COVID-19 in Deutschland: Neue Erkenntnisse aus der zweiten Welle
Die Sterblichkeit von beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten war in der zweiten Welle höher als in der ersten. Bei der DGK-Jahrestagung diskutierte ein Intensivmediziner die Gründe dafür und erörterte, was man in Zukunft besser machen könnte.
Deutschland befindet sich derzeit in der dritten Welle der SARS-CoV-2-Pandemie. Was die medizinische Behandlung erkrankter Patienten betrifft, lohnt ein Blick zurück: Was kann man aus der zweiten Welle lernen? Antworten darauf können neue Daten aus Deutschland geben, die Intensivmediziner Prof. Christian Karagiannidis bei der DGK-Jahrestagung vorstellte.
Sterblichkeit beatmeter Patienten ist angestiegen
„Die Sterblichkeit bei den beatmeten Patienten ist insgesamt nochmal etwas hochgegangen“, berichtete Karagiannidis, der die wissenschaftliche Leitung des DIVI-Intensivregisters übernommen hat. In der ersten Welle habe sie bei 50,6% gelegen, in der zweiten Welle bei fast 53%. Warum ist das so?
Karagiannidis erklärt sich den Anstieg durch einen erheblichen Übereinsatz der nichtinvasiven Beatmung (NIV). Deutlich mehr Patienten sind in der zweiten Welle zunächst mit einer NIV behandelt und erst spät intubiert worden. Dass dies nicht immer der beste Weg ist, machen die aktuelle Daten deutlich. So wiesen Patienten mit einem NIV-Versagen, die deshalb sekundär intubiert werden mussten, sehr schlechte Überlebenschancen auf. Die Prognose sei im Falle einer Intubation nach drei bis fünf Tagen vergleichbar mit der von metastasierten Tumorleiden, verdeutlichte Karagiannidis die Auswirkungen.
„Wir müssen die goldene Mitte treffen“
Das Problem des Hinauszögerns einer Intubation ist Karagiannidis zufolge der gesteigerte Atemantrieb: „Wir müssen aufpassen, dass die Patienten sich die Lunge nicht selbst ‚kaputt schnaufen‘“, betonte der Intensivmediziner. Dieses Phänomen wird „patient self inflicted lung injury“ genannt. Karagiannidis plädierte deshalb für einen ausgewogenen Einsatz der NIV: „Wir müssen in der dritten Welle die goldene Mitte treffen“. Diese Therapieform sollte also nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel beansprucht werden.
Einbezogen wurden in die aktuelle Analyse Daten von insgesamt 7.490 COVID-19-Patienten; 2.419 von ihnen sind zwischen Februar und Mai 2020 in ein deutsches Krankenhaus eingewiesen worden, die restlichen 4.428 Patienten zwischen Oktober und November 2020.
Wie ist die Langzeitprognose von COVID-19-Patienten?
Des Weiteren stellte Karagiannidis die Ergebnisse eines 6-Monats-Follow-up von 8.679 hospitalisierten COVID-19-Patienten vor. Die Daten sind bisher nicht veröffentlicht, aber zur Publikation eingereicht.
Herzinsuffizienz-Patienten stellten sich dabei als besonders vulnerabel heraus. Ein substanzieller Anteil der Patienten versterbe nach dem Klinikaufenthalt, berichtete der Intensivmediziner. Dasselbe gilt für Patienten, die während des initialen Klinikaufenthaltes thrombotische Komplikationen erlitten haben. Mit einer Mortalität von 16% wiesen solche Patienten mit die schlechteste Langzeitprognose auf, so Karagiannidis. Besonders ungünstig ist die Prognose zudem für Patienten mit neurologischen Störungen. Karagiannidis setzt sich deshalb für eine optimierte Nachsorge von Patienten mit entsprechenden Begleiterkrankungen ein: „Wir müssen diese Patienten deutlich besser nachverfolgen“.
Günstiger ist die Prognose dagegen für beatmete Patienten, die den Krankenhausaufenthalt überlebt haben. Auch bei den unter 60-Jährigen ohne die erwähnten Begleiterkrankungen ist die Sterblichkeit nach Entlassung aus der Klinik gering. „Je älter die Patienten sind, desto eher versterben sich nach dem Krankenhausaufenthalt“, erörterte Karagiannidis die Rolle des Alters.
Auffällig ist der Einfluss des Geschlechts auf die Langzeitprognose. „Frauen können substanziell besser mit dem Virus umgehen als Männer“, erläuterte Karagiannidis. So haben Frauen ein um 37% geringeres Risiko, im Langzeitverlauf zu versterben, als Männer (Odds Ratio, OR: 0,63; p=0,001). Als weitere Risikofaktoren für eine ungünstige Langzeitprognose stellten sich u.a. eine Adipositas (BMI ≥ 40), metastasierende Tumorerkrankungen, Lebererkrankungen, Erkrankungen des Lungenkreislaufes und Rhythmusstörungen heraus.
Literatur
Karagiannidis C: „Resource use and outcome of COVID-19 patients in Germany“, Session: „What lessons can we learn from the COVID-19 pandemic?“; 87. DGK-Jahrestagung 2021, 9. April 2021