„App auf Rezept“ – was in Deutschland mittlerweile alles möglich ist
Der Beschluss des Digitalen-Versorgungs-Gesetzes (DVG) vor weniger als einem Jahr war ein Meilenstein für die Entwicklung „Apps auf Rezept“. Damit wurde ein konkreter Leistungsanspruch für DiGAs geschaffen – und Deutschland ist zum internationalen Vorreiter aufgestiegen.
Mithilfe der Unterstützung durch alle Akteure konnte bereits bis Frühjahr dieses Jahres der Beschluss zur Digitalen Gesundheitsanwendungen Verordnung (DiGAV) gefasst werden. Dieser regelt die Aufnahme in das Verzeichnis „App auf Rezept“ und ermöglicht ein sog. Fast-Track-Verfahren. Damit ist eine Aufnahme binnen drei Monaten ab Antrag möglich.
5 verordnungsfähige Apps
Das DiGA-Verzeichnisses umfasst derzeit 5 verordnungsfähigen Apps mit Schwerpunkten aus anderen Fachrichtungen. Laut dem BfArM sind mittlerweile 40 Anträge zur Aufnahme in das Verzeichnis eingegangen. Über den Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung wurde ein Teil der potenziellen Antragsteller bereits bekannt gegeben.
Es handelt sich um Apps, die in den meisten Fällen auch ohne das DiGA-Verfahren an Popularität gewonnen haben, wie z. B. Ada, mysugar oder Selfapy. Die Voraussetzungen zur Listung im Verzeichnis konnten zwar in beeindruckender Geschwindigkeit geschaffen werden, dennoch sind die regulatorischen Hürden zur Aufnahme hoch.
Alltagstauglichkeit noch auf dem Prüfstand
Offen bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, wie der konkrete Ablauf zur ärztlichen
DiGA-Verordnung aussieht. Die eng ausgestaltete Struktur des für die Zulassung wesentlichen Fragenkataloges limitiert in hohem Maße Diversität und Wettbewerb. Jungen, innovativen Unternehmen wird es mit den hohen Hürden der Nachweislast schwerfallen, ein rentables Geschäftsmodell zu etablieren.
Zudem wird die zum jetzigen Zeitpunkt niedrigschwellige Nutzennachweisakzeptanz von Fachleuten kritisch beäugt. Eine stetige Interaktion zwischen Kardiologen, Wissenschaftlern, App-Entwicklern und Medizinprodukte-Herstellern bleibt zwingend erforderlich und wird die nächsten Jahre prägen.
Verfügbare Apps in der Kardiologie
Mit kardiologischem Hintergrund ist bisher nur ein potenzieller Anbieter bekannt. Für die App „BlutdruckDaten“ wird ebenfalls eine Listung im Verzeichnis in Betracht gezogen. Mit der Hauptfunktion sind Patienten unkompliziert in der Lage, ihre Blutdruckdaten und weitere Vitalwerte zu erfassen und automatisiert in einem PDF-Dokument grafisch darzustellen.
Schon jetzt zeigen diverse Startups Potenzial für weitere Listungen von DiGAs. Die App HEARTBEATS ermöglicht beispielsweise, über eine herkömmliche
Smartphone-Kamera potenzielle Herzrhythmusstörungen zur erkennen. Hierzu muss nur ein Finger über die Kamera gelegt werden. IATROS setzt darauf, Vitalwerte über Wearables zu erfassen und digital zu dokumentieren.
Der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e. V. (BNK) ermöglicht mit der App „BNK CardioCoach“ die Erstellung einer vollständigen Patientenakte, indem z. B. Befunde durch unkomplizierte Bildaufnahmen in ein Archiv verschoben werden können.
Zukunftsweisend sind laufende digitale Forschungsprojekte wie Blutdruckerfassung über eine Gesichtsaufnahme mittels Smartphone-Kamera oder Früherkennung einer kardialen Dekompensation durch Sprachanalysen per Smartphone (mehr dazu lesen Sie hier).
Engste Verzahnung mit klinischer Praxis erforderlich
Abseits von wissenschaftlichen Nutzennachweisen, Zulassungshürden und
Rentabilitätsgedanken werden Nachfrage und Akzeptanz von NutzerInnen die
ausschlaggebende Rolle spielen. Krankenkassen, Patientenorganisationen und
medizinische Fachgesellschaften werden – neben den eigentlich verschreibenden Niedergelassenen – Sprachrohre sein und somit maßgeblich an der Etablierung digitaler Gesundheitsanwendungen beteiligt sein.
Letztendlich ist die Idee, digitale Produkte mit positivem klinischem Nutzen zur Marktreife zu führen, nicht neu. So sind digitalen Gesundheitsanwendungen eher als Weiterführung von bereits existierender digitaler Plattformen zu sehen.
Durch die Einführung von DiGAs kann der Standard der medizinischen-
digitalen Versorgung in Deutschland aber neu definiert werden. Abzuwarten
bleibt, inwieweit die Innovationskraft regulatorische Hindernisse bei gleichzeitiger Integrationsfähigkeit in bestehende IT-Netze übersteigt.
Literatur
CardioNews Ausgabe 11-12 2020