Wie digitalisiert man eine Klinik?
Ein Münchner Klinikum wird zum Smart Hospital. Dafür wird es über zwei Jahre digital runderneuert. Am Ende profitieren Mediziner, Patienten, Klinik und Wissenschaft. Oberarzt Dr. Eimo Martens sprach bei der DGK-Jahrestagung über Mühen, Kosten und Erfolge.
Immer mehr Patienten nutzen digitale Tools und liefern so zusätzliche Informationen, die Ärzte neben den medizinischen Daten auswerten müssen. Gleichzeitig wird in vielen Kliniken noch mit Papier und Fax gearbeitet, einzelne Systeme sind schlecht vernetzt. Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München wollte das ändern und modernisierte sich in einem Großprojekt. Der dortige Oberarzt der Kardiologie Dr. Eimo Martens erläuterte, wie dabei zahlreiche Medizingeräte, Telemedizinsysteme und das Krankenhausinformationssystem KIS vernetzt wurden.
„Solch ein Digitalisierungsprozess hat nicht nur Vorteile für die Mediziner. Er ermöglicht auch wirtschaftlicheres Arbeiten, da Personal effizienter eingesetzt und neue Techniken genutzt werden können, und unterstützt die Wissenschaft, indem Daten automatisiert übertragen werden“, so Martens. Gleichzeitig bedeute digitale Transformation, „den ganzen Laden mitzunehmen“: Technik zu erneuern sei das Eine, aber das gehe auch mit grundlegenden Veränderungen der Arbeitsabläufe einher und erfordere daher an vielen Stellen ein Umdenken.
Mehr als 60 medizinische Geräte koordiniert
Konkret wurden schließlich alle medizinischen Geräte in der Kardiologie in ein strukturiertes Datenbanksystem integriert. Dieses kommuniziert problemlos mit allen anderen Systemen, sodass darüber Roh- und Bilddaten sowie automatisch generierte Messwerte abgerufen werden können. Es wurde ein strukturiertes Befundungssystem etabliert, mehr als 60 medizinische Geräte an eine zentrale Speicherarchitektur angebunden und alles in das Krankenhausinformationssystem KIS integriert. „Das erleichtert den Austausch von Befunden, Leistungsdaten, Texten für Arztbriefe, Bildern für die Visite, alles was den Kliniker auf Station interessiert“, berichtete Martens
Das Projekt wurde mit 1,9 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Zwei IT-Ingenieure kümmern sich darum, dass das System funktioniert und die Künstliche Intelligenz sich weiterentwickelt. Von der Ausschreibung Anfang 2019 bis Ende 2020 hat es gedauert, die Klinik einmal komplett umzukrempeln. Im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes für die Digitalisierung von Kliniken wird das Ganze aktuell erweitert, etwa durch die Anbindung nicht radiologischer Bildsysteme, Monitoringsysteme und telemedizinischer Versorgung.
Vernetzung mit Telemedizin erleichtert vieles
Durch die Überwachung von COVID-19-Patienten in häuslicher Quarantäne mithilfe von Ohrsensoren, aber auch durch Smartwatches, Schrittmacher oder der neu eingeführten Apps auf Rezept, entstehe ein „immer größerer Blumenstrauß an Daten, den die Patienten jeden Tag mitbringen“, so Martens. Es sei zeitlich unmöglich, jeden Morgen zehn verschiedene Portale zu öffnen, um diese Informationen zu verarbeiten. Die Anbindung an die zentrale Datenbank schafft Abhilfe: An der Bedienung ändert sich nichts, aber die Daten werden übernommen, ein automatisierter Befund generiert und in der elektronischen Patientenakte gespeichert. Das unterstützt den Austausch mit der Notaufnahme oder niedergelassenen Ärzten.
Ziel ist auch, die Daten wissenschaftlich zu nutzen und mit anderen Kliniken auszutauschen. Deshalb wurde ein Wissenschaftsserver integriert, der sie 1:1 übernimmt, jedoch anonymisiert. „So können wir anderen Kliniken super einfach Daten bereitstellen, ohne die irgendwo heraussuchen zu müssen“, erläuterte Martens. Von einer breiten Datenbasis profitieren am Ende alle. Was aber, wenn ein Patient die Zustimmung zurückzieht, dass seine Daten verwendet werden dürfen? In diesem Fall werden sie verblindet und nicht weiter ausgewertet.
Literatur
Vorgestellt in “eCardiology: Kardiologie von morgen schon heute“, 87. DGK-Jahrestagung, 8. April 2021