COVID-19 bei Athleten – das Dilemma der Sportfreigabe
Bei der vor allem für Hochleistungssportlerinnen und -sportler so wichtigen Entscheidung über die Freigabe „return to sports“ stehen Ärzte vor einem Dilemma. Einerseits will man mit Untersuchungen Sicherheit schaffen, andererseits ist die Aussagekraft einiger Befunde zweifelhaft.
Eine kardiale Beteiligung bei einer SARS-CoV-2-Infektion ist auch bei gesunden Sportlern zu erwarten, sagt Prof. Christof Burgstahler. Der Leiter der internistischen Ambulanz der Sportmedizin Tübingen verweist auf vorläufige Daten der aktuellen CoSmo-S-Kohortenstudie, die zeigen, dass Athletinnen und Athleten nach einer Coronainfektion kardiale Symptome aufweisen können und diese bei einem relevanten Prozentsatz auch sechs Monate nach initialer Herz-Diagnostik persistieren. Dabei scheinen Kadersportler seltener betroffen zu sein als Nicht-Kadersportler:
- Herzstolpern/Herzrasen (1,5 vs. 7,8%),
- Schwindel (3,7 vs. 4,3%),
- Brustschmerzen (5,2 vs. 4,8%),
- Belastungsdyspnoe (6,7 vs. 8,2%)
- oder Leistungsknick (8,9 vs. 14,3%)
Gefahr der Überdiagnostik
Eine viel beachtete Studie aus Frankfurt, die 100 Patientinnen und Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion untersucht hat, zeigt bei 78 Personen Auffälligkeiten im Herz-MRT. Allerdings handelte es sich um Nicht-Sportler, die teilweise bereits vor ihrer Coronainfektion ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen, relativierte Burgsthaler das Ergebnis.
Betrachtet man nur Studien mit Sportlerinnen und Sportler, die eine kardiale Beteiligung nach COVID-19-Infektion untersucht haben, ergibt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Die jeweiligen Befunde von Bildgebung, Echokardiografie, EKG, Biomarkern und Symptomen sind sehr unterschiedlich und hängen stark vom Untersuchungszeitpunkt ab. Die Unsicherheit führt dazu, dass man Gefahr läuft, eine Überdiagnostik zu betreiben, erläutert Burgstahler und gerade bei Profisportlern noch Untersuchungsbefunde erhebt, deren Aussagekraft zweifelhaft ist.
Fallbeispiel verdeutlicht Dilemma
Ein Fallbeispiel aus Burgstahlers Ambulanz illustriert dies: Eine 15-jährige Kadersportlerin (Leichtathletik, Mittelstrecke) kam routinemäßig zu ihrer Jahreshauptuntersuchung. Sie gibt an, vor etwa 3,5 Wochen eine COVID-Infektion gehabt zu haben mit Schnupfen, Abgeschlagenheit, aber ohne Fieber. Sie fühlt sich zum Untersuchungszeitpunkt wohl und hat keine kardiopulmonalen Beschwerden. Das EKG war jedoch auffällig und der Troponinwert leicht erhöht, eine Woche später waren EKG und Troponin unauffällig. Dieses routinemäßige Vorgehen habe ein Entscheidungsproblem geschaffen, kommentiert Burgstahler.
Neuer Expertenkonsens „Sichere Rückkehr zu Training und Wettkampf“
Legt man bei der Entscheidung den aktuellen amerikanischen Expertenkonsens vom März 2022 zugrunde, ist keine weitere kardiologische Diagnostik nötig
- bei asymptomatischen, milden oder moderaten nicht kardiopulmonalen Symptomen und
- wenn die Infektion länger als drei Monate zurückliegt und keine kardiopulmonalen Symptome mehr vorliegen. Darunter wäre auch die Sportlerin aus dem Fallbeispiel gefallen.
Bestehen jedoch kardiopulmonale Symptome wie Brustschmerz, Druck, Dyspnoe, Palpitationen oder Synkopen wird die diagnostische Triade EKG, kardiales Troponin und Echokardiografie empfohlen. Liegen alle Werte in der Norm, müssen die entsprechenden Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. Sind die Werte jedoch abnormal, ist ein Kardio-MRT zu erwägen und bei Hinweisen auf eine Myokarditis wird eine Sportpause von drei bis sechs Monaten empfohlen.
Diese neuen Empfehlungen zum „return to sport“ nach Coronainfektionen seien weniger restriktiv als die alten, sagt Burgstahler, allerdings liegt eine größere Verantwortung bei den Ärztinnen und Ärzten und auch bei den Athletinnen und Athleten.
Literatur
Burgstahler C: Kardial Schäden bei Athleten durch COVID-19; DGK-Jahrestagung, 20. – 23. April 2022 in Mannheim