Herzinsuffizienz: Sind Leitungssystem-Stimulationen eine Alternative zur CRT?
Physiologische Stimulationstechniken wie die His-Bündel- und Linksschenkelstimulation werden in den ESC-Leitlinien derzeit nicht als vollwertige Alternative zur CRT angesehen. Könnte sich das ändern? Zwei Studien sprechen dafür, wenngleich Experten Optimierungsbedarf sehen.
Die His-Bündel-Stimulation und Linksschenkelstimulation haben das Potenzial, sich als Alternative zur traditionellen kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) zu etablieren. Zwei beim EHRA-Kongress präsentierte Studien haben dafür Grundsteine gelegt, wenngleich Experten noch einen gewissen Nachholbedarf sehen.
ESC-Leitlinien äußern sich zurückhaltend
Aktueller Goldstandard bei Herzinsuffizienz-Patienten mit CRT-Indikation ist die biventrikuläre Stimulation. His-Bündel-Stimulation und Linksschenkelstimulation machen der klassischen CRT jedoch zunehmend Konkurrenz. Bei diesen Methoden wird das Reizleistungssystem direkt stimuliert, wovon man man sich eine physiologischere und synchronere Stimulierung der Ventrikel verspricht. Noch ist die Studienlage für den Einsatz beider Methoden bei Patienten mit CRT-Indikation allerdings ziemlich dünn. Evidenz gibt es aktuell vor allem für die His-Bündel-Stimulation als Alternative zur rechtsventrikulären Stimulation bei Patienten mit Bradykardie-Indikation.
Entsprechend zurückhaltend äußern sich die 2021 aktualisierten ESC-Leitlinien zum Einsatz der neuen Pacing-Methoden. In diesen wird eine His-Bündel-Stimulation für CRT-Kandidaten nur dann empfohlen, wenn eine CRT-Implantation nicht gelungen ist (Klasse IIa B). Die Linksschenkelstimulation ist in dieser Indikation mangels Daten gar nicht aufgeführt.
Randomisierter Vergleich
In der beim EHRA-Kongress präsentierten randomisierten LEVEL-AT-Studie wurde nun das erste Mal die Performance beider Leitungssystem-Stimulationsmethoden gemeinsam betrachtet und mit der einer biventrikulären Stimulation bei Herzinsuffizienzpatienten mit CRT-Indikation verglichen. Insgesamt 70 Patienten, die trotz optimaler Herzinsuffizienz-Therapie eine LVEF ≤ 35% sowie einen breiten QRS-Komplex (QRS ≥ 130 ms mit Linksschenkelblock oder ≥ 150 ms ohne LBBB) aufwiesen, erhielten randomisiert entweder eine Stimulation des Reizleitungssystems im His-Bündel bzw. oder in der Linksschenkelregion oder stattdessen eine übliche CRT mit biventrikulärer Stimulation.
Die Single-Center-Studie war auf Nichtunterlegenheit angelegt. Und dieses Studienziel wurde sowohl beim primären Endpunkt der Studie – der Abnahme der linksventrikulären Aktivierungszeit (LVAT) nach 45 Tagen als Maß für den Erfolg der Resychronisationstherapie – als auch bei sekundären Endpunkten ziemlich eindeutig erreicht.
Nichtunterlegenheit eindeutig erreicht
Die LVAT nahm bei den Patienten, die zur His-Bündel- oder Linksschenkelstimulation zugeteilt worden sind, innerhalb von 45 Tagen um 28 +/– 26 ms ab. In der Gruppe mit biventrikulärer Stimulation reduzierte sich die LVAT um 21 +/– 20 ms (p für Nichtunterlegenheit ˂ 0,001). „Die Leitungssystem-Stimulation erreichte damit dasselbe Ausmaß an kardialer Resynchronisation wie das biventrikulärer Pacing“, resümierte Studienautorin Dr. Margarida Pujol-Lopez aus Spanien.
Beide Stimulationsarten erreichten zudem ein ähnliches linksventrikuläres Remodeling, gemessen an der Abnahme des linksventrikulären endsystolischen Volumens (LVESV: –37 vs. –30 ml), mit einem p= 0,04 für Nichtunterlegenheit. Auch die erzielte QRS-Verkürzung war vergleichbar zwischen beiden Gruppen (– 53 vs. – 48 ms; p für Nichtunterlegenheit ˂ 0,001).
Was klinische Endpunkte betrifft, hatten Patienten mit Leitungssystem-Stimulation einen tendenziellen Vorteil: Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz kamen bei ihnen numerisch seltener vor als in der Gruppe mit biventrikulärer Stimulation (2,9% vs. 8,6%). Zudem wiesen sie eine tendenziell geringere Sterblichkeit auf (0% vs. 5,7%) (p für Nichtunterlegenheit für die kombinierten Endpunkte = 0,002). Die Studie war allerdings nicht dafür gepowert, um Unterschiede bzgl. klinischer Endpunkte aufzuzeigen.
