Was gibt’s Neues bei der KHK?
Therapieoptionen gegen den Radialisverschluss, neue Konzepte für die FFR-Messung, Grenzwerte für hochsensitives Troponin nach Herz-OPs, Relevanz von Plaque-Ulzerationen – im Rahmen einer Young Investigator Award-Sitzung wurden neueste Erkenntnisse zum KHK-Management vorgestellt, durchaus mit praktischen Konsequenzen.
Mit dem DGK Young Investigator Award werden die Arbeiten junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gewürdigt. Bei dem Themenkomplex koronare Herzerkrankung gab es insgesamt vier Preisträger, die bei der DGK-Jahrestagung/Herztage ihre Arbeiten vorgestellt haben.
1. Diagnostische Genauigkeit der FFRangio (1. Preis)
Aktueller Goldstandard bei der hämodynamischen Beurteilung von Koronarstenosen ist die invasive Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR). Dr. Fabian Ammon aus Erlangen stellte bei seinem Vortrag ein neues Konzept vor, bei dem sich die FFR durch eine 3D-Rekonstruktion angiografischer Bilder simulieren lässt, kurz FFRangio genannt. Die Diagnostik-Methode kann also während einer routinemäßigen Angiografie zum Einsatz kommen, ohne dass eine zusätzliche Druckdrahtmessung notwendig ist.
In der von Ammon vorgestellten Studie ist die diagnostische Genauigkeit der neuen Methode an 140 Gefäßen evaluiert worden. Die FFRangio wurde zum einen anhand enddiastolischer Aufnahmen (diastolische FFRangio) bestimmt – so wie es aktuell empfohlen wird – und deren Genauigkeit mit einer üblichen FFR-Messung verglichen. Zum anderen gab es einen Vergleich zwischen Standard-FFR und FFRangio, deren Befunde auf endsystolischen Angiogrammen basierte (systolische FFRangio).
Im Vergleich zur üblichen invasiven FFR-Messung schlug sich die diastolische FFRangio mit einer Sensitivität von 72,5% und einer Spezifität von 93% gut. Dagegen lag die Sensitivität der systolischen FFRangio gerade mal bei 45%, bei einer Spezifität von 94%. „Bei der simulierten FFR ist es somit wichtig, enddiastolische Angiogramme zu verwenden, um eine möglichst hohe diagnostische Genauigkeit zu gewährleisten“, fasste Ammon die praktische Konsequenz der Ergebnisse zusammen.
2. Was hochsensitives Troponin nach Herz-OPs aussagt (2. Preis)
Während einer Herz-Operation steigt das hochsensitive Troponin an, das ist normal. Doch ab welchen Werten ist der Anstieg bedenklich und eine Intervention angebracht? Dr. Hazem Omran und sein Team haben retrospektiv über 14.000 Patientendaten ausgewertet und auf deren Basis nach geeigneten Grenzwerten gesucht. Die optimalen Cutoff-Werte für ein erforderliches Eingreifen mit invasiver Angiografie seien beträchtlich höher gewesen, als diese von den aktuellen Leitlinien angegeben werden, resümierte der Kardiologe aus Bad Oeynhausen. Wahrscheinlich deshalb, weil die damals festgelegten Cutoff-Werte auf früheren Troponinmessungen basierten bzw. oder recht willkürlich festgelegt worden seien.
Konkret hat bei isolierten Bypass-Operationen ein hs-cTnI-Wert über dem 460-Fachen des oberen Referenzwertes (12.000 ng/L) die beste diagnostische Aussagekraft geliefert mit Blick auf die Notwendigkeit einer Intervention. Bei anderen Operationen am Herzen hat sich das 900-Fache des oberen Referenzwertes als geeigneter Grenzwert herauskristallisiert (ausgenommen Eingriffe mit Kryoablationen, weil es hier zu extrem hohen Troponin-Anstiegen kam). Die negativen prädiktiven Werte waren in beiden Fällen sehr gut (99,7% und 99,8%). Deshalb könnten sich diese Cutoff-Werte Omran zufolge für das Rule-Out von Patienten eignen. Sprich, wenn der hs-cTnI-Wert unterhalb des Cutoffs liegt, ist eine invasive Angiografie ziemlich sicher nicht erforderlich. Für die Indikationsstellung zur Koronarangiografie reiche der Troponin-Wert allein aufgrund seines niedrigen positiven prädiktiven Werts allerdings nicht aus, gab Omran zu bedenken. Bei dieser Entscheidung sollten noch weitere Diagnostik-Befunde wie EKG und Bildgebung einbezogen werden.
