Wie gut wirkt die COVID-19-Impfung bei Organtransplantierten?
Die Immunantwort auf eine SARS-CoV-2-Schutzimpfung ist bei organtransplantierten Patientinnen und Patienten deutlich abgeschwächt. Doch es gibt Möglichkeiten, auch bei ihnen eine Reaktion auszulösen, wie bei der DGK-Jahrestagung erörtert wurde.
Das sind gute Nachrichten für organtransplantierte Patientinnen und Patienten: Auch wenn ihre Immunantwort auf die COVID-19-Impfung deutlich abgeschwächt ist, gibt es Möglichkeiten, eine adäquate Schutzreaktion auszulösen. Wie diese konkret aussehen, demonstrieren klinische Erfahrungen aus mehreren Zentren in Deutschland (Heidelberg, Düsseldorf, Regensburg, Kiel, Bad Oeynhausen), über die Prof. Angelika Costard-Jäckle bei der DGK-Jahrestagung berichtete.
Deutlich abgeschwächte Immunreaktion nach zweiter Impfung
Die ersten Daten, über die Costard-Jäckle informierte, stammten aus dem ersten Quartal von 2021. Im Rahmen einer Pilotstudie sind 50 Patienten, die eine kardiothorakale Organtransplantation erhalten haben, zweimal mit der BioNTech/Pfizer mRNA-Vakzine gegen SARS-CoV-2 geimpft worden. „Die Transplantierten hatten praktisch überhaupt nicht reagiert“, berichtete die am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen tätige Herzchirurgin. So haben gerade mal vier Patienten neutralisierende Antikörper entwickelt, in der Kontrollgruppe, die aus Klinikmitarbeitern bestand, reagierten über 90% mit einer Antikörperbildung auf die Zweifachimpfung. Auch die IgG-Antikörper-Reaktion war bei den Transplantierten kaum vorhanden. Zwar entwickelten einige Patienten im Anschluss an die Impfung eine spezifische T-Zell-Antwort. Aber auch hier hat es laut Costard-Jäckle einen „dramatischen Unterschied“ zur Kontrollgruppe gegeben.
Dasselbe Bild zeigte sich dann auch in einer deutlich größeren Studie, im Rahmen derer über 500 Patientinnen und Patienten nach einer Herz- oder Lungentransplantation zweimal gegen COVID-19 geimpft worden sind. Wie Costard-Jäckle berichtete, haben nur zwischen 10% und 15% der Patienten auf die Zweifachimpfung ausreichend reagiert.
Reaktion auf Booster-Impfung
Schon früh wurde bei transplantierten Patienten deshalb über die Notwendigkeit einer Booster-Impfung diskutiert. Die STIKO habe sich mit einer entsprechenden Empfehlung bekanntlich schwergetan, erinnerte Costard-Jäckle. „Deshalb blieb uns nur der Weg über eine klinische Prüfung“, so die Herzchirurgin. In einer vom Robert-Koch-Institut unterstützten Studie wurden 243 organtransplantierte Patienten mit einer dritten BioNTech/Pfizer-Impfung geimpft. Dabei handelte es sich um ein selektiertes Kollektiv, weil nur Patienten eingeschlossen worden sind, die nach der Zweitimpfung keine ausreichende Immunreaktion entwickelt hatten. Immerhin 129 Patienten entwickelten nach der dritten Vakzin-Dosis eine adäquate Antikörperantwort. Die über 50%ige Seropositivität sei durchaus positiv zu bewerten, resümiert der offizielle Diskutant der Studie Prof. Felix Schönrath vom Deutschen Herzzentrum Berlin.
Faktoren, die die Immunantwort abschwächten
Prädiktive Faktoren für ein Ausbleiben der Immunantwort waren in dieser Studie ein höheres Alter > 55 Jahre, eine eingeschränkte Nierenfunktion (eGFR ˂ 60 ml/min/1,73 m²), eine kurze Zeitspanne zwischen Transplantation und Impfung (˂ 2 Jahre) und die Zusammensetzung der immunsuppressiven Therapie. Letzteres war im besonderen Maße ausschlaggebend. So erhöhte eine Tripletherapie das Risiko für eine unzureichende Immunreaktion um das Vierfache, besonders hoch war das Risiko, wenn Mycophenolat oder Tacrolimus verwendet wurden (6- bis 8-Facher Anstieg). Deutlich besser war dagegen das Ansprechen bei Patientinnen und Patienten, die mit Cyclosporin oder mTOR-Inhibitoren behandelt wurden.
Vorübergehende Anpassung der Immunsuppression bei vierter Impfung
Diese Erkenntnisse veranlassten Costard-Jäckle und Kollegen zu einer Strategieanpassung, als die vierte Impfung zur Debatte stand. Im Rahmen einer Studie sollten insgesamt 88 organtransplantierte Patienten den zweiten Booster erhalten. In einem Board sei im Vorfeld geprüft worden, ob sich die immunsuppressive Therapie um den Termin der vierten Impfung vorübergehend reduzieren lässt, führte die Herzchirurgin die Strategie aus. Bei 72 Patienten war das tatsächlich möglich. Bei ihnen wurde die Mycophenolat-Therapie auf eine Tagesdosis von ≤ 500 mg gesenkt, die Prednisolon-Dosis wurde ebenfalls reduziert oder die Therapie vorübergehend ganz abgesetzt und ggf. erfolgte eine Spiegelanpassung der mTOR- bzw. Calcineurin-Inhibitor-Therapie. Das Konzept ging auf: 61 der insgesamt 88 Patienten waren nach der vierten Dosis seropositiv, also immerhin drei Viertel der Studienteilnehmer.
Die Gabe der vierten Impfung hat, wie Costard-Jäckle berichtete, dazu geführt, dass im Klinikum Bad Oeynhausen während der Delta-Wella praktisch keine Durchbruchsinfektionen bei transplantierten Patienten vorkommen sind. Das änderte sich jedoch mit Auftauchen der Omicron-Variante. Seither hätte es bei ihnen 45 Durchbruchsinfektionen gegeben, berichtete die Herzchirurgin. Trotzdem hält sie es für sinnvoll, dieses Risikokollektiv weiter zu impfen, weil dadurch eine gewisse Grundimmunisierung erzeugt werde, argumentiert sie. So zeigen Daten aus Israel, die im New England Journal of Medicine publiziert wurden, dass eine vierte Impfung bei ≥ 60-jährigen Personen zwar nicht anhaltend vor einer Infektion mit Omicron schützt, das Risiko für schwere Verläufe aber nachhaltig senkt.
Literatur
Costard-Jäckle A: Immunogenität und Klinische Erfahrung mit Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2 Virus bei Patienten nach thorakaler Organtransplantation – Sprecherin, Late Breaking Clinical Trials II, DGK-Jahrestagung 2022, 20. – 23. April, Mannheim