Nachrichten 14.04.2022

Ausblick auf die DGK-Jahrestagung: „Größer denken und digitale Behandlungspfade neu entwickeln“

Prof. Gerhard Hindricks, Tagungspräsident der 88. Jahrestagung der DGK, spricht im Interview über die Highlights des Kongresses und warum das diesjährige Schwerpunktthema kontrovers diskutiert werden wird.

Prof. Dr. med. Gerhard Hindricks arbeitet am Herzzentrum Leipzig und ist der Tagungspräsident der 88. DGK-Jahrestagung 2022

Das Schwerpunktthema der Jahrestagung lautet „Neue Räume für kardiovaskuläre Gesundheit“. Warum haben Sie dieses Motto ausgewählt

Hindricks: Das Schwerpunktthema „Neue Räume für kardiovaskuläre Gesundheit“ spiegelt die zentrale Veränderung in der Aufstellung des Gesundheitssystems innerhalb der nächsten Jahre wider. Ich glaube, wir haben einen so tiefgreifenden und intensiven Wandel im Gesundheitssystem innerhalb der letzten 50 Jahre nicht gesehen.

Es werden völlig neue Elemente in der Gesundheitsversorgung aufgestellt werden, wie zum Beispiel im Bereich der virtuellen Gesundheit und auch der Gesundheit zu Hause. Viele Leistungen, die in der Vergangenheit in den traditionellen Elementen des Gesundheitssystems erbracht worden sind, werden in diese neuen Räume für Gesundheit übergehen. Ich halte es für unbedingt notwendig, dass wir uns als die DGK intensiv und kreativ in die Gestaltung einbringen und unseren Einfluss zur Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit durch Prävention und bessere Behandlung wirksam werden lassen. Ich freue mich schon sehr auf die intensive und sicherlich auch kontroverse Diskussion zu diesem Thema.

In welchen Bereichen werden neue Studiendaten vorgestellt?

Aus dem Bereich der interventionellen Kardiologie werden wir sicherlich neue und hoch interessante Studiendaten zu perkutanen Klappentherapien vorgestellt bekommen. Insbesondere für den Bereich der Trikuspidalklappen-Interventionen erwarte ich neue und wichtige Daten.

Im Bereich der Herzinsuffizienz werden uns neue Ergebnisse zur Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion vorgestellt. In der Rhythmologie werden neue Technologien ganz klar die Vortragssäle füllen und beherrschen. Die Einführung der Pulse Field Ablationstechnologie scheint noch einmal eine Tür für eine schnellere und sichere Behandlung von Patient*innen mit Vorhofflimmern durch die Ablation zu öffnen.
Außerdem erwarte ich auch neue und interessante Daten zur Rolle des Defibrillators zur Prävention des plötzlichen Herztodes.

Wie sieht es mit den neuen ESC-Leitlinien aus?

Die Vorstellung der neuen Behandlungsleitlinien der ESC zur Herzinsuffizienz und zur Schrittmachertherapie werden sicherlich auch einen weiteren Höhepunkt unseres Kongresses bilden.

Wir werden wahrscheinlich auch schon einen Ausblick auf die neuen ESC-Leitlinien zur Behandlung von Kammertachykardien und zur Prävention des plötzlichen Herztodes erhalten. Diese Daten werden erstmalig einige Tage vor unserem Kongress in Mannheim bei der Tagung der European Heart Rhythm Association (EHRA) in Kopenhagen vorgestellt. Insgesamt freue ich mich sehr auf ein hochaktuelles, wissenschaftlich und klinisch breit aufgestelltes Kongressprogramm.

Bei welchen Themen erwarten Sie besonders kontroverse Diskussionen und warum?

