Kabellose Herzschrittmacher im Aufwind
Per Herzkatheter implantierbare kabellose Schrittmacher („leadless pacemaker“) haben an Bedeutung gewonnen. Gründe dafür erläuterte die Kardiologin Prof. Birgit Aßmus vom Uniklinikum Gießen bei der DGK-Jahrestagung 2022.
In Deutschland werden nach Angaben von Aßmus jährlich etwa 75.000 Neuimplantationen von Herzschrittmachern vorgenommen, hinzu kommen etwa 16.000 Aggregatwechsel. In Relation dazu waren Implantationen von kabellosen Schrittmachern hierzulande bislang eher eine Rarität: Laut aktuellem „Deutschen Herzbericht“ sind im Jahr 2019 in Deutschland nur 519 Schrittmachersysteme des neuen, ohne Elektrodenkabel auskommenden Typs implantiert worden, berichtete Aßmus auf einer Pressekonferenz bei der DKG-Jahrestagung in Mannheim. Doch das könnte sich künftig ändern.
Kabellose Herzschrittmacher werden per Katheter im rechten Ventrikel platziert und dort direkt an der Herzwand fixiert. Da keine subkutane Tasche für das Aggregat und keine transvenös zum Herzen führenden Elektroden benötigt werden, sind bei Implantation konventioneller Schrittmacher mögliche Komplikationen wie Infektionen der Aggregattasche oder Dislokationen von Sonden nicht zu erwarten.
Vorteile in großer „Real world“-Studie gezeigt
In den 2021 aktualisierten ESC-Leitlinien zu Herzschrittmachern und zur kardialen Resynchronisationstherapie sind kabellose Schrittmacher deutlich aufgewertet worden, betonte Aßmus. Als Alternative sollten sie demnach in Betracht gezogen werden, wenn ein transvenöser Zugang für konventionelle Schrittmachersysteme nicht vorhanden ist oder das Risiko für eine Tascheninfektion als sehr hoch erachtet wird, etwa im Fall früherer Infektionen oder bei Patienten mit Hämodialyse (Klasse IIa-Empfehlung/Evidenzlevel B).
Inzwischen konnten mehr Erfahrungen mit kabellosen Schrittmachern unter Bedingungen der klinischen Routinepraxis gewonnen worden. Aßmus verwies in diesem Zusammenhang auf Ende 2021 im „European Heart Journal“ publizierte 2-Jahres-Daten der großen US-amerikanischen Micra-CED-Studie (Micra Continued Evidence Development). Von den in dieser „Real World“-Studie erfassten Patientinnen und Patienten, die im Mittel älter als 80 Jahre waren, hatten 6.219 den sondenlosen Micra-Schrittmacher und 10.212 einen konventionellen transvenösen VVI-Schrittmacher erhalten.
Im Vergleich schnitt das Micra-System in puncto Sicherheit deutlich besser. Demnach war die Rate an Reinterventionen (Revisions- bzw. Explantationseingriffe, Schrittmacheraustausch oder Upgrade zu Zweikammer-Systemen oder CRT-Device) in der adjustierten Analyse nach zwei Jahren in der mit dem Micra-System versorgten Gruppe signifikant um 38% niedriger als in der Vergleichsgruppe mit konventionellen Einkammer-Schrittmachern (3,1% vs. 4,9%). Die Rate an Komplikationen wie Embolien, Thrombosen, Dislokationen, Infektionen, Probleme mit der Aggregattasche, Perikarditis oder Hämothorax war signifikant um 31% niedriger.
Kreis der potenziellen Kandidaten ist größer geworden
Aufgrund der Tatsache, dass kabellose Schrittmacher bislang nur für eine rein ventrikuläre 1-Kammer-Stimulation infrage kommen, war ihre Anwendbarkeit auf einen eher kleinen Kreis von Patienten begrenzt. Durch eine Funktionserweiterung der Devices habe sich der Kreis der potenziellen Kandidaten für diese Therapie inzwischen aber enorm vergrößert, betonte Aßmus. Denn dank eines programmierbaren, Accelerometer-gesteuerten Algorithmus zur Wahrnehmung der atrialen Kontraktion, der eine AV-sequenzielle Stimulation ermöglicht, könnten nun auch Patienten mit einem AV-Block mit einem kabellosen Schrittmacher versorgt werden.
Literatur
Pressekonferenz „Welche neuen Erkenntnisse gibt es?“ am 21. April 2022 bei der DGK-Jahrestagung 2022, 20. – 23. April, Mannheim