KHK/PAVK: Rivaroxaban plus ASS nützen mehr als ASS alleine
Eine Kombi-Therapie mit der Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban plus ASS beugt bei Patienten mit stabiler atherosklerotischer Gefäßerkrankung kardiovaskulären Komplikationen wirksamer vor als ASS alleine, wie aus Ergebnissen der großen COMPASS-Studie hervorgeht.
Ein Antikoagulans in sehr niedriger Dosierung kann in Kombination mit dem Plättchenhemmer Acetylsalicylsäure (ASS) bei Patienten mit stabiler koronarer oder peripherer Gefäßerkrankung (KHK, PAVK) präventiv offenbar mehr bewirken als ASS alleine. Das belegen die beim europäischen Kardiologenkongress (ESC) in Barcelona vorgestellten Ergebnisse der COMPASS-Studie (Cardiovascular Outcomes for People using Anticoagulation Strategies).
Signifikante Risikoreduktion um 24%
Danach wurde die Inzidenzrate für die Ereignisse kardiovaskulär verursachter Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall (primärer kombinierter Endpunkt) durch die Behandlung mit Rivaroxaban (2,5 mg zweimal täglich) plus ASS (100 mg einmal täglich) im Vergleich zur alleinigen ASS-Therapie relativ um 24% reduziert (Hazard Ratio 0,76; p < 0,001).
Im Follow-up-Zeitraum von knapp zwei Jahren (im Mittel 23 Monate) waren in der Rivaroxaban/ASS-Gruppe 379 (4,1%) und in der ASS-Gruppe 496 Patienten (5,4%) von einem der drei genannten Ereignisse betroffen. Die relativ kurze Beobachtungsdauer ist der Tatsache geschuldet, dass die Studie aufgrund des im Rivaroxaban/ASS-Arm bei einer Zwischenanalyse sichtbar gewordenen Vorteils vorzeitig gestoppt worden ist.
Mehr Blutungen auf der Negativseite
Der Vorteil der Kombination bezüglich der antithrombotischen Wirksamkeit hatte allerdings einen Preis: Das Risiko für Blutungen war unter Rivaroxaban/ASS signifikant höher als unter ASS . Die entsprechenden Blutungsraten betrugen 3,1% und 1,9% (HR 1,70; p < 0,001).
Am häufigsten handelte es sich dabei um gastrointestinale Blutungen. Mit Blick auf intrazerebrale oder tödliche Blutungen bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Ein in die COMPASS-Studie ebenfalls eingebundener Vergleich von Pantoprazol mit Placebo – dieser Teil der Studie ist noch nicht abgeschlossen – wird zeigen, ob eine Prophylaxe mit diesem Protonenpumpenhemmer am Blutungsrisiko etwas ändern kann.
Auch Mortalität wurde reduziert
Die für den primären kombinierten Studienendpunkt dokumentierte Reduktion basiert primär auf einer Abnahme von kardiovaskulären Todesfällen und Schlaganfällen. So wurden durch die Rivaroxaban/ASS-Kombi das Schlaganfall-Risiko relativ um 42% (HR 0,58; p<0,001) und das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle um 22% verringert (HR 0,78; p=0,02). Auch bei den Herzinfarkten gab es eine Abnahme, allerdings war die Risikoreduktion um 14% hier statistisch nicht signifikant (HR 0,86p=0,14).
Im Studienverlauf starben im Rivaroxaban/ASS-Arm 313 Teilnehmer (3,4%) und im ASS-Arm 378 Teilnehmer (4,1%). Der Unterschied entspricht einer relativen Reduktion der Gesamtmortalität – sie war ein sekundärer Studienendpunkt - um 18% durch das kombinierte Therapieregime (HR 0,82; p=0,01).
Positive Bilanz beim klinischen Nettonutzen
Die COMPASS-Autoren haben zur Ermittlung des klinischen Nettonutzens (net clinical benefit) außer den kardiovaskulären Ereignissen auch die schwersten Blutungskomplikationen (tödliche Blutungen, symptomatische Einblutungen in kritische Organe) in eine Gesamtbilanz einbezogen. Der Unterschied bei den Ereignisraten für diesen kombinierten Endpunkt (4,7% vs. 5,9%) entsprach einer relativen Risikoreduktion um 20% durch Rivaroxaban/ASS im Vergleich zu ASS alleine (HR 0,80; p= 0,0005).
In einem dritten COMPASS- Studienarm hatten alle Teilnehmer eine alleinige Behandlung mit Rivaroxaban (5 mg zweimal täglich) erhalten. Für diese Behandlung, die ebenfalls mit einem erhöhten Blutungsrisiko einherging, konnte bis zum Zeitpunkt des vorzeitigen Studienabbruchs kein signifikanter Wirkungsvorteil im Vergleich zur ASS-Therapie nachgewiesen werden.
Größte Rivaroxaban-Studie mit mehr als 27.000 Teilnehmern
Für die randomisierte Doppelblind-Studie COMPASS sind weltweit an mehr als 600 Zentren insgesamt 27.395 Patienten mit klinisch stabiler KHK oder PAVK rekrutiert worden. Als Teilnehmer geeignet waren nur Patienten, bei denen keine Indikation für eine Duale Antiplättchen-Therapie (DAPT) mit ASS als obligater Komponente bestand. Somit waren Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) und solche mit stabiler KHK und Stent-Implantation zumindest in der Zeit einer indizierten DAPT von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
Eine KHK bestand bei etwa 90%, eine PAVK bei 27% aller COMPASS-Teilnehmer. Beide Subgruppen profitierten von der Rivaroxaban/ASS-Therapie. In der größeren KHK-Subgruppe war bezüglich des primären Endpunktes eine Risikoreduktion um 26% (Ereignisraten: 4,2% vs. 5,6%), in der kleineren PAVK-Subgruppe eine Risikoreduktion um 28% (Ereignisraten: 5,1% vs. 6,9%) zu verzeichnen. In der Subgruppe mit PAVK konnten zudem schwere Durchblutungsstörungen und damit verbundene Amputationen der Gliedmaßen deutlich reduziert werden.
Die speziell bei PAVK-Patienten erzielten Ergebnisse waren Gegenstand einer separaten und ebenfalls beim ESC-Kongress präsentierten COMPASS-Analyse (Bericht folgt).
Literatur
Eikelboom J.W.: „Cardiovascular OutcoMes for People using Anticoagulation StrategieS (COMPASS) trial: Primary Results” , vorgestellt in der Sitzung „Hot Line - Late Breaking Clinical Trials 1” beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) 2017, 26. – 30. August 2017, Barcelona.
Eikelboom J.W. et.al.: Rivaroxaban with or without Aspirin in Stable Cardiovascular Disease N Engl J Med. 2017, online 27. August, DOI: 10.1056/NEJMoa1709118