Auch nach COVID-19-Impfung kommt es wohl gehäuft zu Kreislaufstörungen, aber…
Neue Daten legen nahe, dass es nach einer COVID-19-Impfung in seltenen Fällen zu einem sog. posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndrom, kurz POTS, kommen kann. Das Risiko, eine solche Kreislaufstörung zu entwickeln, ist jedoch um ein Vielfaches geringer als nach einer Corona-Infektion.
Es scheint so, als könnte es auch in Folge einer COVID-19-Impfung zu einem posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndrom (POTS) kommen. Über einen entsprechenden Zusammenhang berichten Kardiologen um Alan Kwan, Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles, in der Fachzeitschrift Nature cardiovascular research. Wie die Autoren betonen, hat es aber vergleichsweise wenige Fälle solcher Kreislaufstörungen im Kontext mit der COVID-Impfung gegeben. Die Rate sei ungefähr fünfmal niedriger als nach einer SARS-CoV-2-Infektion, ordnen sie die Ergebnisse ein.
Starker Herzfrequenz-Anstieg beim Aufrichten
Beim POTS handelt es sich um eine besondere Art der Kreislaufdysregulation, die durch eine orthostatische Tachykardie kenngezeichnet ist: Bedeutet, wenn Patienten mit einem POTS aufstehen, steigt ihre Herzfrequenz stark an, sie leiden typischerweise an Palpitationen, Schwindel, Kopfschmerzen, Fatigue, Präsynkopen und Sehstörungen. Im Gegensatz zur orthostatischen Hypotension bleibt der Blutdruck im Falle eines POTS stabil (Abfall von höchstens 20 mmHg).
Diagnoseweisend ist eine Kipptischuntersuchung bzw. ein Schellong-Test: Im Falle eines POTS erhöht sich die Herzfrequenz beim Aufrichten in die stehende Position um mind. 30 Schläge/Minute.
POTS als potenzielles Symptom eines postakuten COVID-19-Syndroms
Entsprechende Kreislaufstörungen wurden in den letzten Jahren gehäuft in Verbindung mit SARS-CoV-2-Infektionen beobachtet (z.B. in diesem Bericht). Angesicht der Studienlage ist das POTS inzwischen als mögliches Symptom eines postakuten COVID-19-Syndroms anerkannt (mehr dazu lesen Sie hier). Es gibt aber auch Berichte über POTS-Fälle, die im Kontext einer COVID-Impfung aufgetreten sind. Ein solcher Zusammenhang erscheint auch deshalb plausibel, weil über entsprechende Fälle auch in Verbindung mit HPV-Impfungen berichtet wurde, wie Kwan und sein Team in der Publikation erörtern.
Zusammenhang mit Impfung gezeigt …
Die Kardiologen haben sich deshalb zum Ziel gesetzt, diese Vermutung mithilfe von retrospektiven Daten aus dem Cedars-Sinai Health System in Los Angeles zu verifizieren. In der Datenbank konnten sie 284.592 Menschen ausfindig machen, die zwischen 2020 und 2022 eine COVID-Impfung erhalten haben. Sie verglichen die Anzahl von POTS-Fällen, die 90 Tage nach der COVID-Impfung erstmalig aufgetreten sind, mit den Fällen, die 90 Tage vor der Impfung diagnostiziert worden sind.
Laut dieser Analyse war die Wahrscheinlichkeit, nach der Impfung an einem POTS zu erkranken, um das 1,5-Fache höher als im Zeitraum davor (Odds Ratio, OR: 1,52; p˂ 0,001). Für einen Zusammenhang spricht auch, dass die Odds Ratio für eine POTS-Neudiagnose (Raten nach der Impfung im Verhältnis zu den Raten im Zeitraum davor) höher war als die entsprechende Odds Ratio für andere Erkrankungen, die typischerweise in der Hausarztpraxis diagnostiziert werden; die Odds Ratio für eine Myokarditis war aber deutlich höher (OR: 2,57). Trotz allem könne man wegen des beobachtenden Designs der Studie nicht auf eine Kausalität zwischen der COVID-Impfung und der Entwicklung eines POTS schließen, machen Kwan und Kollegen deutlich.
… aber das Risiko ist nach der Infektion deutlich höher
Die Autoren weisen des Weiteren darauf hin, dass die Inzidenz von POTS-Neudiagnosen im Kontext einer COVID-19-Impfung eher gering gewesen war (insgesamt 4.526 Fälle). Ebenfalls wichtig für die Einordnung der Ergebnisse: Nach einer COVID-Infektion ist es den aktuellen Daten zufolge viel wahrscheinlicher, ein POTS zu entwickeln, als nach einer COVID-Impfung, in der Studie war das Risiko um das 5,35-Fache höher (p ˂ 0,001).
Literatur
Kwan A et al. Apparent risks of postural orthostatic tachycardia syndrome diagnoses after COVID-19 vaccination and SARS-Cov-2 Infection. Nat Cardiovasc Res 2022. https://doi.org/10.1038/s44161-022-00177-8