Zunächst einmal darf ich Ihnen sagen, dass ich mich auf kontroverse Diskussion sehr freue. Im wissenschaftlichen und inhaltlich begründeten Streit um Sachfragen finden sich immer die besten Lösungen. Der „Klassiker“ wird sicherlich auch in diesem Jahr wieder die Auseinandersetzung um die Rolle der perkutanen Klappentherapie werden. Aber diese Diskussionen haben uns doch immer weitergebracht und letztlich dazu geführt, dass wir gemeinsam Wege entwickelt haben, um die Behandlungsqualität für unsere Patientinnen und Patienten zu verbessern. Sehr kontrovers diskutiert werden wird sicherlich auch das Schwerpunktthema der Jahrestagung.

Im Zentrum der neuen Räume für Gesundheit steht zuallererst die Digitalisierung sowie eine zunehmende nicht stationäre Behandlung, auch bei komplexen Interventionen. Hier müssen wir uns tatsächlich in unseren Köpfen komplett neu aufstellen und nicht die traditionellen Behandlungspfade an der ein oder anderen Stelle etwas abändern, sondern größer denken und neue, digitale Behandlungspfade für unsere Patienten komplett neu entwickeln.
Außerdem müssen wir offen sein für die umsichtige Integration maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz in der Kardiologie. Dieser Prozess geht mit einer wesentlichen Verschiebung der Positionen und auch des Einflusses traditioneller Elemente der Medizin einher. Dementsprechend ist hier besonders viel Raum für kreative Diskussionen.

Welche Sessions empfehlen Sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der diesjährigen DGK-Jahrestagung?

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden sicherlich zugeschnitten auf ihre individuellen Interessen und Spezialisierungen hervorragende Sitzungen im Programm finden. Trotzdem möchte ich drei Sitzungen besonders empfehlen: einmal natürlich die Vortragsreihe zum Schwerpunktthema unserer Tagung.
Hier ist es uns gelungen, internationale Top-Experten für die Zukunftsthemen in der kardiovaskulären Medizin zu gewinnen. Außerdem möchte ich die ESC-Leitliniensitzung wärmstens empfehlen. Hier werden die Leitlinien von den Vorsitzenden der jeweiligen Leitlinien Task Force der ESC vorgestellt werden. Dementsprechend gibt es dort alle aktuellen Informationen wirklich aus allererster Hand.

Und letztlich möchte ich noch auf ein neues und hoch attraktives Sitzungsformat hinweisen: Wir werden nämlich eine komplette Sitzung aus dem Mount Sinai-Krankenhaus in New York City übertragen. Von dort werden uns Gregg Stone, Vivek Reddy, Larry Chinitz und Roxana Mehran aus den Bereichen der Klappentherapie, der interventionellen Kardiologie, der Rhythmologie und dem Bereich der Implantate zugeschaltet werden. Eine Sitzung dieser Art hat es bislang auf unserer Jahrestagung noch nicht gegeben.

Welche Vorträge stehen denn in Ihrem eigenen Terminplan?

Ich will da ehrlich sein: als Rhythmologe werde ich mich natürlich intensiv um die Ablationsthemen kümmern. Wir werden in Mannheim sicherlich die ersten größeren Studien zu den neuen Ablationstechnologien vorgestellt bekommen. Gerade für den Bereich der Ablation von Vorhofflimmern erwarte ich in den nächsten Jahren enorme weitere Fortschritte, die eine sicherere und effektivere Behandlung in Zukunft möglich machen werden.

Außerdem freue ich mich auch auf die freien Vorträge und Abstract-Präsentationen sowie ganz besonders auch auf die Postersitzungen. Endlich können wir uns wieder persönlich treffen, um uns intensiv auszutauschen.

Ganz besonders freue ich mich aber auf die Eröffnungssitzung, die in diesem Jahr in einem neuen und moderneren Format stattfinden wird. Deshalb mein Rat an alle Kongressteilnehmer: Donnerstag um 18:00 Uhr, Saal 4 – unbedingt hingehen!
 

Info

Weitere Infos zur DGK-Jahrestagung vom 20. bis 23. April 2022 erhalten Sie in unserem Dossier.