Reisen mit Herzinsuffizienz: Was sollten Arzt und Patient beachten?
Mobilität bei Herzinsuffizienz ist erstrebenswert – was aber, wenn der Patient gleich eine Fernreise plant? Wann man ihn guten Gewissens ziehen lassen kann und was es zu bedenken gilt, verrät Prof. Stephan von Haehling aus Göttingen.
Hitze, Höhe, Stress – das sind nur einige Faktoren, die einem Reisenden mit Herzinsuffizienz gefährlich werden könnten. Was bei der Auswahl des Reiseziels zu beachten ist, was Kardiologinnen und Kardiologen ihren Patienten raten können und wer überhaupt reisen darf, wurde jetzt erstmals in einem Paper zusammengefasst. Erstautor Prof. Stephan von Haehling, Oberarzt an der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen, hat bei der diesjährigen DGK-Jahrestagung über die neuesten Erkenntnisse berichtet.
Diese Faktoren sind ausschlaggebend
Bei der Wahl des Reiseziels komme es auf Entfernung, Luftverschmutzung, Klima, Höhe, Jahreszeit und dort verbreitete Erkrankungen an. Besonders wenn mehrere Punkte zusammenkommen, etwa bei einem hoch gelegenen Ort mit schlechter Luftqualität, sei Vorsicht angebracht. „Die magische Grenze bei der Reisezeit beträgt vier Stunden – darüber kann man von einem erhöhten Thromboserisiko ausgehen“, so von Haehling.
Die Luftqualität etwa lässt sich leicht im Internet checken. Unter www.iqair.com kann man einen Ort in ein Suchfenster eingeben und die Seite gibt Auskunft über den sogenannten Air Quality Index. Werte zwischen 0 und 50 bedeuten eine gute Luftqualität, bei 51 bis 100 ist sie moderat, über 100 ungesund und über 300 gefährlich. „Da geht es um Faktoren wie Ozon, Feinstaub, Kohlenmonoxid, Schwefel- oder Stickstoffdioxid“, erläuterte der Kardiologe. Studien legen nahe, dass eine erhöhte Luftverschmutzung mit einem gesteigerten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht.
Das ist der beste Platz im Flugzeug
In Flugzeugen wird standardmäßig ein Druck erzeugt, wie er etwa 2500 m über dem Meer herrscht, auch bei höheren Flughöhen und Langstreckenflügen. „Der Kabinendruck stellt also nur ein geringes Risiko für Probleme dar, im Flugzeug geht es eher um mangelnde Bewegung“, erklärte von Haehling und verwies auf eine Metaanalyse. Sie zeigt: Das Thromboserisiko auf längeren Reisen ist gering, verdoppelt sich aber, wenn man am Fenster statt am Gang sitzt, da man seltener aufsteht. „Am besten alle zwei Stunden etwas auf- und abgehen“, rät er.
Auch eine hohe Ozonbelastung geht Studiendaten zufolge mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko einher. Bei einem hoch gelegenen Reiseziel sei es wichtig zu beachten, dass Höhe das sympathische Nervensystem aktiviere, was durch gesteigerte Atem- und Herzfrequenz zu kardialer Dekompensation führen könne, so der Mediziner. Auch die Gefahr einer hypoxischen Diurese bestehe. Bei sonnigen Urlaubszielen sei Photosensitivität ein wichtiger Punkt, sodass Patienten an Sonnenschutz, Kopfbedeckung und lange Kleidung denken sollten. „Nicht nur Amiodaron ist mit photosensitiven Reaktionen assoziiert, auch ACE-Hemmer und viele weitere Substanzen“, gab er zu bedenken.
Wen darf der Arzt verreisen lassen?
Welche Patienten kann man nun unbesorgt reisen lassen? „Bei Patienten mit NYHA-Klasse I und II ist es überhaupt kein Problem, auch Fernreisen anzutreten“, so von Haehling. Mit NYHA-Klasse III sei es möglich, es sei aber zu beachten, dass manche Patienten gerade bei Langstreckenreisen Sauerstoffunterstützung benötigen könnten, besonders im Flugzeug. Bei NYHA-Klasse IV rate er eher vom Reisen ab. „Wenn jemand aber unbedingt reisen will, etwa zu familiären Veranstaltungen, sollte man ihn darauf hinweisen, dass die Airline Sauerstoff zur Verfügung stellen könnte oder eine medizinische Assistenz sinnvoll sein könnte“, empfiehlt er. Nach akuter Dekompensation sei es ratsam, sechs Wochen abzuwarten, nach einer Device-Implantation zwei Wochen.
Wichtige Fragen für die Reiseberatung sind auch: Welche Medikamente nimmt der Patient, die bei Hitze evtl. etwas zurückgefahren werden sollten? Sind vor Kurzem chirurgische Eingriffe oder Implantationen erfolgt? Gibt es Allergien? Hat er Reiseerfahrung oder nicht? Auch eine körperliche Untersuchung und ein Check der Labor- und EKG-Werte sowie des Impfstatus sollten vor der Reise erfolgen. „Eine Fernabfrage der mobilen Devices wäre möglich, wenn auch sehr aufwendig. Aber der Bereich der Telemedizin wird immer relevanter“, ergänzte der Kardiologe. Der Patient solle mit Informationen zu seinem Device versorgt werden, etwa, wie lange die Batterie halte.
Das kann der Patient selbst tun
Tipps für Patienten sind, Medikamente immer ins Handgepäck zu packen, falls der Koffer nicht ankommt, und etwas mehr davon mitzunehmen als nötig, falls sich die Rückreise verzögert. Auch Verschreibungen des Arztes, Entlassungsbriefe oder Versicherungsdokumente sollten nicht fehlen. Je nach Zielland dürfen manche Medikamente nicht einreisen - in Japan gelten etwa Arzneimittel, die Codein Pseudoephedrin enthalten, als strafrechtlich relevant. Auch ein Patient mit Schrittmacher kann unter Metalldetektorbögen hindurchgehen, er sollte dort lediglich nicht stehen bleiben. Bei Handmetalldetektoren rät von Haehling, darum zu bitten, dass sie nicht über dem Device verweilen.
Ideal ist eine fachärztliche Beratung zur Risikobewertung vier bis sechs Wochen vor der Reise. Und auch am Flughafen und unterwegs gilt: genügend Zeit einplanen, um Stress zu vermeiden. Weitere gute Tipps gibt es in der Originalpublikation, die hier kostenlos abrufbar ist. Zukünftig ist in Zusammenarbeit mit der Herzstiftung auch eine Patienteninformation auf Deutsch geplant.
Literatur
Von Haehling S. Verreisen mit Herzinsuffizienz – Was rate ich meinem Patienten?. 88. DGK-Jahrestagung 2022, 20. – 23. April 2022, Mannheim
Von Haehling S et al. Travelling with heart failure: risk assessment and practical recommendations. Nat Rev Cardiol 19, 302–313 (2022). https://doi.org/10.1038/s41569-021-00643-z