Belastungs-EKG: Was es sagt und was nicht
Die Diskussion um das Belastungs-EKG ist nicht neu. Eine Post-hoc-Auswertung der SCOT-HEART-Studie zeigt einmal mehr, was der Klassiker der Ischämiediagnostik kann – und was nicht.
Belastungs-EKGs sind prinzipiell eine super Sache. Es braucht ein Ergometer, ein paar Kabel und ein EKG-Gerät und schon kann es losgehen mit der Ischämiediagnostik. Der Patient muss einfach nur ins Nebenzimmer, die Durchführung lässt sich delegieren, und die Auswertung ist eine Sache von Sekunden.
Belastungs-EKG oder besser Koronar-CT?
Nur: Lohnt der Aufwand? Oder ist zum Beispiel eine Koronar-CT nicht die bessere Wahl?
Mit Diskussionen um den Stellenwert von funktioneller und anatomischer KHK-Diagnostik lassen sich Bücher füllen. Ein Kapitel davon ist die SCOT-HEART-Studie, in der bei über 4.100 Patienten mit stabiler Angina pectoris ein Koronar-CT-basiertes Vorgehen mit einem Standardvorgehen, das das Belastungs-EKG an den Anfang stellte, verglichen wurde. Wie oft berichtet, hatte die Koronar-CT-basierte Patientensteuerung Vorteile im Hinblick auf relevante klinische Endpunkte.
Nachanalyse der SCOT-HEART-Studie
Eine Nachanalyse der SCOT-HEART-Studie hat sich jetzt die Aussagekraft der Belastungs-EKGs in diesem Studiensetting etwas genauer angesehen. Denn natürlich heißt das SCOT-HEART-Ergebnis nicht zwangsläufig, dass jeder Patient mit undiagnostizierter, stabiler AP als allererstes in eine CT geschoben werden sollte.
Die Nachanalyse basiert auf jenen 3.283 von 4.146 Studienteilnehmern, bei denen ein Belastungs-EKG durchgeführt wurde. Sie zeigt im Einklang mit anderen Studien, dass die Spezifität pathologischer Belastungs-EKG-Befunde in Bezug auf den Befund einer obstruktiven KHK jeglicher Ausprägung in der invasiven Koronarangiografie mit 91% recht hoch ist, während die Sensitivität mit 39% eher gering ist.
So gut schneidet das Belastungs-EKG ab
Werden nur prognostisch relevante, obstruktive KHK-Befunde gezählt, definiert als linke Hauptstammstenose größer 50%, 3-Gefäß-Erkrankung mit einer Stenose > 70% oder 2-Gefäß-Erkrankung mit proximaler RIVA-Stenose, dann stieg die Sensitivität auf 77%, und die Spezifität fiel dezent auf 86%.
In diesem „strengen“ Szenario beträgt der negativ prädiktive Wert des Belastungs-EKGs immerhin 96%, in Bezug auf jegliche obstruktive KHK sind es 82%.
Wann das Belastungs-EKG hilfreich ist
Aus klinischer Sicht bedeutet dies nach Auffassung der Autoren, dass ein Belastungs-EKG vor allem dann hilfreich ist, wenn es pathologisch ausfällt. Bei einem normalen oder nicht eindeutigen Befund sollte sich der Arzt dagegen nicht entspannt zurücklehnen, sondern möglichst eine weitere Abklärung einleiten. Die Koronar-CT sei hier ein sehr hilfreiches Instrument.
Ihr statistischer Nutzen im Hinblick auf Änderungen des therapeutischen Vorgehens war in der SCOT-HEART-Studie bei den Patienten am größten, die ein unklares Belastungs-EKG zeigten. Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die für eine Koronar-CT dann plädieren, wenn andere nicht-invasive Diagnostiken unklare oder sich widersprechende Ergebnisse liefern.
Literatur
Singh T et al. Exercise Electrocardiography and Computed Tomography Coronary Angiography for Patients With Suspected Stable Angina Pectoris – A PostHoc Analysis of the Randomized SCOT-HEART Trial. JAMA Cardiology 2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.1567