So häufig sind Rhythmusstörungen bei COVID-19-Patienten
Nicht wenige COVID-19-Patienten entwickeln Rhythmusstörungen – und diese scheinen den Erkrankungsverlauf deutlich zu verkomplizieren.
Anekdotische Berichte über vermehrt auftretende Rhythmusstörungen bei COVID-19-Patienten gibt es viele. Nun haben britische Ärzte um Dr. Chad Colon das Auftreten dieser Komplikation systematisch ausgewertet.
Mehr als jeder fünfte Intensivpatient entwickelt Arrhythmien
In ihrer Klinik in Birmingham haben 16,5% der zwischen 29. Februar und 10. April eingewiesenen Patienten mit einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion im weiteren Verlauf eine Rhythmusstörung entwickelt. Alle betroffenen Patienten befanden sich auf Intensivstation, womit die Arrhythmie-Rate bei intensivmedizinisch behandelten Patienten bei 27,5% lag. Bei COVID-19-Patienten auf der Allgemeinstation wurden dagegen keine Arrhythmie-Episoden dokumentiert.
Besonders häufig war Vorhofflimmern
Auffällig ist, dass alle im 12-Kanal-EKG detektierten Arrhythmien den Vorhof betrafen: Zwölf Patienten entwickelten Vorhofflimmern, sechs Vorhofflattern und einer eine atriale Tachykardie. Bei drei Patienten, die Vorhofflimmern entwickelten, trat dieses Ereignis allerdings nicht zum ersten Mal auf, bei zwei weiteren Patienten mit Vorhofflimmern in der Vorgeschichte ließ sich im Kontext der SARS-CoV-2-Infektion kein entsprechendes Ereignis dokumentieren.
Eindeutige Parameter, die derartige Komplikationen begünstigen, konnten die Ärzte nicht wirklich ausfindig machen. Tendenziell waren die Patienten älter und wiesen höhere CRP- und D-Dimer-Konzentrationen auf. Die Werte von BNP und hochsensitiven Troponin unterschieden sich aber nicht. Überraschenderweise erhöhte eine Behandlung mit Remdesivir, Hydroxychloroquin oder Azithromycin das Arrhythmie-Risiko in dieser Untersuchung nicht.
Zustand verschlechtert sich in der Folge häufig
Was Colon und Kollegen aber feststellen konnten, war eine deutliche Verschlechterung der Prognose, wenn es zu arrhythmischen Episoden kam. So war die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung signifikant mit dem Auftreten von Rhythmusstörungen assoziiert (p=0,0002). Der hämodynamische Zustand verschlechterte sich bei mehr als der Hälfte innerhalb einer Stunde nach Auftreten der Arrhythmie (bei 10 von 19). Bei neun Patienten musste in der Folge eine Vasopressor-Behandlung initiiert oder die Dosis gesteigert werden (Noradrenalin-Dosis im Schnitt um 0,21 μg/kg/min erhöht), ein Patient wurde direkt kardiovertiert.
Behandelt wurden die Patienten u.a. mit Amiodaron (9 von 19), bei sieben Patienten stellte sich in der Folge ein Sinusrhythmus ein. Zwölf Patienten erhielten eine Antikoagulation, bei den anderen bestand eine entsprechende Kontraindikation.
Jeder fünfte Patient ist gestorben
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lag die durchschnittliche Arrhythmie-Dauer bei knapp sieben Tagen. Fünf Patienten (26,3%) verstarben im weiteren Verlauf, zehn konnten im Sinusrhythmus entlassen werden, vier hatten immer noch Vorhofflimmern.
„Atriale Arrhythmien sind häufig bei Patienten mit COVID-19, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen“, schließen Colon und sein Team aus ihren Daten. Und diese Arrhythmien verkomplizierten den Verlauf der schwerer erkrankten Patienten mit dieser Infektion, führen sie die prognostische Bedeutung aus.
Allerdings lässt sich aus diesen Daten nicht mit Sicherheit sagen, ob die Arrhythmie-Episoden kausal für den sich verschlechternden Zustand der Patienten verantwortlich waren oder ob diese die Folge eines bereits fortgeschrittenen Infektionsverlaufs darstellten.
Literatur
Colon CM et al. Atrial Arrhythmias in COVID-19 Patients, JACC: Clinical Electrophysiology 2020, DOI: 10.1016/j.jacep.2020.05.015.