Wie sich der plötzliche Herztod besser verhindern lässt
Der plötzliche Herztod ist immer noch eine häufige Todesursache. Auf den DGK Herztagen diskutierten Experten, wie man die Bevölkerung besser schützen kann und welche Rolle die Defi-Weste hierbei spielt.
Der plötzliche Herztod stellt Ärzte noch immer vor eine Herausforderung. Häufig tritt er ohne Vorankündigung ein. Bilder von jungen Sportlern, die plötzlich umfallen, sorgen regelmäßig für Aufsehen in den Medien. Es gebe zwar Risikogruppen, die besonders gefährdet seien, doch zahlenmäßig treffe es am häufigsten die Allgemeinbevölkerung, berichtete Prof. Thomas Deneke aus Bad Neustadt auf den DGK Herztagen in Berlin. Den größten Präventions-Erfolg könnte man deshalb erreichen, wenn man in der Allgemeinbevölkerung jene Personen identifizieren würde, die gefährdet seien, um sie entsprechend schützen zu können.
„Ein plötzlicher Herztod ist schwer zu definieren“, führte Deneke die Problematik weiter aus. Mehrere Mechanismen könnten ein solches Ereignis auslösen, Arrhythmien, akutes Pumpversagen, Lungenembolie usw..
Risikopatienten identifizieren
Ein gefährdetes Patientenkollektiv sind Menschen, die einen Herzinfarkt überlebt haben und deren linksventrikuläre Auswurffraktion (EF) eingeschränkt bleibt. In solchen Fällen ist die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) indiziert. Doch die EF sei kein wirklich guter Parameter mehr, um das Herztod-Risiko von Patienten mit Herzinsuffizienz einschätzen zu können, gab Deneke zu bedenken. Die Medikamente seien nämlich so gut, dass sich das Herztod-Risiko für diese Patienten in den vergangenen 30 Jahren fast halbiert habe.
Zunehmend gibt es deshalb Bestrebungen, bessere Prädiktoren zu finden, beispielsweise über bildgebende Verfahren wie das MRT oder CT, mit denen Narbenareale im Herzen dargestellt werden können. Mithilfe von Modellen lässt sich so das Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien vorhersagen.
Wie sinnvoll ist die Defi-Weste?
Bei nicht wenigen Patienten mit neu diagnostizierter Herzinsuffizienz erholt sich die EF nach einiger Zeit wieder. In den aktuellen Leitlinien wird eine ICD-Implantation deshalb erst dann empfohlen, wenn die EF nach einer mindestens dreimonatigen optimierten Pharmakotherapie immer noch ≤35% liegt. In der vulnerablen Übergangsphase könnte solchen Patienten das Tragen einer Defibrillatorweste Schutz bieten.
Die Ergebnisse der ersten randomisierten Studie, die die sogenannte Life-Vest in dieser Indikation geprüft hatte, waren – wie Deneke sich ausdrückte – aber „eher frustrierend“. In der VEST-Studie hatte die Defi-Weste das Risiko für einen plötzlichen Herztod nämlich nicht minimieren können, das Sterberisiko seltsamerweise aber schon.
Ergebnisse der VEST-Studie „eher frustrierend“
Die Studie habe einige Limitationen, erklärte sich Deneke den Studienausgang. Viele Patienten in der Verumgruppe hätten die Weste gar nicht angefasst; im Schnitt lag die Tragezeit in dieser Studie bei 18 Stunden. „Und die Weste kann nur funktionieren, wenn sie auch getragen wird.“ In einer deutschen Registerstudie hätten die Patienten die Weste 22 bis 23 Stunden am Tag getragen. Die positive Nachricht: Wird die Weste getragen, funktioniert sie Deneke zufolge „hervorragend“.
Als Grund für die mangelnde Adhärenz in der VEST-Studie nennt Deneke die fehlende Motivation der Patienten. Der Umgang mit der Weste müsse intensiv geschult werden. Wie Prof. Philipp Sommer weiter ausführte, ist die Weste vielen Patienten unangenehm, Hautirritationen seien häufig. „Daher macht es auch keinen Sinn, sie großflächig einzusetzen“, resümierte der Kardiologe aus Würzburg.
„Ein großflächiger Einsatz macht keinen Sinn“
Trotzdem halten Sommer und Deneke den ausgewählten Einsatz der Weste im Klinikalltag für sinnvoll. Ein potenzielles Einsatzgebiet sei beispielsweise die Phase kurz nach Diagnose einer Herzinsuffizienz. Die Weste könne dann solange Schutz bieten, bis die Wirkung der Medikamente einsetze. Auch für Patienten, denen ein ICD explantiert werden muss, kann die Weste sinnvoll sein, nämlich als Überbrückungslösung, bis ein neues Gerät implantiert wird.
Wie die Weste in der VEST-Studie die Gesamtsterblichkeit gesenkt haben soll, ohne dabei das Risiko für einen plötzlichen Herztod zu reduzieren, dafür haben auch die Experten keine wirklich schlüssige Erklärung. „Ich kann die diesbezügliche Argumentation des Herstellers nicht wirklich nachvollziehen“, kommentierte Deneke. Rein hypothetisch könne es sein, dass über die Monitoring-Funktion der Weste mehr Vorhofflimmern detektiert worden sei und die Patienten deshalb häufiger eine orale Antikoagulation erhalten haben.
Literatur
Pressekonferenz bei den DGK-Herztagen, 11. – 13. Oktober 2018