Nachrichten 07.10.2022

Nach erster Vorhofflimmern-Episode: sofort abladieren oder abwarten?

Inzwischen gibt es Studien, die zeigen, dass eine Katheterablation effizienter ist als eine antiarrhythmische Pharmakotherapie. Macht es deshalb Sinn, bei Erstmanifestation von Vorhofflimmern sofort zu abladieren? Ein Experte sucht bei den DGK Herztagen nach Antworten.

„Ablation nach Erstmanifestation – oder doch lieber warten?“ – so war der Titel einer Sitzung bei den diesjährigen DGK Herztagen in Bonn. Früher wäre die Antwort auf diese Frage ziemlich eindeutig gewesen. „Wir hätten sie mit mehrheitlich ‚lieber warten‘ beantwortet“, erinnerte der Referent PD Dr. Bülent Köktürk, Sana Krankenhaus Düsseldorf-Benrath, an die vergangenen Zeiten. Doch inzwischen kann man, wie der Kardiologe im Anschluss ausführte, darüber aufgrund neuer Daten durchaus diskutieren.

EAST-AFNET-4 hat zum Umdenken geführt

In dieser Diskussion darf natürlich die EAST-AFNET-4-Studie nicht fehlen. Die 2020 publizierte Studie hat bekanntlich zu einem Umdenken im Management des Vorhofflimmerns geführt. Eine sehr frühe rhythmuserhaltende Behandlung bei Patienten mit kürzlich aufgetretenem Vorhofflimmern (erste Dokumentation nicht länger als ein Jahr zurück) hatte in dieser Studie klinische Ereignisse effektiver verhindert als die bis dato übliche verzögerte Therapie.

Doch sollte man deshalb direkt schon bei Erstmanifestation abladieren? Immerhin 38% der Patienten in beiden Studienarmen hätten eine Erstmanifestation gehabt, berichtete Köktürk über die Studiendetails. Der Kardiologe kann sich deshalb durchaus vorstellen, dass Patientinnen und Patienten mit einer ersten Vorhofflimmern-Episode und einem hohen kardiovaskulären Risiko prognostisch von einer sofortigen Ablation profitieren. Aber: In EAST-AFNET-4 wurde der überwiegende Anteil der Patienten zunächst mit Antiarrhythmika behandelt, nur 8% wurden initial abladiert.

Leitlinien sehen aktuell noch Medikamente vor Ablation

Dieses Vorgehen (erst Medikamente, dann Ablation) spiegelt die aktuelle Praxis und auch die Leitlinienempfehlungen wider: Eine Katheterablation als Erstlinientherapie ist hier nämlich nur in einer einzigen Situation als Klasse IA-Indikation aufgeführt: bei Patientinnen und Patienten mit symptomatischem paroxysmalen oder persistierenden Vorhofflimmern und einer reduzierten Ejektionsfraktion. In allen anderen Fällen ist die Ablation als Klasse IA-Empfehlung nur Zweitlinientherapie, sie sollte also erst gemacht werden, wenn die antiarrhythmische Pharmakotherapie versagt hat.

Neue Studien sprechen für Ablation als First-Line-Therapie

Das Scheitern der medikamentösen Therapie als Voraussetzung für eine Katheterablation sieht Köktürk angesichts neuester Studienergebnisse jedoch kritisch. So hat eine Ablation in den beiden Studien STOP-AF und EARLY-AF eine höhere antiarrhythmische Effizienz an den Tag gelegt als eine Pharmakotherapie. Laut einer Metaanalyse (Chen et al. 2018) scheint die Ablation auch bei persistierendem Vorhofflimmern effizienter zu sein. „Das sind schon Signale, die zeigen, dass eine Katheterablation einer antiarrhythmischen Therapie in Bezug auf Vorhofflimmern-Rezidive überlegen ist“, folgerte Köktürk daraus. Auch wenn es zur Bestätigung dieser These noch weitere randomisierte Outcome-Studien benötige, fügte er einschränkend hinzu.

Ablation kann Progression aufhalten

Klar ist auch - das verdeutlichen mehrere Studien - dass Vorhofflimmern eine progressive Erkrankung ist. In vielen Fällen geht paroxysmales in persistierendes Vorhofflimmern über, besonders dann, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen. Eine Katheterablation wiederum kann das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten, und zwar effektiver als Antiarrhythmika, wie die von Kuck et al. 2021 publizierte randomisierte ATTEST-Studie demonstriert hat. Doch nochmal: Rechtfertigten diese Daten deshalb eine sofortige Ablation unmittelbar nach der ersten Episode?

Wie hoch ist das Risiko für weitere Vorhofflimmern-Episoden?

Um diese Frage guten Gewissens beantworten zu können, müsste man wissen, wie hoch das Risiko ist, nach einer Vorhofflimmern-Episode ein Rezidiv zu entwickeln. Aufschlussreich sind in diesem Kontext die von Pappone et al. (2008) publizierten 5-Jahres-Follow-up-Daten einer Patientenpopulation, bei der sich durch ein Screening erstmals paroxysmales Vorhofflimmern detektieren ließ. 47,2% dieser Patienten hatten während der fünf Jahren keine weitere Arrhythmie-Episode gehabt. Wie Köktürk berichtete, wurden die Patienten mehrmals die Woche durch ein EKG gemonitort (auch von zuhause aus). Trotz dieser engmaschigen Untersuchung könne es sein, dass asymptomatische Vorhofflimmern-Episoden nicht erfasst worden seien, gab der Kardiologe zu bedenken. In einer anderen Studie mit kontinuierlichem Rhythmusmonitoring hatten 10% der Studienteilnehmer keine weiteren Vorhofflimmern-Episoden entwickelt, bei 30% ließen sich asymptomatische Episoden nachweisen (Simantirakis et al. 2018).

„Ich würde es auch nicht machen“

Köktürk selbst würde sich, wenn er selbst erstmalig eine Vorhofflimmern-Episode hätte, angesichts dieser Datenlage gegen eine sofortige Ablation entscheiden: „Ich würde es auch nicht machen“, resümierte der Kardiologe am Ende seines Vortrages. Stattdessen empfiehlt er, nach der initialen Manifestation erstmal abzuwarten. Wenn das Vorhofflimmern persistiere, solle man kardiovertieren. Und wichtig: Risikofaktoren reduzieren (dazu gehören Gewichtsreduktion, Schlafapnoe, Bluthochdruckeinstellung usw.). Zur Ablation rät Köktürk, wenn Vorhofflimmern-Rezidive auftreten und bei hoher Vorhofflimmern-Last, speziell bei symptomatischen Patienten und solchen mit einer Herzinsuffizienz.

Eine Ausnahme macht der Kardiologe aber doch: „Bei Patienten, bei denen sich durch die Vorhofflimmern-Episoden eine Kardiomyopathie entwickelt hat, kann man direkt abladieren –  und so führen wir das auch durch in unserer Klinik.“

Literatur

Köktürk B: Ablation nach Erstmanifestation – Oder doch lieber warten?, DGK-Herztage 2022, 29. September – 1. Oktober 2022, Bonn

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