Seltsame EKG-Veränderung bei COVID-19-Patientin – Ärzte rätseln über Ursache
Eine 53-jährige Frau, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert hat, entwickelt auffällige EKG-Veränderungen. Die Ärzte suchen nach einer Erklärung für diesen überraschenden Befund.
Die klinischen Symptome der 53-jährigen Patientin sind zunächst recht "typisch" für eine SARS-CoV-2-Infektion: Sie hat 39,7 °C Fieber, leidet an Husten, Myalgien, Fatigue und Durchfall.
Der weitere Verlauf der Infektion bereitet den behandelten Ärzten allerdings Kopfzerbrechen. Im EKG stellen sie nämlich folgende auffällige EKG-Veränderungen fest:
- gewölbte („coved“) ST-Streckenhebung in V1,
- mit einer J-Punkt-Erhöhung um 0,25 mV.
Vor Corona hatte die Frau keine Anzeichen
Derartige EKG-Veränderungen seien indikativ für das Vorliegen eines Brugada-Syndroms vom Typ 1, erläutern die Kardiologen um PD Dr. Patrick Lugenbiel von der Universitätsklinik Heidelberg den Befund im „European Heart Journal – Case Reports“.
Die Ärzte wundern sich über das Vorliegen der typischen Brugada-Zeichen, da diese in früheren EKG-Ableitungen der Patientin nicht zu sehen waren. Die Frau litt in der Vergangenheit auch an keinen typischen klinischen Beschwerden des Arrhythmie-Syndroms wie Synkopen, Schwindel oder Palpitationen. Die Familien-Anamnese ist ebenfalls unauffällig.
Lungenbiel und Kollegen vermuten deshalb, dass die EKG-Veränderungen im direkten Zusammenhang mit der Infektion stehen.
Hydroxychloroquin wird sofort abgesetzt
Bis dahin verlief die COVID-19-Erkrankung bei der Frau einigermaßen glimpflich. Im Thorax-CT ließen sich bilateral parenchymale Milchglastrübungen dorsal in den unteren Lungenlappen nachweisen. Das Labor ergab eine Lymphopenie, erhöhte Ferritin-Werte und Hinweise für eine Zytokinaktivierung. Hochsensitives Troponin und NT-proBNP lagen im Normbereich.
Nach dem Therapiebeginn mit Ceftriaxon, Caspofungin und Hydroxychloroquin ließ das Fieber nach. Aufgrund ihres stabilen klinischen Zustandes benötigte die Patientin keine Sauerstofftherapie.
Doch die EKG-Zeichen gehen trotzdem nicht weg
Als die Ärzte die oben genannten EKG-Veränderungen feststellen, beenden sie die Therapie mit Hydroxychloroquin umgehend. Die Brugada-Zeichen verschwinden trotzdem nicht, sie verschlimmern sich sogar, nachdem die Frau aus dem Krankenhaus entlassen wird (J-Punkt-Anstieg auf 0,45 mV in V1 und V2) – und das obwohl die Frau kein Fieber mehr hat.
Auffällig ist, dass in derselben Zeit auch die Interleukin 6-Konzentrationen kontinuierlich angestiegen sind. Es sei bekannt, dass zirkulierendes IL-6 eng mit der Schwere einer COVID-19-Erkrankung assoziiert ist, ordnen Lugenbiel und Kollegen diesen Befund ein.
Im weiteren EKG-Monitoring zeigen sich keine ventrikulären Arrhythmien. In der Echokardiografie können die Kardiologen auch keine strukturellen, valvulären oder funktionellen Veränderungen feststellen, welche die Brugada-Zeichen erklären könnten.
Erst als das Virus weg war, ist das EKG wieder normal
Erst als sich kein Virus mehr nachweisen lässt, verschwinden die EKG-Veränderungen. Die Kardiologen aus Heidelberg vermuten, dass der bei COVID-19 häufig berichtete Zytokinsturm oder die direkte Kardiotoxizität des Virus die EKG-Veränderungen verursacht haben. Es sei deshalb wichtig, bei COVID-19-Patienten ein EKG-Monitoring und kardiale Untersuchungen vorzunehmen, um eine potenziell lebensbedrohliche Herzbeteiligung zu erkennen, geben sie als Empfehlung mit auf dem Weg. Mit der Patientin wurden im Anschluss weitere ambulante Nachsorgetermine ausgemacht.
Fazit für die Praxis |
Im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion können sich EKG-Veränderungen entwickeln, die typisch sind für ein Brugada-Syndrom, auch dann, wenn das Fieber bereits nachlässt. Bei COVID-19-Patienten sind deshalb kardiale Untersuchungen, inkl. eines EKG-Monitorings, ratsam. |
Literatur
Lugenbiel P et al. Brugada ECG pattern during acute infection, European Heart Journal - Case Reports,ytaa230, DOI: 10.1093/ehjcr/ytaa230