Erhöhtes Vorhofflimmern-Risiko nach COVID-19-Erkrankung
Erneut bestätigt sich: SARS-CoV-2-positive Patienten, die in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, haben ein erhöhtes Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln. Offen bleibt, was das für Diagnostik und Therapie bedeutet.
Dass eine SARS-CoV-2-Infektion die Entstehung von Vorhofflimmern begünstigen kann, wird schon länger vermutet. Nun quantifiziert eine große retrospektive Analyse das Ausmaß der Risikoerhöhung. Wie die Autoren um Dr. Jakob Wollborn berichten, haben hospitalisierte COVID-19-Patienten ein um 20 bis 60% erhöhtes Risiko, während des Krankenhausaufenthaltes Vorhofflimmern/Vorhofflattern zu entwickeln.
„Unter Einsatz von Daten aus unserer Datenbank, die über 100.000 Patienten einbezieht, konnten wir eine direkte Assoziation von COVID-19 und Vorhofflimmern aufzeigen“, führen die Mediziner vom Brigham and Women’s Hospital in Boston aus.
Ausgewertet für die aktuelle Analyse wurden elektronische Gesundheitsdaten des „Mass General Brigham hospital system“, dabei handelt es sich um ein Netzwerk aus mehreren in Boston ansässigen Kliniken. Die US-Wissenschaftler screenten alle zwischen Dezember 2019 und Februar 2021 in den fünf beteiligten großen Kliniken stationär aufgenommenen erwachsenen Patientinnen und Patienten. Sie differenzierten nach dem Zeitpunkt Klinikaufnahme: vor der Pandemie (12/2019–02/2020; n = 27.109) und während der Pandemie (03/2020–02/2021; n= 88.343). Zum anderen unterteilten sie die während der Corona-Pandemie hospitalisierten Patienten in zwei Gruppen: solche mit positivem PCR-Test auf COVID-19 (n= 5.104) und solche, deren Testergebnis negativ ausgefallen war (n=48.899).
Signifikant erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern
Anschließend bildeten die US-Mediziner aus 11.004 negativ getesteten Patienten und 3.090 COVID-19-positiven Patienten hinsichtlich Alter, Geschlecht und Begleiterkrankung vergleichbare Paare. Darüber hinaus wurden 5.005 Patientinnen und Patienten, die vor Pandemiebeginn im Krankenhaus behandelt worden sind, mit 2.283 während der Pandemie COVID-19-positiv getesteten Patienten gematcht.
Nach Adjustierung auf demografische Faktoren und Komorbiditäten war das Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern für Patienten mit positivem COVID-19-Testergebnis um 19% höher als für negativ getestete Patienten (Odds Ratio, OR: 1,19; 95%-KI: 1,00–1,41; p= 0,0495). Im Vergleich zu Patienten, die vor der Pandemie ins Krankenhaus gekommen waren, war das Risiko für die COVID-positiven Patienten sogar um 57% erhöht (OR: 1,57; 95%-KI: 1,23–2,00; p=0,0003).
COVID-19-Patienten auf Vorhofflimmern screenen?
Was folgt daraus für die Praxis? Auf diese Frage können die US-Mediziner um Wollborn angesichts der derzeitigen Datenlage keine eindeutige Antwort geben. Zwar weisen sie darauf hin, dass ein Check auf potenzielle Rhythmusstörungen nach eine COVID-Erkrankung gerechtfertigt sein könnte. Doch müsse erst noch ermittelt werden, ob ein dezidiertes Screening (z.B. bei positiv getesteten Patienten im ambulanten Setting) Komplikationen verringern könne, geben sie zu bedenken. Ebenso stellt sich die Frage nach den therapeutischen Konsequenzen: Könnte es beispielsweise Sinn machen, COVID-positive Patienten mit einem erhöhten Vorhofflimmern-Risiko mit einer oralen Antikoagulation zu behandeln? Eine Frage, die laut der Autoren ebenfalls in Studien geklärt werden sollte. Bisherige Untersuchungen zum Nutzen einer therapeutischen Antikoagulation bei COVID-Patienten kamen nämlich zu eher diskrepanten Ergebnissen (mehr dazu lesen Sie hier).
Mit Blick auf die langfristige Prognose wäre es auch wichtig, zu wissen, ob die gehäuften Vorhofflimmern-Detektionen nach einer COVID-Erkrankung nur ein vorübergehendes Phänomen darstellen oder ob die betroffenen Patientinnen und Patienten ein dauerhaft erhöhtes Arrhythmie-Risiko tragen.
Literatur
Wollborn J et al. COVID‑19 increases the risk for the onset of atrial fibrillation in hospitalized patients. Sci Rep 12, 12014 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-16113-6