Kardiovaskuläre Interventionen: In Zukunft ambulant?
In Deutschland erfolgen kardiovaskuläre Eingriffe hauptsächlich stationär. Ist das noch zeitgemäß? Die Studienlage erlaubt, Innovationen zu erwägen.
Während im deutschen Gesundheitssystem eine stringente Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung herrscht, wird dies in anderen Ländern flexibler gehandhabt. Im Rahmen der diesjährigen DGK-Jahrestagung gibt Prof. Julinda Mehili, Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin in Landshut, einen Überblick über die Datenlage.
Nur 2% der Koronarinterventionen ambulant
Wesentliche Faktoren, die die stationäre Versorgungslandschaft beeinflussen, sind zum einen immer ältere Patienten mit komplexeren Begleiterkrankungen und höheren Erwartungen als früher. Zum anderen verändern sich die Verfügbarkeit von und die Erwartungen an medizinisches Personal. Fortschritte bei den Prozeduren führen zu besseren Ergebnissen, digitale Technologien bergen Potenzial für Veränderungen. Dazu kommen steigende Kosten, der Druck auf Kliniken wächst, hochwertige Versorgung günstiger zu gewährleisten.
Lässt sich dieses System aufrechterhalten? „Hochrechnungen von Daten aus europäischen Ländern einschließlich Deutschland zeigen, dass die Kosten im Gesundheitswesen in den kommenden 50 Jahren deutlich stärker zunehmen als das ökonomische Wachstum“, erläutert Mehili. 2019 seien in Deutschland etwa 111.000 elektrophysiologische Untersuchungen und 97.000 Ablationen durchgeführt worden, keine davon ambulant. Von mehr als 360.000 Koronarinterventionen seien nur 2% ambulant erfolgt. Zur Frage, ob dieses zurückhaltende Vorgehen begründet ist, liegen Daten vor.
Ereignisraten nach elektiver PCI waren ähnlich
Bereits in der randomisierten EPOS-Studie wurden ambulant und stationär behandelte Patienten mit elektiven Koronarinterventionen verglichen. Es zeigte sich kein Unterschied bezüglich unerwünschter Ereignisse nach dem Eingriff, weder nach 24 Stunden noch nach 30 Tagen. Auch die ebenfalls randomisierte ABCD-PCI-Studie aus den USA ergab keine unterschiedlichen Ereignisraten in den ersten sieben und den ersten 30 Tagen nach der PCI. Selbst bei komplexeren Koronarinterventionen war die Inzidenz der unerwünschten Ereignisse in den folgenden fünf Jahren in beiden Gruppen ähnlich, so das Ergebnis der kleineren EXCEL-Studie.
„Wenn man gut selektioniert, könnte man also auch komplexe Interventionen ambulant durchführen“, ergänzt Mehili. Selbst mit Vorhofflimmern-Ablationen werde dies in manchen Ländern – unterstützt durch nicht randomisierte Daten – so gehandhabt. Zudem sind ambulante Eingriffe der ABCD-PCI-Studie zufolge ganz im Sinne der Patienten: 80% der ambulant behandelten Personen waren sehr zufrieden mit dieser Wahl, nur knapp 4% wären gerne länger im Krankenhaus geblieben. Unter den stationär behandelten Patienten war nur die Hälfte damit zufrieden, eine Nacht in der Klinik bleiben zu müssen.
So funktioniert es in den USA
Registerdaten aus den USA zeigen, dass der Anteil der ambulant durchgeführten PCI seit 2009 dort gestiegen ist – 2014 erfolgten bereits 65% der elektiven Koronarinterventionen ambulant. Das funktioniere mithilfe festgelegter Vorgehensweisen und Checklisten zur Selektion der Patienten, so Mehili. Neben der klinischen Situation seien auch der Schweregrad der Erkrankung und die Komorbiditäten dafür entscheidend, wer ambulant behandelt werden könne.
„Auch für uns ist die Zeit gekommen, einen größeren Teil der elektiven Patienten ambulant zu behandeln“, lautet das Fazit von Mehili. Dafür brauche es ein gut strukturiertes System, eine Infrastruktur mit Tagesklinik und Möglichkeiten, Patienten tagesstationär zu behandeln und zu überwachen. „Eine gute Patientenselektion ist das A und O, nur der richtige Patient kann ambulant behandelt werden“, betont sie. Wichtig seien erfahrene Teams und eine Modernisierung des Vergütungssystems.
Literatur
Mehili J. Ambulante kardiovaskuläre Interventionen: Was geht in Zukunft?. 88. DGK-Jahrestagung 2022, 20. – 23. April 2022, Mannheim