Vorhofflimmern bei stabiler KHK: NOAK ja, aber ohne Plättchenhemmer!
Weniger ist mehr: Bei Patienten mit stabiler KHK und Vorhofflimmern ist eine antithrombotische Monotherapie mit Rivaroxaban klinisch vorteilhafter als eine Kombi-Therapie mit Rivaroxaban plus einem Plättchenhemmer, bestätigt eine neue Analyse der AFIRE-Studie.
Bei Koexistenz von Vorhofflimmern und Koronarerkrankung fällt die Entscheidung über die optimale antithrombotische Therapie nicht leicht. Hilfe bei dieser Entscheidung bietet die 2019 beim ESC-Kongress vorgestellte japanische AFIRE-Studie: Nach ihren Ergebnissen ist es von Vorteil, bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern und stabiler KHK (ohne akutes Koronarsyndrom oder perkutane Koronarintervention im Jahr zuvor) auf einen Plättchenhemmer zugunsten einer Rivaroxaban-Monotherapie zu verzichten. Die Studie war aufgrund der erhöhten Mortalität unter der Kombinationstherapie mit Rivaroxaban plus Plättchenhemmer vorzeitig gestoppt worden.
Neue Analyse auf Basis nicht nur der Erstereignisse
Eine sekundäre Post-hoc-Analyse der AFIRE-Studie bestätigt nun erneut die Vorteilhaftigkeit der Rivaroxaban-Monotherapie. Im Unterschied zur Primäranalyse, bei der wie üblich nur Erstereignisse als Endpunkte berücksichtigt wurden (time-to-first event analysis), sind bei der neuen Analyse sämtliche Blutungs- und ischämischen Ereignisse – also sowohl Erst- als auch Folgeereignisse – zugrunde gelegt worden. Nach Ansicht der Studienautoren um Dr. Katsumi Miyauchi vom Juntendo Tokyo Koto Geriatric Medical Center vermittelt der Einschluss aller im Studienzeitraum aufgetretenen Ereignisse möglicherweise ein besseres Bild vom absoluten Nutzen der Rivaroxaban-Monotherapie, der bei einer Beschränkung auf Erstereignisse eventuell unterschätzt werde.
Die primäre und nur Erstereignisse berücksichtigende Analyse hatte bekanntlich ergeben, dass die Rivaroxaban-Therapie bezüglich der Inzidenz ischämischer Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Revaskularisation wegen instabiler Angina, systemische Embolie) der Kombination aus Rivaroxaban plus Plättchenhemmer bei Raten von 4,1% vs. 5,8% pro Jahr „nicht unterlegen“ war (p-Wert für Nichtunterlegenheit < 0,0001). Bezüglich der Häufigkeit von Blutungskomplikationen erwies sich die alleinige Rivaroxaban-Therapie der antithrombotischen Kombi-Therapie bei Raten von 1,6% vs. 2,8% pro Jahr als überlegen (p-Wert für Überlegenheit = 0,01).
Auch die neue, auf Basis aller im Studienzeitraum aufgetretenen Blutungskomplikationen (hämorrhagischer Schlaganfall, schwere Blutungen) und kardiovaskulären Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall, Revaskularisation wegen instabiler Angina, systemische Embolie) kommt zu dem Ergebnis, dass die Rivaroxaban-Monotherapie auf Dauer die bessere Option ist.
Rivaroxaban-Monotherapie senkt Gesamtrate aller Ereignisse relativ um 38%
Im Follow-up-Zeitraum von rund zwei Jahren waren bei den 2.215 analysierten Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern (mittleres Alter 74 Jahre, 20,1% Frauen) insgesamt 348 entsprechende Ereignisse (total events) registriert worden; davon waren 272 (78,2%) Erstereignisse und 76 (21,8%) Folgeereignisse.
Bei Raten für „total events“ von 12,2% vs. 19,2% war die Rivaroxaban-Monotherapie mit einem relativ um 38% niedrigeren Risiko im Vergleich zur Kombi-Therapie assoziiert (Hazard Ratio, HR: 0,62; 95%-KI: 0,48 – 0,80; p < 0,001). Die relative Reduktion betrug 31% für Erstereignisse und 54% für Folgeereignisse. Auch bezüglich der Mortalität fiel das Ergebnis bei Raten von 3,7% vs. 6,6% zugunsten der NOAK-Monotherapie aus.
Hohe klinische Relevanz von Blutungskomplikationen
Bei denjenigen Patienten, die ein Erstereignis überlebt hatten, war die Mortalität nach einem Blutungsereignis höher (75% bei Rivaroxaban-Monotherapie, 62% bei Kombinationstherapie) als nach einem thrombotischen Ereignis (25% bei Rivaroxaban-Monotherapie, 38% bei Kombinationstherapie). Nach Ansicht der Studienautoren um Miyauchi spricht diese Beobachtung dafür, dass Blutungsereignisse bei antithrombotisch behandelten Patienten mit Vorhofflimmern und stabiler KHK klinisch bedeutsamer sind als thrombotische Ereignisse. Somit komme es darauf an, die antithrombotische Therapie bei diesen Patienten auf das notwendige Maß zu beschränken, um das Blutungsrisiko zu minimieren.
Literatur
Naito R. et al.: Rivaroxaban Monotherapy vs Combination Therapy With Antiplatelets on Total Thrombotic and Bleeding Events in Atrial Fibrillation With Stable Coronary Artery Disease A Post Hoc Secondary Analysis of the AFIRE Trial. JAMA Cardiol. 2022, DOI: 10.1001/jamacardio.2022.1561