Nachrichten 08.05.2020

Kein höheres Infektionsrisiko durch Secondhand-Schrittmacher

Zu wertvoll für den Sondermüll: Explantierte kardiale Implantate wie Herzschrittmacher oder ICDs können nach erneuter Sterilisation etwa bei Herzpatienten in ärmeren Ländern ohne erhöhtes Infektionsrisiko wiederverwendet werden, wie Daten einer kontrollierten Studie nahelegen.

Schrittmacher oder implantierte Defibrillatoren (ICD) Verstorbener werden zumeist als Sondermüll entsorgt oder einfach mitbeerdigt. Schon seit langem wird über eine mögliche Wiederverwendung der teuren kardialen Implantate im Fall noch relativ langer Batterielaufzeiten etwa in Ländern mit begrenzten finanziellen Ressourcen diskutiert. Als Barriere für die Nutzung von kardialen Secondhand-Geräten in ärmeren Ländern, in denen eine krasse Unterversorgung  herrscht, hat sich aber die Sorge wegen eines erhöhten Risikos für Infektionen bei Zweitnutzern erwiesen.

Solche Bedenken scheinen aber unbegründet zu sein, wie nach kleineren unkontrollierten Studien nun auch eine relativ große kontrollierte Studie nahelegt: Ihre im „New England Journal of Medicine“ publizierten Ergebnisse, die auf Daten von mehr als 1000 Patienten mit gebrauchten kardialen Devices basieren, sprechen gegen ein erhöhtes Risiko für Infektionen im Fall einer Wiederverwendung.

Projekt zur Wiederverwendung schon 1983 gestartet

Ihren Anfang nahm die aktuelle Studie in einer Initiative von kanadischen Kardiologen am Montreal Heart Institute. Dort hat man in Kooperation mit Bestattungsunternehmen und Krematorien in der Provinz Quebec schon 1983 damit begonnen, explantierte Schrittmacher und Defibrillatoren zur Wiederverwendung an Zentren in ärmeren Ländern abzugeben. Im Jahr 2003 ist das Projekt dann in ein prospektives Register (Heart to Heart Registry) überführt worden, das der Nachbeobachtung von mit gebrauchten Geräten versorgten Patienten dienen sollte.

Eine von Dr. Paul Khairy vom Montreal Heart Institute geleitete Untersuchergruppe hat nun die Registerdaten von 1.051 Patienten aus Guatemala, Honduras, Mexico und der Dominikanischen Republik bezüglich der Häufigkeit von Infektionen nach Implantation gebrauchter kardialer Devices ausgewertet. Als Kontrollgruppe dienten 3153 per „Matching“ zugeordnete Patienten, die in Montreal einer Implantation neuer Geräte unterzogen worden waren. Rund drei Viertel aller implantierten Devices waren Herzschrittmacher.

Infektionsraten unterschieden sich nicht signifikant

Im Verlauf von zwei Jahren waren bei den im Register erfassten Patienten 21 Infektionen (2.0%) und bei den Patienten der Kontrollgruppe 38 Infektionen (1.2%) zu verzeichnen (Hazard Ratio, 1,66; 95% Konfidenzintervall [CI], 0,97 – 2,83; p=0,06). Device-bezogene Todesfälle wurden in keiner der beiden Gruppen beobachtet. Die meisten Infektionen wurden sowohl bei wiederverwendeten als auch bei neuen Geräten durch Staphylococcus aureus hervorgerufen (61,9% bzw. 60,5%).

Nach Ansicht der Autoren um Khairy stehen die Ergebnisse ihrer Studie im Einklang mit denen einer Metaanalyse von neun kleineren monozentrischen Studien bei insgesamt 757 Patienten aus Mexico, Südafrika, Rumänien und Indien. Bei ihnen betrug die Infektionsrate nach Erhalt gebrauchter Devices innerhalb von drei Jahren ebenfalls 2%, im Vergleich zu 1,8% bei – allerdings nicht “gematchten” – Kontrollpatienten mit neuen Geräten.

Nur kleiner Anteil an Geräten zur Wiederverwendung geeignet  

Nach den Erfahrungen der Gruppe um Khairy kommt aber nur ein geringer Teil aller gebrauchten kardialen Devices für eine Wiederverwendung infrage. Zwischen 1983 und 2017 hat die Gruppe insgesamt knapp 14.000 Schrittmacher oder ICDs  auf ihre mögliche Wiederverwendbarkeit geprüft. Davon konnten de facto aber nur 1.740 Geräte (12,5%) an die beteiligten Zentren abgegeben werden. Mehr als 12.000 Geräte mussten wegen entdeckter Beschädigungen oder zu kurzer Batterielaufzeiten aussortiert werden.

Literatur

Khairy T.F. et al.:Infections associated with resterilized pacemakers and defibrillators.  N Engl J Med. 2020; 382:1823-1831

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