Alles in allem veranlassten die Ergebnisse Pujol-Lopez zu der Schlussfolgerung, dass die neueren Leitungssystem-Stimulationsmethoden eine „machbare Alternative“ zur biventrikulären Stimulation darstellen.
Multicenter-Studie zur Linksschenkelstimulation
Zu einem ähnlichen Resümee kommt auch der Studienautor der ebenfalls beim EHRA-Kongress präsentierten MELOS-Studie. Zielsetzung und Design der Studie sind etwas anders als die der LEVEL-AT-Studie. In MELOS haben mehrere europäische Zentren, in denen die Linksschenkelstimulation vorgenommen wird, ihre Erfahrungen mit der Pacing-Methode zusammengetragen. Die Methode kam bei zwei Indikationen zum Einsatz: als Resychronisationstherapie bei Herzinsuffizienzpatienten sowie als Schrittmachertherapie bei Patienten mit Bradyarrhythmien. Insgesamt 2.533 Patienten wurden in den Zentren aus den genannten Gründen mithilfe einer Linksschenkelstimulation behandelt (27,5% hatten eine Herzinsuffizienz, 22,4% einen LBBB). 87% der Daten wurden prospektiv erhoben.
Erfolgsrate nicht ideal
Bei 91,6% der Bradyarrhythmie-Patienten gelang die Stimulation der Linksschenkelregion. Die Erfolgsrate im Falle einer Herzinsuffizienz-Indikation lag dagegen nur bei 76,8%. „Die Technik ist nicht so einfach, wie manch einer denken mag“, schloss Studienautor Prof. Marek Jastrzebski aus Polen daraus. Deutlich werde das auch an der Lernkurve, die erst nach 200 bis 250 behandelten Fällen ihr Plateau erreicht habe, führte der Kardiologe aus. Prädiktoren für das Versagen der Behandlung waren ein breiter QRS-Komplex zu Beginn, eine niedrige LVEF und eine Herzinsuffizienz. Es scheine, als wäre die Implantation der Sonde bei den Patienten, die potenziell am meisten von der Technik profitieren, am schwierigsten, so Jastrzebski.
Andere wichtige Basisparameter wie die Reizschwelle, Sensing, das unter Pacing erzielte QRS und RWPT (R-wave peak time) erreichten laut dem Studienautor „exzellente“ Werte.
Fokus auf Sicherheit
Ein besonderer Fokus der Analyse lag auf der Sicherheit der Pacing-Methode. Bei 8,2% der Patienten kam es Komplikationen, die mit der Stimulation in Verbindung standen. Die meisten dieser Vorfälle bekamen die Behandler ohne Folgen in den Griff. Am häufigsten waren akute intraprozedurale Perforationen des Ventrikelseptums, die bei 3,7% der Patienten auftraten. Diese stellen laut Jastrzebski aber „kein großes Problem“ dar, man müsse die Sonde einfach wieder in die richtige Position bringen. Als deutlich problematischer beurteilt der Kardiologe die später im Verlauf auftretenden Perforationen, wovon zwei Patienten betroffen waren, diese Komplikation war somit selten (0,08%).
„Die Linksschenkelstimulation ist eine vielversprechende Technik, die fast ‚ready for the Prime Time‘ ist“, resümierte Jastrzebski am Ende seiner Präsentation.
Experten sehen noch Optimierungsbedarf
Die Betonung liegt dabei auf „fast“. Denn die beiden Diskutanten Prof. Christophe Leclercq aus Frankreich und Prof. Angelo Auricchio aus der Schweiz sehen einen gewissen Optimierungsbedarf in der praktischen Durchführung der Pacing-Verfahren. „Alles in allem ist die Erfolgsrate noch immer nicht ideal“, bemängelte Auricchio beim Kongress. Dass die Implantation der Sonden noch Schwierigkeiten bereitet, macht auch die hohe crossover-Rate in der Level-AT-Studie deutlich. Bei acht ursprünglich zur Leitungssystem-Stimulation zugeteilten Patienten (23%) wurde sich am Ende doch für die biventrikuläre Stimulation entschieden. Die umgekehrte crossover-Rate lag nur bei 6%. Dieser Umstand liegt den beiden Diskutanten zufolge nicht allein an der fehlenden Erfahrung mit der Technik, sondern auch an den bisher verfügbaren Tools, inklusive der Bildgebungsmodalitäten. Es werde bessere Technik benötigt, um die Implantation optimaler steuern zu können, so Auricchio. „Wir brauchen außerdem große randomisierte Studien in Bezug auf Effektivität, Sicherheit und Langzeit-Follow-up der Methoden, ehe eine Schlussfolgerung möglich ist“, schloss Leclercq seine Diskussion.
Literatur
Pujol-Lopez M: Conduction system pacing vs. biventricular pacing in Heart Failure and wide QRS patients: a randomized study
Jastrzebski M: Multicentre European left bundle branch area pacing outcomes study: MELOS; Late Breaking Clinical Trials I - devices and prevention sudden cardiac death, EHRA-Kongress, 4. April in Kopenhagen