Myokarditis nach COVID-19-Impfung: Viel bessere Prognose als nach Virusmyokarditis
Myokarditis ist nicht gleich Myokarditis – das zeigen neue Daten aus Hongkong: Das Sterberisiko nach impfassoziierten Myokarditiden war nämlich um ein vielfaches geringer als nach viralbedingten Herzmuskelentzündungen. Das ist beruhigend, wenngleich sich über die Vergleichsgruppe streiten lässt.
Mit schwerwiegenden kardialen Komplikationen ist nach impfassoziierten Myokarditiden offenbar im kommenden halben Jahr nicht zu rechnen. In einer retrospektiven Kohortenstudie aus Hongkong war das Sterberisiko nach solchen Herzmuskelentzündungen sehr gering – und zwar um ein Vielfaches geringer als nach viralbedingten Myokarditiden.
Angesichts dieser Zahlen ist den Autoren zufolge von einer günstigen Prognose nach impfassoziierten Myokarditiden auszugehen: „Die Prognose nach einer solchen iatrogenen Gegebenheit könnte weniger schwerwiegend sein als nach einer auf natürlicheweise erworbenen Virusinfektion-bedingten Myokarditis“, schreiben Dr. Francisco Tsz Tsun Lai und Kollegen in der Publikation im JACC.
Akutverläufe bei impfassozierten Myokarditiden sind milde
Mit dieser Aussage stützen Lai und sein Team eine These, die schon länger im Raum steht: Myokarditiden, die mit COVID-19-mRNA-Impfungen in Verbindung gebracht werden, scheinen anders zu verlaufen als klassische viralbedingte Herzmuskelentzündungen. Bereits in der Akutphase zeigten impfassoziierte Myokarditiden überwiegend milde Verläufe: Oft heilte die Entzündung von alleine aus, die linksventrikuläre Pumpfunktion der betroffenen Patienten war meist normal, im Kardio-MRT ließen sich im Follow-up meist keine Auffälligkeiten mehr nachweisen. Trotz allem bleibt eine gewisse Unsicherheit, ob impfassozierte Myokarditiden auf lange Sicht vielleicht doch noch Komplikationen verursachen könnten.
Umso wichtige sind die jetzt im JACC publizierten Daten aus Hongkong, die zumindest eine Zeitspanne von sechs Monaten abdecken (was selbstverständlich noch keine Langzeitdaten sind). Ziel dieser Untersuchung war es, die Prognose nach Myokarditiden, die im Kontext von Impfungen mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff (BNT162b2) aufgetreten waren, mit der Prognose nach klassischen viral bedingten Herzmuskelentzündungen zu vergleichen.
Aus einer elektronischen Gesundheitsdatenbank, die ganz Hongkong abdeckt, extrahierten Lai und Kollegen alle zwischen 6. März 2021 und 31. März 2022 aufgetretenen Myokarditiden, die bei ≥ 12-Jährigen innerhalb von 28 Tagen nach einer mRNA-Impfung mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff aufgetreten waren, das waren 104 Fälle. Als Vergleichskohorte wurden Herzmuskelentzündungen herangezogen, die vor der Pandemie (2000–2019) im Zusammenhang mit einer Virusinfektion registriert worden waren, das waren 762 Fälle. COVID-19-bedingte Myokarditiden waren von der Analyse ausgeschlossen.
92% geringeres relatives Sterberisiko
Während des Beobachtungszeitraumes von 180 Tagen ist ein Patient, bei dem eine impfassoziierte Myokarditis diagnostiziert worden war, verstorben (1%). In der Vergleichskohorte kam es zu 84 Todesfällen (11 %). Das relative Sterberisiko war damit für Personen mit impfassoziierten Myokarditiden um 92% geringer als für Patientinnen und Patienten, die von einer Virusmyokarditis betroffen waren, und zwar nach Adjustierung auf Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und weiteren Einflussfaktoren (Hazard Ratio, HR: 0,08).
Nicht nur Todesfälle, sondern auch kardiale Komplikationen traten bei den Patienten mit Impfmyokarditiden während der sechs Monate deutlich seltener auf: in 1,0% (nach Impfmyokarditis) vs. 3,7% (nach Virusmyokarditis) der Fälle wurde eine dilatative Kardiomyopathie diagnostiziert, in 1,9% vs. 12,2% eine Herzinsuffizienz.
Die günstigere Prognose von impfassoziierten Myokarditiden könnte den Studienautoren zufolge in der unterschiedlichen Ätiologie begründet sein. Eine Immunantwort, z.B. auf eine Impfung, sei typischerweise nur ein kurzer Stimulus, dem das Myokard ausgesetzt sei. Im Falle einer virusbedingten Myokarditis komme es dagegen zu einer direkten Invasion der Myokardzellen, die in einer direkten Schädigung von Kardiomyozyten resultiere, führen sie ihre These aus.
Beruhigende Daten, aber die Vergleichsgruppe ist nicht ideal
Dass die aktuellen Ergebnisse für Beruhigung sorgen, sehen auch Dr. Peter Liu und Dr. Tahir Kafil so. Allerdings erachten die in Kanada tätigen Wissenschaftler die gewählte Vergleichsgruppe als „nicht ideal“, wie sie in einem Editorial ausführen. Patienten mit einer viralen Myokarditis stellten eine sehr heterogene Gruppe dar, argumentieren sie. Saisonale Viruswellen, zugrunde liegende Begleiterkrankungen, die schwierige Diagnosestellung (eine definitive Diagnose kann nur durch eine Endomyokardbiopsie gestellt werden) – all das beeinflusse die Vergleichbarkeit. COVID-19-induzierte Myokarditiden wären ihrer Ansicht nach als Vergleichsgruppe besser geeignet gewesen.
Bisher in Studien gezogene Vergleiche zwischen impf- vs. SARS-CoV-2-assoziierten Myokarditiden entsprechen allerdings dem Bild der aktuellen Studie: So kamen in einer US-Studie, in welcher Gesundheitsdaten von über 15 Millionen US-Bürgern ausgewertet worden sind, kardiale Ereignisse nach COVID-19-induzierten Myokarditiden 1,8- bis 5,6-Fach häufiger vor als nach impfassoziierten Myokarditiden.
Ganz zurücklehnen sollte man sich deshalb trotzdem nicht, wie Liu und Kafil am Ende ihres Editorials betonen: „Auch wenn die aktuelle Studie einen beruhigenden initialen Blick auf das 6-Monats-Outcome nach BNT162b2-Impfungen liefert, ist es deshalb noch nicht an der Zeit, die Ärmel runterzukrempeln.“
Literatur
Lai FTT et al. Prognosis of Myocarditis Developing After mRNA COVID-19 Vaccination Compared With Viral Myocarditis; JACC 2022; 80(24): 2255-65; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2022.09.049