vom EKG zur Therapie 2

Nicht immer sind EGK-Befunde eindeutig zu interpretieren, und nicht immer gibt es eine klare Therapieentscheidung. In diesem zweiten Rhythmus-Battle debattieren Prof. Lars Eckardt, Prof. Christian Meyer und PD Dr. Stefan Perings über ungewöhnliche EKG-Fälle aus der Praxis. Wie würden Sie entscheiden?

Kardiovaskuläre und ANS-Manifestationen von Covid-19 und Long-Covid

In der Akutphase und auch im weiteren Verlauf kann eine SARS-CoV-2-Infektion eine Herzbeteiligung verursachen. Prof. Thomas Klingenheben gibt einen Update über den aktuellen Wissenstand solcher Manifestationen, und erläutert, was hinter dem Syndrom „Long-COVID“ steckt.

Kardio-Quiz März 2023/© Stephan Achenbach, Medizinische Klinik 2, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Podcast-Logo/© Springer Medizin Verlag GmbH (M)
Rhythmus-Battle 2023/© Portraits: privat
kardiologie @ home/© BNK | Kardiologie.org