„Nicht erst Troponin machen und dann anfangen zu denken“
In vielen Notaufnahmen ist die Troponin-Bestimmung Teil des Routinelabors. Keine gute Idee, denn im ungünstigsten Fall werden Patienten dadurch gefährdet.
Um einen Myokardinfarkt zuverlässig zu erkennen, ist das hochsensitive Troponin die diagnostische Methode der Wahl.
Allerdings sollte es in Notaufnahmen nicht blind eingesetzt werden: Eine von drei kürzlich im Rahmen der „Klug-Entscheiden“-Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) neu publizierten, kardiologischen Empfehlungen betrifft die Troponin-Bestimmung, und sie ist eindeutig: Kardiales Troponin sollte in der Notaufnahme nicht als Screening, sondern nur bei klinischer Indikation eingesetzt werden.
Troponin ist kein Screening-Werkzeug
„Das ist mitnichten klinische Realität“, sagte Prof. Dr. Uwe Zeymer vom Klinikum Ludwigshafen bei der DGK-Jahrestagung 2021. In vielen Krankenhäuser sei Troponin viel mehr Bestandteil des Routinelabors in der Notaufnahme. Der 65-jährige Mann mit Oberschenkelhalsfraktur nach Sturz, bei dem zufällig ein erhöhtes Troponin auffällt und bei dem dann über einen NSTEMI und einen Herzkatheter diskutiert werde, sei nicht selten. Und wenn in einer solchen Situation eine unnötige duale Plättchenhemmung initiiert werde, dann gefährde das letztlich auch die Gesundheit der Patienten.
Gerade bei Älteren sind Troponin-Anstiege häufig
Von Troponin-Erhöhungen, die nichts mit einem Myokardinfarkt zu tun haben, sind vor allem ältere und chronische kranke Menschen betroffen. Zeymer präsentierte dazu Daten einer britischen Kohortenstudie, die zeigte, dass das hochsensitive Troponin bei einem von acht Patienten, die ohne Verdacht auf akutes Koronarsyndrom eine Notaufnahme aufsuchen, erhöht ist. Vor allem bei Menschen über 80 Jahre, bei Menschen mit Niereninsuffizienz und bei multimorbiden Patienten war das der Fall. (Lee KK et al. Am J Med 2019; 132:110.e8-110.e21) „Es macht keinen Sinn, bei diesen Patienten ohne Verdacht auf Herzinfarkt Troponin abzunehmen“, so Zeymer.
Dass das hochsensitive Troponin die Problematik verschärft hat, zeigte eine Auswertung des schwedischen SWEDEHEART-Registers. Nach Umstellung auf das neue Troponin ging dort in den Notaufnahmen bei Patienten mit akutem Brustschmerz nicht nur die Zahl der Koronarangiografien und Revaskularisationen nach oben. Auch die Sterblichkeit stieg leicht, aber signifikant an (Bandstein N et al. Int J Cardiol 2017; 245:43–8).
Troponin in der Notaufnahme nicht automatisch bestimmen
Die Quintessenz dieser Daten ist für Zeymer wie auch für die Klug-Entscheiden-Initiative der DGIM, dass Troponin in Notaufnahmen nicht automatisch mitbestimmt werden sollte. Es sollte vielmehr nur dann angefordert werden, wenn es eine klinische Arbeitshypothese gibt, die die Bestimmung sinnvoll macht, in erster Linie der klinische Verdacht auf Herzinfarkt, Lungenembolie oder Aortendissektion. Symptome, kardiovaskuläre Risikofaktoren und EKG stünden an erster Stelle oder, wie Zeymer es ausdrückte: „Nicht erst Troponin machen und dann anfangen zu denken.“
Literatur
Zeymer U. „Klug entscheiden in der kardiologischen Akutmedizin. Empfehlungen der DGIM.“; Session: „Aktuelles aus der kardiologischen Akutmedizin“; 87. DGK-Jahrestagung 2021, 9. April 2021.