Neues iPhone 12 könnte für ICD-Träger eine Gefahr darstellen
Neuere Mobilfunkgeräte sind für Implantat-Träger in der Regel ungefährlich. Bei dem neuen iPhone 12 äußern Experten jetzt allerdings Bedenken. Offenbar kann es damit zu einer vorübergehenden Deaktivierung der Schockfunktion kommen.
Das neue iPhone 12 könnte eine vorübergehende Deaktivierung der Schockfunktion von implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) zur Folge haben, wenn es sehr nahe am Implantat platziert wird. Davor warnen drei Kardiologen aus Detroit in der Fachzeitschrift Heart Rhythm.
Schockfunktion vorübergehend deaktiviert
„Sobald das iPhone nahe an dem ICD über der linken Brust platziert wurde, war eine umgehende Einstellung der ICD-Therapien registrierbar, die über die Dauer des Testes anhielt“, berichten die Experten um Dr. Joshua Greenberg. Der Test sei mehrmals an unterschiedlichen Positionen wiederholt worden, mit demselben Ergebnis.
Eigentlich stellen moderne Smartphones für Implantat-Träger ein deutlich geringeres Interferenzrisiko dar, als dies bei älteren Mobilfunkgeräten der Fall war. Deshalb halten es Experten heute nicht mehr für zwingend erforderlich, bei der Verwendung der Geräte einen Mindestabstand von 15 cm einzuhalten, also diese beispielsweise nicht in der Brusttasche zu tragen.
Interferenzrisiko bei modernen Handys eher gering
So hatte eine 2020 publizierte Studie gezeigt, dass das Risiko für elektromagnetische Interferenzen mit dem iPhone 6 gering ist. In nur einem einzigen Fall ist es in dieser Testreihe nach Auflegen des Mobilfunkgerätes zu einem Undersensing gekommen, was Probleme beim Moduswechsel zur Folge hatte (mehr dazu lesen Sie in diesem Bericht).
Durchgeführt wurde die damalige Testreihe von Kardiologen der Berliner Charité um Dr. Philipp Lacour und PD Dr. Florian Blaschke. Auf Anfrage von kardiologie.org geben beide eine Einschätzung zu dem neuesten Bericht ab. Wie ihre Kollegen aus USA machen auch sie die sog. MagSafe-Technologie, die in dem neuesten iPhone-Modell verwendet wird, für die zu beobachtenden Interferenzen verantwortlich. „Dabei handelt es sich um einen Magnetring aus 18 einzelnen Magneten, welcher der korrekten Positionierung des Ladegeräts am iPhone und der Befestigung von MagSafe-Zubehör wie iPhone-Hüllen dient“, erläutern Lacour und Blaschke dessen Funktion. Die neue Technik ermöglicht dadurch ein effizienteres kabelloses Aufladen des Handys.
Starker Magnet inaktiviert die Tachykardie-Detektion
Und der darin verwendete Magnetring scheine gemäß der neuen Publikation offenbar stark genug zu sein, um die Tachykardie-Detektion des ICDs für den Zeitraum des Auflegens zu deaktivieren, kommentieren die Kardiologen die aktuellen Daten. Die Schrittmacherfunktion des ICDs werde dadurch aber nicht ausgeschaltet, betonen sie, sprich sobald der Magnet bzw. das Handy entfernt werde, sei der ICD wieder voll funktionsfähig.
Auf seiner Webseite weist der Hersteller Apple auf ein potenzielles Interferenz-Risiko zwischen den im iPhone 12 enthaltenen Magneten und medizinischen Devices hin. Es werde aber nicht erwartet, dass das Risiko höher ist als bei früheren Modellen, heißt es auf der Seite.
„Individuelle Testung bei jedem Implantat-Träger“
In den Vorgängermodellen ist das MagSafe-System allerdings noch nicht verwendet worden. Also auch nicht in dem iPhone 6, was in der Berliner Testreihe keine entsprechenden Interferenzen ausgelöst hatte. Laut Lacour und Blaschke sind ihre Ergebnisse allerdings nicht auf jedes Smartphone übertragbar.
Die beiden Kardiologen empfehlen deshalb, bei jedem Patienten, der ein implantiertes Devices trägt, eine individuelle Testung mit dem von dem Patienten verwendeten Smartphone vorzunehmen: „Der Kardiologe sollte zum Beispiel das ‚Worst-Case‘-Szenario mit direktem Auflegen auf die Implantationsstelle und Alltagssituationen wie Telefonieren am linken und rechten Ohr testen.“ Weil die Technik sich ständig verändere, seien solche Vorsichtsmaßnahmen weiterhin wichtig, betonen die beiden Experten.
Literatur
Greenberg JC et al. Life Saving Therapy Inhibition by Phones Containing Magnets, Heart Rhythm 2021, DOI: 10.1016/j.hrthm.2020.12.032
Napp A. et al. Elektromagnetische Interferenz von aktiven Herzrhythmusimplantaten im Alltag und im beruflichen Umfeld; Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM).Der Kardiologe 2019; 13:216–235
Lacour L et al. Are Contemporary Smartwatches and Mobile Phones Safe for Patients With Cardiovascular Implantable Electronic Devices? J Am Coll Cardiol EP. 2020; DOI:10.1016/j.jacep.2020.04.033