Nachrichten 24.06.2020

First-Line-Therapie bei Vorhofflimmern: Kryoballon-Ablation besser als Medikamente

In der Erstlinientherapie des rezidivierenden Vorhofflimmerns werden Antiarrhythmika derzeit bevorzugt eingesetzt. Experten stellen dieses Vorgehen nun infrage. Denn in einer randomisierten Studie hat sich die Kryoballon-Ablation als klarer Sieger hervorgetan.

Die Kryoballon-Ablation kann offenbar bedenkenlos als First-Line-Therapie bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern eingesetzt werden. Die Ergebnisse der jetzt beim DGK.Online-Kongress präsentierten Cryo-FIRST-Studie zeigen, dass die kälteinduzierte Ablation bei therapienaiven Patienten den Rhythmus deutlich effektiver stabilisieren kann als eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie – ohne Sicherheitsbedenken.

Taugt der Kryoballon als Erstlinientherapie?

„Der Kryoballon stellt eine effektive und sichere First-Line-Therapie des paroxysmalem Vorhofflimmern dar“, lautet das Fazit des Studienautors Dr. Malte Kuniss, Bad Nauheim, der die Ergebnisse bei einer virtuellen Late-Breaking -Clinical-Trial-Sitzung vorgestellt hat.

Insgesamt erhielten im Rahmen der Studie 218 Patienten entweder eine Kryoballon-Ablation oder eine medikamentöse Antiarrhythmika-Behandlung (Flecainid, Propafenon, Dronedaron und Sotalol); 187 von ihnen beendeten das 12-monatige Follow-up. Insgesamt gab es 20 Crossover: 19 eigentlich zur Pharmakotherapie randomisierte Patienten wechselten zum Kryoballon, ein Patient kehrte dem Kryoballon den Rücken und nahm stattdessen Medikamente ein.

Ablation senkt Rezidiv-Risiko deutlicher als Pharmakotherapie

Die Intention-to-Treat-Analyse ergab ein eindeutiges Bild:

  • 82,2% der mit der Kälteablation behandelten Patienten blieben nach einer dreimonatigen Blankingperiode frei von über 30 Sekunden andauernden Vorhof-Arrhythmien, in der medikamentösen Gruppe erreichten dagegen nur 67,6% der Patienten diesen primären Endpunkt.
  • In beiden Therapiearmen dauerte es vergleichbar lang, bis eine ernste Nebenwirkung auftrat. Erfreulich war die geringe Rate an schwerwiegenden Komplikationen in beiden Gruppen: Es gab keinen Todesfall, keine N. Phrenicus-Verletzung nach Klinikentlassung, keine atrioösophageale Fistel, keine Perikardtamponade und keinen Schlaganfall.

Mit einer über 50%igen relativen Risikoreduktion für Arrhythmie-Rezidive war der Kryoballon also deutlich effektiver als die medikamentöse Behandlung (Hazard Ratio, HR: 0,48; 95%-KI: 0,26–0,86; p=0,013), bei vergleichbarer Sicherheit. 

Trotzdem werden Antiarrhythmika als First-Line-Therapie favorisiert

Dass die Katheterablation per se in puncto Rhythmusstabilität und Symptomverbesserung der antiarrhythmischen Therapie überlegen ist, haben mittlerweile schon einige Studien bewiesen. Die Methode wird deshalb inzwischen mit einem Klasse IA-Evidenzlevel von den Leitlinien empfohlen.

„Dennoch wird die medikamentöse antiarrhythmische Therapie als rhythmusstabilisierende Ersttherapie bei therapienaiven Patienten mit rezidivierendem Vorhofflimmern favorisiert eingesetzt“, berichtete Kuniss beim DGK.Online-Kongress.

Die Cryo-FIRST-Studie stellt dieses Vorgehen jetzt zur Diskussion. Es ist die erste randomisierte Studie, in der die neuere Kryoballon-Ablationstechnik mit einer Pharmakotherapie bei noch unbehandelten Patienten verglichen wurde.  

Die in der Studie eingeschlossenen Patienten waren mit einem durchschnittlichen Alter von 52,4 Jahren ziemlich jung. An Vorhofflimmern litten sie allerdings schon recht lange, im Mittel gut zwei Jahre, ohne dass dieses bisher behandelt wurde.  

Fazit: Ablation schon nach der 2. oder 3. Episode

PD Dr. Andreas Metzner stellt sich in der an die Studienpräsentation anschließenden Diskussion deshalb die Frage, ob man die Patienten nicht schon früher hätte abladieren sollen? Womöglich sollten die Patienten bereits nach dem zweiten oder dritten Rezidiv – wenn es keine reversible Ursache für die Arrhythmie-Episoden gebe – interventionell behandelt werden, schlägt der Kardiologe vom Universitäten Herz- und Gefäßzentrum in Hamburg vor.

Diese Einstellung vertritt auch Kuniss: Nach einer ersten Episode sei eine begrenzte medikamentöse Antiarrhythmika-Behandlung sinnvoll, da es Patienten gebe, bei denen es bis zur nächsten Episode fünf Jahre dauere, erläuterte er das praktische Vorgehen. Wenn aber nach der ersten Episode, eine zweite und direkt danach eine dritte folge, würde er den Patienten einer Ablation zuführen.

Literatur

Kuniss M: Cryoballoon Catheter Ablation Versus Antiarrhythmic Drugs as a First-Line Therapy for Patients with Paroxysmal Atrial Fibrillation; vorgestellt am 23. Juni 2020 beim DGK.Online 2020

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