Als „große Schwäche“ der Studie bezeichnete der Kardiologe die fehlende Kontrollgruppe, die Grenzwerte wurden also nicht an einer externen Kohorte validiert.
3. Antithrombotische Strategie bei Radialisverschlüssen (2. Preis)
Wie häufig kommt es im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention (PC) zu einem Verschluss der A. radialis? Eine neue Studie, die Dr. Julia Schlosser bei der Session präsentierte, legt nahe, dass sich in dieser Hinsicht in Deutschland in den letzten Jahren einiges verbessert hat. Denn: Mit einer Rate von 4,6% kam ein Radialisverschluss deutlich seltener vor als in früheren Studien und als die Wissenschaftler erwartet hatten.
Von einem Radialisverschluss betroffen waren vor allem jüngere, schlankere Frauen, die rauchen, berichtete Schlosser, weshalb auf diese Patientenpopulation besonders zu achten sei. Im Rahmen der Studie, an der gut 2.000 Patienten teilgenommen haben, haben die Wissenschaftler vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen darüber hinaus evaluiert, wie gut antithrombotische Behandlungsstrategien bei einem A. radialis-Verschluss wirken.
Wie Schlosser berichtete, ist die Wiederöffnungsrate prinzipiell „schlecht“ gewesen: Nach 30 Tagen kam es bei knapp einem Drittel der Patienten, bei denen nach der PCI ein Radialisverschluss festgestellt worden war, zu einer Reperfusion des Gefäßes. Etwas besser war die Wiederöffnungsrate mit 32% tatsächlich, wenn man nur die Patienten betrachtet, die im Anschluss an die PCI eine orale Antikoagulation (OAK) erhalten haben. Ohne OAK lag die Rate bei gerade mal 13%.
Aufgrund des nicht-randomisierten Designs und der geringen Ereignisraten ist die Aussagekraft der Studie bzgl. der Effektivität einer oralen Antikoagulation bei Radialisverschlüssen allerdings eingeschränkt.
4. Bedeutung von Plaque-Ulzerationen (2. Preis)
Plaque-Ulzerationen, also sichtbare Aussackungen der Läsionen in die Gefäße, sind bei einem Viertel alle Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) in der optischen Kohärenztomografie (OCT) festzustellen, wie Claudio Seppelt aus Berlin bei der Session berichtete. Ziel der von ihm vorgestellten OPTICO-ACS-Studie war es, dieses Plaque-Feature und damit einhergehende Zusammenhänge genauer zu charakterisieren.
Dabei stellte sich heraus, dass Plaque-Ulzerationen vor allem bei den Läsionen vorzufinden waren, die durch eine Plaque-Erosion ein ACS verursacht haben (in 63% der Fälle). Zudem fanden sich solche Aussackungen prinzipiell fast ausschließlich in Culprit-Lesions, also in den infarktverantwortlichen Arterien. In den sog. nicht-Culprit-Lesions fanden die Wissenschaftler nur in 4,5% der Fälle Plaque-Ulzerationen im OCT vor.
Eine Plaque-Ulzeration stelle somit einen potenziellen Marker für die Vulnerabilität einer Plaque-Erosion dar, lautete das Fazit Seppelts. Die Einbindung dieses Faktors zu anderen Vulnerabilitäts-Markern wie fibröse Kappe, Lipidkern, Makrophagen und Mikrokalzifikationen könnte seiner Ansicht nach die Vorhersagekraft für ein durch Plaque-Erosion entstehendes ACS verbessern. Was generell die Identifikation von Culprit-Lesions betrifft, hatte die zusätzliche Einbeziehung der Plaque-Ulzeration allerdings kaum Auswirkungen auf den prädiktiven Wert. Sprich, typische Charakteristika wie Lipidkern und Co sind bereits gute Prädiktoren für eine vulnerable Plaque, sodass die Plaque-Ulzeration die Vorhersagekraft kaum mehr beeinflussen kann.
Info |
Alle Vorträge von der DGK-Jahrestagung/Herztagen können Sie unter folgendem Link weiterhin on demand anschauen: https://dgk.meta-dcr.com/jtht2020/ |
Literatur
Young Investigator Award Sitzungen: Koronare Herzerkrankung, 15. Oktober bei der 86. Jahrestagung und Herztage 2020