KI-Algorithmen finden Long QT-Syndrom auch bei normaler QTc-Zeit
Viele Patienten mit per Gentest bestätigtem Long QT-Syndrom haben eine normale QTc-Zeit im Ruhe-EKG. Sogar diese Patienten lassen sich durch KI-Algorithmen herausfischen – was irgendwann beim Screening helfen könnte.
Patienten mit einem Long QT-Syndrom (LQTS) haben lehrbuchmäßig ein verlängertes, korrigiertes QT-Intervall (QTc-Zeit) in Ruhe und unter Belastung. So weit die Theorie, denn je nach Studie findet sich in bis zu 40 Prozent der Patienten mit per Gentest bestätigtem LQTS keine QTc-Verlängerung in Ruhe.
Diese Patienten werden unter Umständen übersehen, wenn ein 12-Kanal-EKG angefertigt wird. Aber sie haben trotzdem ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod.
Long QT-Syndrom wird erkannt, sogar bei normalen QTc
Hier setzen Kardiologen und KI-Experten an, die einmal mehr von der Mayo Clinic kommen. Sie haben einen auf einem neuronalen Netzwerk basierenden Maschinenlernalgorithmus darauf trainiert, ein LQTS anhand eines Standard-12-Kanal-Ruhe-EKGs zu erkennen, und zwar möglichst auch dann, wenn die QTc-Zeit normal ist. Im ersten Schritt haben sie dazu eine diagnostische Fall-Kontroll-Studie aufgesetzt, wie sie typischerweise im Rahmen der Entwicklung und Erstvalidierung eines KI-Algorithmus durchgeführt wird.
Insgesamt 2.059 Patienten wurden berücksichtigt, die bei einer spezialisierten Herzrhythmusambulanz vorstellig wurden. Zum Zeitpunkt des ersten EKGs waren die Patienten im Mittel 21 Jahre alt. Die Patienten hatten entweder ein definitives klinisch und/oder genetisch diagnostiziertes LQTS Typ 1 bis 3, oder sie waren wegen Verdacht auf LQTS vorstellig geworden, das dann aber nicht bestätigt werden konnte.
Basis des Algorithmentrainings war ein jeweils 10 Sekunden langer 12-Kanal-Ruhe-EKG-Streifen. 60 Prozent der Patienten wurden für das Algorithmen-Training genutzt, 10 Prozent für die erste Validierung und die übrigen 30 Prozent für die eigentliche, klinische Testung. Goldstandard für das Vorliegen eines LQTS war die Diagnose bei Entlassung, ein besonderer Fokus lag auf den Patienten mit genetisch diagnostiziertem LQTS.
KI genauer als Ruhe-EKG
Tatsächlich zeigte sich, dass der entsprechend trainierte Maschinenlernalgorithmus Patienten mit genetischem LQTS zuverlässiger herausfischt als das rein über die QTc-Zeit im Ruhe-EKG möglich ist.
Anhand der QTc-Zeit alleine wurden LQTS-Patienten per Ruhe-EKG mit einer diagnostischen Genauigkeit von 76,0% erkannt (Area under the curve [AUC]: 82,4%). Der Algorithmus schafft eine AUC von 90%, dahinter verbargen sich eine Sensitivität von 83,7%, eine Spezifität von 80,6% und eine diagnostische Genauigkeit von 82,5%.
Algorithmus erkennt sogar genetische Subtypen
Wurden nur die Patienten mit normaler Ruhe-QTc-Zeit (< 450 ms) analysiert, konnte der Algorithmus LQTS-Patienten mit einer Sensitivität von 80,6% bzw. einer diagnostischen Genauigkeit von 78,7% erkennen. Mehr noch: Der Algorithmus schaffte es auch, mit hoher Trefferquote zwischen den drei wichtigsten genetischen Subtypen des LQTS zu differenzieren.
Prinzipiell sehen die Autoren ihren Algorithmus vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse als ein interessantes Tool für ein besseres LQTS-Screening. Allerdings ist das typische Screening-Setting ein anderes als das „angereicherte“ Setting einer Herzrhythmusambulanz, sodass weitere Analysen nötig sind. So gilt es, die Zuverlässigkeit auch in anderen Settings zu evaluieren, etwa bei sportmedizinischen Untersuchungen oder im Kontext von EKG-Untersuchungen beim Hausarzt.
Literatur
Bos JM et al Use of Artificial Intelligence and Deep Neural Networks in Evaluation of Patients With Electrocardiographically Concealed Long QT Syndrome From the Surface 12-Lead Electrocardiogram; JAMA Cardiology 2021; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.7422